Positiv denken

Vor zwei Nächten hatte ich meinen Schlafplatz wieder an einer Kirche gefunden. Hinter der Kirche gab es einen Spielplatz umgeben von einem blickdichten Zaun. Das schien mir gut für die Nacht geeignet.
Ich wartete noch etwas mit dem Zeltaufstellen und lag einfach auf meiner Plane. Als ich dann einmal aufstand, sah ich plötzlich ein Auto auf dem Parkplatz und duckte mich gleich wieder weg. Jemand hustete irgendwann unweit von mir und ich blieb mucksmäuschenstill. Später schaute ich mit meinem Telefon wie mit einem Periskope über den Zaun und das Auto war weg. So begann ich mein Zelt aufzustellen und hatte eine ruhige Nacht, bis ich am nächsten Morgen aus meinem Zelt kroch und da wieder ein Auto stand. In gebückter Haltung hatte ich dann alles abgebaut und startete in den Tag.

Am gestrigen Nachmittag fragte ich mich dann, was denn eigentlich mit mir nur los sei? Ich war voll aus dem Konzept. Mir wurde klar, dass das noch die Nachwehen von dem Tag sind, als mich Pastor Dr. Love vom Kirchengrund schmiss. Das klebt immer noch an mir. Und diesmal hätte es ja wieder passieren können.

Normalerweise bin ich es doch, der mit Selbstbewusstsein und einem Lächeln auf die Menschen zugeht, sein Vorhaben erklärt und nach einem kleinen Stück Rasen für die Nacht fragt. Ich bin es doch, der sich von einem Nein nicht erschüttern lässt und einfach zum nächsten Haus geht und weiter fragt. Stattdessen verstecke ich mich wie ein Verbrecher hinter einem Zaun und hoffe unentdeckt zu bleiben. Das kann doch weder der Anspruch an mich noch an meine Reise sein?!

So reflektierend sagte ich mir dann: „Positiv denken!“. Und wahrlich blickte ich wieder nach oben und setzte mir ein freundliches Lächeln auf. Und ich erkannte Autofahrer die mich grüßten, als sie langsam an mir vorbeifuhren und auch ich hob meine Hand wieder und grüßte zurück.

Wenig später war da der eine Typ auf seinem Rasentraktor gegenüber des Straße und ich grüßte ihn aber er sah es nicht. Egal, denn als er hinter seiner Garage wieder vorkam, bot er mir ein Wasser an und wir kamen ist Gespräch. Als ich erzählte, dass ich aus Deutschland komme, fielen gleich etwas gebrochenes Deutsch aus seinem Mund. Sein Name war Berlyn und er hatte immer dieses Lächeln im Gesicht. Er holte mich kurz in sein Haus aber ich wollte nicht lange stören. Er hatte aber eine so tolle Art an sich, dass ich den Gedanken äußerte, bis zum Walmart nach Westminster weiter zu laufen, er mich von dort wieder zu sich nach Hause hole und am Morgen darauf wieder am Walmart absetzte. Das gefiel ihm und so geschah es. Seine Ehefrau Theresa kam dann auch noch und wir hatten einen wirklichschönen gemeinsamen Abend. Besser hätte es nicht passieren können.

Was aber die eigentliche Erkenntnis des Ganzen ist, ist, dass nicht unbedingt andere Leute uns die Seele und das Leben schwer machen. In erster Linie ist es unsere eigene Einstellung, unsere eigene Herangehensweise. Und ich bin mir sicher, dass wir alle mit Freude, Heiterkeit und einem Lächeln unsere Mitmenschen anstecken können.

Danke Berlyn und Theresa

Washington DC

Als ich vor zwei Jahren in Wyoming unterwegs war, traf ich auf drei Herrschaften auf ihrem Roadtrip. Oder sie trafen auf mich? Wie auch immer… Keith, der Mann links im ersten Bild meinte, wenn ich auf dem Weg nach New York City bin, dann könne ich gern bei ihm in Maryland einen Stopp einlegen. Er würde sich freuen, wenn er mir Washington DC zeigen könne.

