Missouri River

Beim Hineinlaufen nach Great Falls hatte ich erstmalig den Missouri überquert. Von hier an ändert Montana sein Gesicht. Die großen Ebenen liegen hinter mir und die Berge erheben sich. Und endlich mal wieder Bäume und Schatten.

In Great Falls boten mir Brian und Sandy einen Zeltplatz in ihrem Garten an. Beide traf ich den späten Nachmittag vor dem Walmart. Wir hatten einen guten Schwatz und wir sagten tschüss. Nach ein paar Minuten entschieden sie sich aber umzudrehen und mich zu ihnen nach Hause einzuladen. Ich schätze immer wieder die Gastfreundschaft, egal in welchem Land. Für mich ist es immer noch irgendwie abstrakt. Die Leute freuen sich so sehr mich kennenzulernen. Sie sind einfach nur überwältigt von meiner Leistung und sie freuen sich mir etwas Gutes tun zu können.

So sage ich immer: „Ja, es ist ein Weg, den ich allein nicht gehen könnte. Ohne die Unterstützung und Hilfsbereitschaft der Leute auf meinem Weg wüsste ich nicht, wie es mir bis heute ergangen wäre, ob ich Freude an dieser Reise hätte. Und ich bezweifle, ob ich jemals so weit gekommen wäre. Es braucht sehr viel Vertrauen – Vertrauen in Gott, Vertrauen in die Menschen und Vertrauen in mich selbst.“ Dieser Weg sorgt auch einfach für ganz viel Demut.

Da waren auch noch Gus und seine Frau Marilyn. Gus sprach mich an einem kleinen Aussichtspunkt an und auch er lud mich zu seinem kleinen Landhaus etwas abseits des Highways ein. Wir hatten ein paar Bier und Whisky und Marilyn bereitete super Cheeseburger zu. An der Wand hing diese riesige Knarre im Holster (Smith & Wesson 500 Magnum Bear Gun) und er fragte mich, ob ich nicht einmal schießen wolle. Und so, wie man irgendwann Hund in Laos isst, so hat man in den USA irgendwann mal das Schießeisen in der Hand. Der Moment musste einfach kommen. Also ein paar Dosen in der Einfahrt aufgestellt, mir das Handling der Kanone erklären lassen und die Oropax durften auch nicht fehlen. Maaaan das Teil hat einen Rückstoß oder „Kick“, wie man hier sagt. Ich dachte fast, mir reißt es die Finger ab. Fünf Schuss und ich habe keine einzige Dose getroffen. Lag wohl am Bier und Whisky.

Auf einem kleinen Campingplatz traf ich dann vor ein paar Tagen auf Brenda. Mit Tüten voller Proviant in meinen Händen fragte ich sie, ob ich diese über Nacht, sicher vor Bären, in Ihrem Auto lagern könne. Sie meinte darauf, dass es in dieser Gegend keine Bären gebe. Sofort musste ich erwidern, dass ich 200 Meter die Hauptstraße runter Mama-Bär mit ihren zwei Jungen die Straße hab überqueren sehen. Ihr Blick sagte mir dann einiges. Als ich am nächsten Morgen dann meine Sachen wieder abholte, kam die Einladung nach Three Forks, da dies ja auf meinem Weg nach Yellowstone liege. Sofort war ich begeistert denn hier liegt sowieso ein wichtiger Meilenstein. Hier laufen die Flüsse Jefferson, Madison und Gallatin zusammen und bilden den Startpunkt des Missouris. So kam ich gestern in Three Forks an. Brendas Sohn öffnete mir die Tür zum Haus. Ich war so müde, dass ich nach einer heißen Dusche erst einmal einen ausgedehnten Mittagsschlaf brauchte. Mein letzter Ruhetag lag auch schon eine Weile zurück. Nachdem dann Brenda von der Arbeit kam, fuhren wir die paar Kilometer zu den Zusammenflüssen. Vergesst den Mississippi! Der Missouri hat für die geschichtliche und wirtschaftliche Entwicklung der USA die größere Bedeutung. Der Missouri ist das Tor zum Westen. Für mich hat dieser Ort auf jeden Fall etwas Magisches.

Präriehunde und Möwen

Ihr fragt euch bestimmt, ob es nicht doch etwas trostlos und öde in dieser Graslandschaft ist, durch die ich da ziehe? Auf den ersten Blick scheint es wirklich so zu sein, als gäbe es nicht viel zu entdecken. Wenn man aber genau hinsieht, dann gibt es doch so einiges an Leben.

Ein ständiger Begleiter sind die Präriehunde, kleine Nager, die vor allem durch ihr helles Pfeifen auf sich aufmerksam machen. Man sieht sie meist in den Morgen- und Abendstunden. Während der Mittagshitze verkriechen sie sich dann in ihre Tunnel. Die sind echt süß.