Dieser Einladung von Keith bin ich gern gefolgt und ich kann sagen, dass ich die Zeit mit ihm, seiner Frau Sue und seiner Familie sehr genieße und wir uns viel zu erzählen haben.

Und wie versprochen war auch etwas Sightseeing angesagt. Der große Magnet ist natürlich The Mall, ein knapp 4 Kilometer langen Streifen mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten und Denkmälern der Stadt. Beginnend im Osten mit dem Lincoln Memorial, dem Washington Monument in der Mitte und dem United States Capitol im Osten. Nicht zu vergessen ist natürlich auch das Weiße Haus. Drum herum sind noch zahlreiche weitere Denkmäler, Regierungsgebäude und auch Museen. Zu viele um sie hier alle aufzählen zu wollen und es ist quasi unmöglich an einem Wochenende alles zu erkunden. Es läd auf jeden Fall zu Flanieren und Verweilen ein und man entdeckt immer wieder etwas neues.

Chesapeake and Ohio Canal

Kurz hinter Harpers Ferry bin ich südwärts auf den C&O Canal Trail abgebogen. Für ein paar Tage weg von der Straße und Lärm ist dies ein wundervoller Rad- und Wanderweg entlang des Potomac Rivers und eben dem C&O Kanal, auf dem Waren zwischen Cumberland und Washington DC ab Anfang des 19. Jahrhunderts transportiert wurden.

Entlang der Route gibt es kostenfreie Campingplätze und hier und da kommt eine Ortschaft um sich zu versorgen. Schön ist es auch, die Tierwelt beobachten zu können.

Und ich habe eine neue Frucht entdeckt – Pawpaw. Die fiehlen an vielen Stellen von den Bäumen und irgendwann hob ich aus Interesse eine auf. Ich dachte erst, dass es eine Art Mango sei, denn der Geruch erinnerte zu stark daran. Aber in diesen Breiten wachsen keine Mangos. Also kurz im Internet recherchiert und ich kam eben auf Pawpaw oder auch Indianerbanane, die nur hier in Nordamerika heimisch sind.
Reif, ist sie in der Konsistenz breiig und hat eben dieses Aroma zwischen Mango und Banane. Super lecker 😋.

Appalachen und Pastoren

Auch über die Appalachen habe ich nun meinen Weg gefunden. Farmington liegt am westlichen Rand des Gebirges und ich muss sagen, dass es die ersten zwei Tag nach meiner Abreise schon in sich hatten. Besonders langes und steiles Gefälle geht auf die Knie und selten hatte ich so sehr meine Oberschenkel gefühlt wie in jenen Tagen.

Zudem war es auch ordentlich frisch. Für die erste Nacht musste ich mir sogar die lange Unterwäsche und Mütze nehmen. Davon kann heute bei Temperaturen von 37°C (99°F) keine Rede sein. Der Schlafsack wird wohl gepackt bleiben.

Natürlich gab es auch wieder interessante Begegnungen mit Menschen. An der Stelle fange ich mit einem Negativbeispiel aus letzter Nacht an. Ich sage ja den Leuten immer, dass 99,99 Prozent der Leute echt klasse sind aber ab und zu trifft man eben auch auf einen Idioten der alles versaut.

Ich hatte mir die Tri State Baptist Church als Lager für die Nacht ausgesucht. Dort angekommen traf ich auf Russell, einem Obdachlosen, der unter dem Vordach schlafen wollte. Russell war voll in Ordnung und wir hatten ein nettes Gespräch. Die Sonne war am Untergehen und ich verschwand hinter eine dichte Baumreihe um dort mein Zelt aufzubauen. Bevor ich aber loslegte, nahm ich 15 USD um sie Russell zu geben. Ich meine, die Leute unterstützen mich immer wieder also kann ich auch denen davon etwas abgeben, die es offensichtlich nötiger haben. Als ich hinter der Baureihe wieder vorkam, stand da auch schon der dunkle Wagen mit zwei Männern und ernsten Gesichtern. Da hatte ich mir aber noch nichts dabei gedacht und bin eben freundlich drauf zugegangen und hab mich vorgestellt. Und dann hieß es, ich könne das Gelände auch gleich verlassen. Die Kirche sei ja schließlich kein Hotel. Ich entgegnete, dass es doch das erste Mal wäre, von einer Kirche abgelehnt zu werden aber der ältere der beiden wurde noch grimmiger. Als ich dann fragte, wer denn der Pastor oder er sei, schwengte sein Blick weg von mir und er erklärte, dass er zur Administration der Kirche gehöre. Ich wollte dann auch nicht anfangen zu streiten, hatte er doch schon sein Telefon bereit, um vermutlich die Polizei zu rufen, falls wir nicht freiwillig gingen. Ich gab Russell noch die 15 Dollar, wünschte ihm alles Gute, holte meinen Wagen vor und lief in die Nacht hinein. Meinem Unmut machte ich gleich in einer Google-Rezension und in einer direkten Email an den Pastor Luft. Mit einem Blick auf die Website der Kirche musste ich dann feststellen, dass uns der Pastor höchst persönlich verjagt hat. Als ich nach dem Pastor fragte, da hatte Dr. Ray Love nicht einmal die Eier mir in die Augen zu schauen und zu sagen, dass er es persönlich ist. Ein wirklich großartiger Mensch. Zumindest hatte er auf meine Email geantwortet. Ganz kurz, dass sie Russell in ein Motel gefahren haben, da er mit seinen Knieproblem nicht weit laufen kann. Ansonsten nur ein weiteres kurzes Bla Bla. Auf meine Kritik ging er nicht ein.

Ich machte mich weiter auf den Weg zur nächsten Kirche und habe mir laut gesagt „Es gibt immer einen Platz.“ Und bis zur Kirche kam ich dann auch nicht, als mir eine Stimme etwas zurief. Da ich es nicht verstanden hatte, lief ich die Einfahrt hinein und eine Frau, Rachel, kam auf mich zu. Sie dachte ich sei ein Bekannter der auch immer mal mit Stirnlampe im Dunkeln die Straße runterläuft und wunderte sich, was er (also ich) hinter sich herziehe. Das Missverständnis war schnell geklärt und ich erklärte ihr meine Situation, dass ich zur nächsten Kirche weiter wolle. Ihr Bruder Joe zeigte aber auf ein kleines Stück Rasen neben dem Haus und das war meine Rettung. Und eine heiße Dusche gab es obendrauf. Ich weiß nicht, wie oft ich mich bedankt habe. Ist das einfach nur Fügung?

Das war jetzt ein negative Beispiel, welches ich so auch nicht allein stehen lassen möchte. Es geht alles besser.

Zum ersten Abend nach meiner Abreise aus Farmington rief ich einfach die hinterlegte Telefonnummer der Kirche an. Der Herr am anderen Ende der Leitung hatte kein Problem damit, dass ich dort campe. Ich solle einfach machen.

Den zweiten Abend bei Cumberland MD schlug ich mein Zelt einfach hinter einer Kirche auf. Der Sheriff hatte kurz mal aus seinem Auto geschaut, aber nichts gesagt und ich hatte eine ruhige Nacht.

Den dritten Abend wurde ich an einem Campingplatz in der Nähe von Springfield VW vermittelt und konnte dort mein Zelt kostenfrei aufschlagen. Perfekt.