Oft passiert es, dass Vögel für eine kurze Weile um mich kreisen und teils auch Scheinattacken auf mich fliegen. Da es in der Prärie natürlicherweise keine Bäume gibt, nisten die Vögel auf dem Boden und so vermute ich, dass sie ihre Nester und Brut einfach nur verteidigen.

Ansonsten gibt es noch zahlreiche Rehe aber die Leute sagen mir auch immer wieder, dass auch Grizzlybären, Kojoten und Wölfe durch das Land streifen und ich mich in achtnehmen soll.

Eines will aber nicht ganz in meinen Kopf. Was zur Hölle machen Möwen hier? An der fischreichen Pazifikküste kann es nicht liegen. Der liegt knapp 900 Kilometer entfernt.

Unabhängigkeitstag

Zum großen Feiertag habe ich mich in der kleinen Stadt Choteau eingefunden. Schon in den ersten Vorgärten saßen die Leute gemütlich beisammen und die Kids spielten Softball. Kleine wie große Landesfahnen schmückten Häuser und Gärten. Einige Bewohner waren in den Landesfarben gekleidet. Die Stimmung war recht gelassen. Nichts an diesem Tag aber schien überhöht und übertrieben. Von überschwänglichem Patriotismus war nicht viel zu sehen.

Ich suchte erst einmal den Campingplatz auf. Für drei Tage wollte ich meinen Füßen etwas Ruhe gönnen. Nachdem das Zelt stand ging es auch schon zum Hauptevent – dem Rodeo. Nicht nur Cowboys, auch Cowgilrs schwangen hier ordentlich das Lasso und fingen die Kälber ein. Ungemütlich und hart war dann aber doch das Bullenreiten. Das tat teils schon beim Hingucken weh und einige Teilnehmer verließen humpelnd die Arena.

Einen Tag zuvor wurde mir erzählt, es gebe einen Wettbewerb, bei dem drei Männer eine wilde Kuh melken müssen. Als zwei versuchen diese irgendwie zu packen und der dritte muss dann so viel Milch wie möglich melken. Oh man, die spinnen. Aber was Amerikaner halt so machen…

Montana

Es ist geschafft. Am 29. Juni habe ich die Grenze passiert. Ein bisschen Bammel hatte ich schon. Dachte, die Grenzbeamten seien ganz besonders streng. Aber alles verlief gut und im Nachhinein war es auch recht lustig. Erst einmal musste ich mich für ungefähr zehn Minuten in der Warteschlange zwischen den Autos einreihen. Und dann wurde es spannend. Die üblich zu erwartenden Fragen wurden gestellt. Warum ich mit einem Visum anstatt mit eines ESTA (Einreiseregistrierung) einreise? -> Wegen Iranaufenthalt. Ob ich frisches Obst und Gemüse sowie Fleischprodukte dabei hätte? -> Rind in meiner Dosensuppe. Aufdruck „Product of USA“ aber halt in Kanada gekauft. Da hat er ein Auge zugedrückt und es durchgehenlassen.

Dann musste ich nur noch in die Lobby für meinen Stempel. Hier wurde noch einmal ein Foto von mir gemacht und Fingerabdrücke von einem weiteren Grenzbeamten genommen. Wie meine Adresse für die Nacht sei? -> „Ich habe keine. Der Campingplatz heißt Leaning Tree und liegt bei Babb. Er brauche aber eine eindeutige Adresse! So wie ich mein Telefon aus der Hosentasche zog, meinte er, ich soll es gut sein lassen. Er trage jetzt irgendwas in den Computer ein. Das fand ich schon eine klasse Aktion. Stempel in den Pass gedrückt und gefragt, wie lange ich denn bleibe? Hab ihm mein Rückflugdatum Ende September genannt und er wieder „Ach, schon gut. Gültig bis 28. Dezember 2022.“ Notiert und FERTIG.

Unweit vom Checkpoint dann eine erste kleine Überraschung. Bisons! Zwar nicht in freier Wildbahn sondern als zukünftiges Steak aber hey… schön sie zu sehen. Hatte sie mir aber etwas größer und wuchtiger vorgestellt.

Ansonsten ja… Die Weite lässt mich nicht los und ich könnte euch weiter hunderte Bilder dieser Landschaft präsentieren. Hinter jedem Hügel wartet ein paar Kilometer weiter auch schon der nächste Hügel, und dahinter wieder der nächste. Das geht jeden Tag, den ganzen Tag so. Hier und da frisst sich ein Bach seinen Weg durch das Land. Ein paar Rinder und Pferde sind auf den riesigen Weiden ein immer prägendes Bild. Nur die Berge westlich von mir nehmen immer eine neue Gestalt an. Thronte noch der Häuptlingsberg (Chief Mountain) vor einer Woche neben mir, ist er jetzt weit hinter dem Horizont verschwunden. Manchmal scheinen die Straßen im nichts zu verschwinden.