Am vierten Tag hielt Benjamin mit seinem Fahrrad neben mir. Mit seinem vielen Tattoos und Look konnte ich mir erst einmal nicht vorstellen, dass er Pfarrer einer methodischen Gemeinde ist. War er aber. Und er war natürlich interessant an meiner Geschichte. Ich sagte ihm, dass ich die Nacht an der Kirche Campamento Monte Sinai verbringen wolle. Der Name hatte nicht umsonst spanischen Charakter. Im Haus nebenan wohnte Juan aus El Salvador, der den Hausmeisterdienst übernimmt. Er schloss mir die Kirche auf und führte mich ins Obergeschoss in dem es ein Badezimmer gab. Hier konnte ich wieder duschen. Und dann kam auch Benjamin mit seinem Banjo und Bier vorbei und so wir saßen bei Juan auf der Veranda mit etwas Bluegrass-Musik und netten Gesprächen. Was für ein toller Abend. Unglaublich wenn man bedenkt, dass wir drei uns Stunden zuvor noch nicht kannten.

Dass der fünfte Abend nicht so funktioniert hatte wie erhofft lag dann wohl an einer kleinen Fehlplanung meinerseits. Nördlich von Winchester liegt The Church of Jesus Christ of letter day saints, also eine Mormonenkirche. Das Satellitenbild war vielversprechend aber zur Kirche gehörte nur der asphaltierte Parkplatz. Das ganze Grün herum war Schulgelände und da kann/darf/sollte ich mein Zelt nicht aufstellen. Ich traf in der Kirche aber auf eine kleine Gruppe Teenager und die waren Feuer und Flamme als ich von meiner Reise erzählte. Und natürlich wollten sie mir helfen einen Schlafplatz zu finden. Erstmal bekam ich aber ein leckeres Stück Bananenbrot und dann telefonierten einige umher um mir eine Schlafgelegenheit zu organisieren. Leider war es vergebens aber ihr Einsatz war großartig. Letztendlich hatte ich ein gemähtes Stück Rasen einer kleinen Böschung runter neben der Straße für völlig zweckerfüllend erklärt und hatte eine gute Nacht.

So… genug geschrieben. Ich bin müde.

Eine gute Zeit in Farmington

Ach wie schnell können zwei Wochen vergehen? Die Bruderhof-Gemeinde hat mir eine wirklich gute Zeit bereitet und dafür bedanke ich mich ganz herzlich.

An den meisten Tagen habe ich in der Gemeinde mit ausgeholfen. Hier ist auch wirklich immer etwas zu tun und jung und alt packen gemeinsam an.

Zum Frühstück und Abendessen wurde ich oft von verschiedenen Familien eingeladen. Mittagessen gibt es unter der Woche gemeinsam im gemeinsamen Speisesaal. Es gab viele wundervolle Geschichten zu hören und es wurde viel über die Motivation, in einer Gemeinschaft zu leben in welcher es kaum persönlichen Besitz gibt, diskutiert. Es ist schon irgendwie inspirierend, mangelt es den Brüdern und Schwestern doch an nichts. Das fängt beim Essen und der Unterkunft an, geht weiter über den Fuhrpark, die medizinische Versorgung mit eigenen Ärzten und hört dann bei der Sauna und dem Badesee auf. Bei Festlichkeiten wird mit Wein und hausgebrautem Bier angestoßen. Die Kinder haben alle Möglichkeit sich zu entfalten und es ist so schön zu sehen, wie viel Zeit sich die Familien füreinander nehmen. Und ich konnte einfach mit eintauchen.

In der Freizeit wurde ich zum Wandern eingeladen, wir saßen an Lagerfeuern mit heißer Schokolade und Marshmallows, waren baden oder im Zoo. Die großen Miezen haben es mir schon angetan. Bei einem 5km-Wettlauf für den guten Zweck in Uniontown, habe ich die Straßen mit abgesperrt und den Verkehr geregelt.

Mein Gastgeber Benito zeigte mir einen Großteil der Gegend. Einmal fuhren wir durch halb Pennsylvania ins tiefste Amish-Land um neue Möbel von einer Schreinerei abzuholen. Mein Bild von technologiefernen Amish wurde dabei komplett auf den Kopf gestellt. In der Werkstatt standen moderne Maschinen und es gab auch moderne Kommunikation. Der Strom für die Werkstatt wird allerdings über eigene Generatoren erzeugt und nur im Wohnhaus selbst bleibt alles traditionell simpel. Die Ehefrau des Besitzers und die Kinder waren sehr weltoffen und gesprächig und haben sich gefreut auch einmal jemanden von einem anderen Kontinent kennenzulernen. Und wenn es den älteren Amish zu mühsam wird die Kutsche zu spannen, dann geht es eben mit dem vierrädrigen Elektroscooter über die Straßen. Das war ein wundervoller Tag.

Für die Gemeinde Spring Valley und New Meadow (gegenüber der Straße) hielt ich noch jeweils einen Diavortrag zu meiner Reise. Einfach nur einen kleinen Einblick in die Weiten und Schönheit der Welt geben war das Motto.

Aber alles findet einmal ein Ende, auch die Zeit hier in Farmington. Morgen geht es wieder die Straßen entlang. Mein nächstes Ziel könnt ihr vielleicht im letzten Foto erahnen. Danke Spring Valley / Bruderhof!

Bruderhof – Kapitel 2

Im Juli 2019, auf meinermm Weg durch das südöstliche Australien, stolperte ich etwas zufällig in die Bruderhof-Gemeinde „Danthonia“. Den Artikel könnt ihr hier lesen.

Damals war mein Aufenthalt allerdings viel zu kurz, hatte ich doch die Gemeinde mit ihrer Lebensweise und Lebensphilosophie sehr schnell ins Herz geschlossen. Ich weiß noch, wie ich beim Abschied Tränen in den Augen hatte.

Es stand für mich persönlich fest, wenn ich dann Nordamerika bereise, eine der Gemeinden besuchen zu wollen und ein bisschen tiefer in das gemeinsame Leben einzutauchen. Und auch Benito, mein Gastgeber in Australien fragte mich immer wieder, wann ich denn endlich nach Pennsylvania komme. Er war nämlich zwischenzeitlich mit seiner Familie in die USA zurückgekehrt.

Und hier bin ich nun. Letzten Donnerstag bin ich bei meiner Ankunft gebührend mit einer Leuchtschrift am Eingang empfangen worden. Und neben Benito und seiner Familie erkannte ich auch noch weitere bekannte Gesichter aus Australien und der Holzland-Gemeinde aus Bad Klosterlausnitz, welche unweit meiner Heimat liegt. Da fühlt man sich gleich etwas vertraut. Mindestens eine Woche, vielleicht sogar zwei, werde ich hier verbringen und etwas Kraft tanken bevor es dann das letzte Stück bis nach New York City geht.

Zu jedem Frühstück bin ich in einem anderen Haushalt eingeladen. Jeder möchte ein wenig mehr über mich, meine Reise und Beweggründe wissen. Alle sind so herzlich freundlich und das zaubert mir ganz oft ein Lächeln ins Gesicht. Ich fühle mich einfach willkommen.

Pennsylvania

Der Wechsel des Fahrbahnbelags markiert wie so oft die offizielle Grenze. Das Willkommensschild kam dann ein paar Meter weiter.

Und ich weiß… ich sehe etwas verwildert aus. 😄

West Virginia

Gestern bin ich auch schon im nächsten US-Bundesstaat angekommen. Bei Gallipolis ging es nun das dritte und letzte Mal über den Ohio River, diesmal nach Henderson in West Virginia. Gern hätte ich wieder ein Bild des Begrüßungsschildes gemacht aber daran war gestern nicht zu denken. Viel zu viel Verkehr auf der vierspurigen Brücke, viel zu schnelle Fahrzeuge, zu viele große Lastkraftwagen und ein viel zu schmaler Seitenstreifen. Mir ging echt die Muffe auf der Brücke. Mit einem Arm wedelte ich noch mit meiner Warnweste, damit ich auch wirklich jeder irgendwie wahrnehmen konnte. Völlig fertig mit den Nerven aber gesund kam ich auf der anderen Uferseite an.