Ich bin einfach nur überwältigt.

Oki – Hand aufs Herz

An meinem vorletzten Abend in Kanada kam ich an den Rand des Reservats der Blutindianer (Blood Indian), einem Schwesterstamm der Schwarzfußindianer (Blackfeed Indian). Hier einfach mal sein Zelt aufzustellen ist so eine Sache. Es mag einige Indianer geben, die es vielleicht gelassen sehen, für die anderen jedoch ist es das letzte Stückchen Land, welches ihnen geblieben ist. Die Geschichte der Invasion durch die Europäer ist vielschichtig und doch recht düster. Da gibt es nichts zu beschönigen. Verständlich, dass man da vielleicht doch unerwünscht ist.

Von einer Brücke aus sah ich Kinder im Back planschen. Die Eltern saßen am Strand und ich winkte hinüber. Sogleich kam der Vater die Böschung hinauf. Augenscheinlich ein Indianer. [Anmerkung: Glaubt nicht, dass die hier mit Federn im Haar und mit Pfeil und Bogen herumlaufen. Heutzutage kleiden sie sich westlich.] Immer gleich die Hand zu reichen ist je nach Kulturraum oftmals unüblich. Doch wie begrüßt man eigentlich einen Indianer respektvoll? Ich hatte keine Ahnung. Aus meiner Erfahrung kann ich aber sagen, dass eine Geste immer funktioniert. Ich legte meine Hand auf die Brust und sprach ein kleines „Hello!“. Sofort erwiderte mit gleicher Geste und oben angekommen legte ich nochmals die Hand auf die Brust und er tat dem gleich. Irgendwie schien so gleich das Eis gebrochen und er stellte sich als Junior vor zusammen mit seiner Frau Christel.

Natürlich gab es mal wieder viele Fragen zu meiner Reise aber auch wollte ich doch etwas über das Leben der Ureinwohner heutzutage wissen. Kleine Geschichten über die Jagd, wo die Kinder zu Schule gehen, Verwaltungsstrukturen aber auch zunehmende Drogenprobleme in den Gemeinden füllten den Nachmittag bei einem kleinen Feuer am Bach.

Da es keine besonderen Campingmöglichkeiten weiter innerhalb des Reservats gebe, erlaubten er und seine Frau mir, die Nacht am Bach verbringen zu können, womit ich mich ein kleinen wenig geehrt fühlte. Und was mir noch mit auf den Weg gegeben wurde war das Wort „Oki“, was in der Sprache der Blut- und Schwarzfußindianer der allgemeine Gruß sei. Man würde es schätzen, wenn ich sie so grüße.

Offene Weite

Vor drei Tagen habe ich nun den letzten großen Pass in Kanada genommen. Bei bestem Wetter ging es mit reichlich Rückenwind und Schiebesonne geschmeidig ohne nennenswerte Steigung zum Crowsnest Pass hinauf. Es bedeutet so langsam den Abschied von den Rocky Mountains – vorerst.
Vor mir liegen die offenen Great Plains Albertas. Weites Grasland bis zum Horizont… Prärie… auf rund 1200 Metern Höhe. Wie sehr habe ich mich nach diesem Anblick gesehnt. 🥺 Die Rocky Mountains sind fantastisch anzusehen aber mein Herz schlägt für diese offene Weite. Hier kann ich mich verlieren. In den folgenden Bildern könnte ihr den Übergang bestimmt gut nachvollziehen.

So langsam ist es der Zeit Richtung Süden einzuschlagen. Rechter Hand ragt die letzte Bergkette wie ein riesiger Wall hervor. Eine Grenze zwischen zwei Welten. Meine letzten Tage in Kanada sind dann auch gezählt. Der Checkpoint zu Montana ist nicht mehr weit.

Nach langer Zeit ist heute Nacht mal wieder ein Trampolin mein Bett. Bequemer geht es wirklich nicht. Die Nacht verspricht trocken und klar zu werden. In den Sternenhimmel zu starren… Was kann es schöneres geben?