Keine drei Tage habe ich in Ohio verbracht. Daher kann ich nicht viel berichten. Aber ihr könnt euch sicherlich nur das beste vorstellen. Hier und da bekam ich Wasser gereicht oder eine Abkühlung aus dem Wasserschlauch. Vorletzte Nacht verbrachte ich gegenüber des Hauses eines Polizisten. Der hatte den Grill an und brachte mir später einen köstlichen Cheeseburger und einen Beutel voller Snacks vorbei. Da hatte ich mich riesig gefreut.

Heute hatte ich auch eine der seltenen Gelegenheiten, einem anderen Reisenden etwas Gutes zu tun. Kurz vor Feierabend schob da einer sein BMX-Fahrrad auf der anderen Straßenseite die Steigung hinauf. Ich rief und fragte, ob alles in Ordnung sei und er bejahte. Ob er Wasser brauche? Das Angebot nahm er gern an und kam zu mir rüber. Er wollte nach Ohio. Mit dem alten BMX-Rad konnte er kaum große Strecke machen und auch so war er nicht sonderlich gut ausgerüstet und sah – wie auch ich manchmal – etwas verwildert und ausgebrannt aus. Von einer Pizza, die ich mir heute Nachmittag gegönnt hatte, gab ich ihm noch die drei großen übrig gebliebenen Stücke mit. Ich glaube er war sehr glücklich darüber.

New York City ist keine 900 Kilometer mehr entfernt und ich liege gut im Zeitplan. Zu gut sogar. Ich muss mich dazu zwingen einfach mal einen Gang runter zu schalten und etwas langsamer zu machen. Das nächste vorläufige Ziel heißt Farmington in Pennsylvania. Dort werde ich die Bruderhof-Gemeinde besuchen und altbekannte Gesichter aus Australien werden mich wieder willkommenheißen. An diesem Besuch liegt mir sehr viel, habe ihn fest auf meiner Reise eingeplant und um so mehr freue ich mich auf ein Wiedersehen.

Meine Tage in Kentucky

Ja was soll ich schreiben? Der Norden von Kentucky gefällt mir ganz gut. Zum ersten Mal, seitdem ich die Rocky Mountains verlassen habe, sehe ich wieder große Wälder. Das macht schon einen großen Unterschied. Im Schatten der Bäume kann ich endlich meinen Hut abnehmen. Es ist kühler. Die Wälder sorgen auch dafür, dass hier morgens mit einigem Nebel zu rechnen ist.

Anfangs lief ich noch durch ein schönes Tal doch dann schlängelte sich die Straße auf dem Rücken der zahlreichen Hügel entlang. Immer wieder hatte man einen weiten Blick über das Land. Von den endlosen Mais- und Sojafeldern gibt es keine Spur mehr und ich hoffe das bleibt so. Zu meiner Überraschung wird aber Tabak angebaut.

Und die Leute? Freundlich wie immer. Hin und wieder wird mir ein Wasser aus dem Auto gereicht oder ich werde auf die Veranda für eine kurze Pause und Plausch eingeladen. Aber ich stehe auch unter Beobachtung. Es gibt natürlich auch Leute, die ihre Nachbarn oder die Polizei rufen um abzuchecken, dass ich auch ja keine Gefahr bin. Ich verstehe es auch irgendwie, verliert sich doch sonst kein Weltenbummler mit Karren in diese Gegend.

Ich lasse mich weiterhin treiben und suche die Kirchen für die Nächte auf. Auch hier, wenn ich am Abend noch auf Kirchenmitglieder treffe, werde ich mit einem Lächeln begrüßt. Ich sage schon mal: „Danke Kentucky! Schön war’s.“ Morgen geht es wieder über den Ohio River nach Portsmouth, Ohio.