Wynndel

Die Fahrt mit der Fähre von Balfour nach Kootenay Bay bot nach dem vorherigen Regentag eine wundervolle Szenerie. Immer noch liegt der Schnee auf den Berggipfeln. Zum Nachmittag traf ich dann auf Wiebke sowie Anika zusammen mit Denis. Wir entschieden uns, die Nacht zusammen irgendwo versteckt im Wald zu campen. Sie würden so maximal 12 Kilometer vorrausfahren und Wiebkes Mückenspray am Straßenrand sei der Hinweis für mich, an der Stelle Halt zu machen. So hatten wir ein gemütliches Camp zusammen. Na ja, mein Zelt war echt über Stock und Stein aufgestellt und es war wohl die schlechteste Nacht seit langem die ich hatte. Am Abend hatte ich noch ein kaltes Bad im Kootenay Lake genommen. So im letzten Licht des Tages verbreiteten die Berge und der See eine sehr mystische Stimmung.

Es war auch an der Zeit mal etwas zurückzugeben. Anika hatte eine ähnliche Sony-Kamera wie ich und als wir darüber sprachen, zeigte sie mir den Steinschlag in der Mitte des Objektivs. Sie meinte, man könne noch Bilder damit machen aber jegliches Gegenlicht mache die Bilder dann doch wertlos. Ich hatte auch mal mein Objektiv fallen lassen und der Fokusring war danach schwergängig und ungenau. Darauf kann man aber mit Autofokus verzichten. Die Bildqualität war nicht eingeschränkt. So war es mein Ersatzobjektiv, da ich mir das gleiche noch einmal gebraucht gekauft hatte. Da ich mir sicher war, es doch nie wieder zu verwenden und es nur sinnfrei mit mir rumschleppen würde, habe ich es ihr dann einfach überlassen. Ich hoffe du hast Freude damit Anika!? Ach ja. Tomatensauce aus der Dose habt ihr auch bekommen. Ich dachte das war Pasta in Tomatensauce, so wie es das Bild versprach. Nun ja, den Abend hab ich dann halt nur Tomatensauce mit Brot gegessen.

Nathan (siehe Beitrag zuvor) hatte mir dann noch ein paar Tage zuvor die Kontaktdaten von seinen Gastgebern Cynthia und Fritz in Wynndel gesendet. Diesen hatte er bei seinem Stopp von mir erzählt und sie würden sich ebenso freuen, mich für ein paar Nächte beherbergen zu können. Und nun sitze ich in deren Haus, hatte zwei volle Tage die Beine hochmachen können und bin überglücklich nicht im Regen habe wandern zu müssen. Die beiden sind wundervolle Gastgeber und Fritz ist gelernter Koch. Also seit sicher, dass ich ausgezeichnet versorgt bin.

Beide sind 2006 mit ihren damals 10 und 12 Jahre alten Söhnen quer durch ganz Kanada von West nach Ost auf dem Fahrrad gereist. Was für eine grandiose Geschichte und was sie mir von ihren Abenteuern alles erzählen konnten. WOW!!! Und sie erzählen von all den glücklichen Begegnungen auf ihrem Weg genauso wie ich sie erlebe. Für sie ist es eine Selbstverständlichkeit, von ihrem erfahrenen Glück anderen wieder etwas zurückzugeben. Das ist einfach nur wundervoll.

Cynthia hatte ein paar Dinge in der Stadt zu erledigen und setzte mich an der Schwimmhalle ab. Hier konnte ich ein paar Bahnen ziehen und ganz gemütlich im heißen Pool entspannen. Einfach genial. Auch so haben sie mich ein wenig in der Gegend herumchauffiert damit ich von allem einen besseren Eindruck bekomme. Eine gute Gelegenheit noch ein paar Bilder machen zu können.

Ach wie soll ich diesen Stopp hier einfach nur beschreiben. Alles ist wirklich perfekt und mir mangelt es an nichts. Ich bin einfach nur überglücklich und zutiefst dankbar für das alles hier.

Obst, Gebäck, Wasser, Kaffee oder Bier…

Ohhh, es gibt so viele Geschichten zu erzählen gibt. Viel mehr, als ich hier schreiben kann. Kanada hat mir bis jetzt eine wunderbare Zeit beschert. Die Leute sind mega begeistert, heißen mich immer herzlich willkommen, feiern mich auf der Straße. So viele kleine Zufallsbegegnungen und zuvorkommenden Gesten.

Ob es etwas Obst, Gebäck, Wasser, Kaffee oder Bier, welches mir mit auf den Weg gegeben wird oder einfach eine Einladung auf dem Campingplatz zum Abendessen rüber zu kommen oder auf ein Glas Wein… Mich einfach nur auf dem Rasen hinterm Haus zelten zu lassen und eine heiße Dusche oder Wäschewaschen angeboten zu bekommen. Das ist mir alles so viel wert.

Vielen Dank an John und Kathleen, Mike with the Bike J, Brian, die Su Casa – Familie, Familie Schmalz, Lisa und Byron samt Eltern, Marilyn und die vielen anderen mehr. Ihr Leute seid einfach immer nur das Highlight des Tages.