Das Glück kommen lassen

Erst seit den letzten Tagen fühle ich mich angekommen auf meiner Reise. Eine innere Ruhe kehrt ein. Ich weiß nicht so recht wie ich es beschreiben kann. Ein gutes Beispiel ist wohl, dass ich anfangs immer auf die Leute zugegangen bin bei meiner Schlafplatzsuche. Jetzt suche ich mir lieber einen ruhigen Platz und wenn die Leute dann auf mich zukommen, diese also mich finden, dann lass ich es gern geschehen.

Mich anfangs selbst getrieben, lasse ich mich gerade treiben. Und ich fühle mich sehr glücklich, was nicht zuletzt an den Menschen liegt, denen ich eben Tag für Tag begegne.Die Postfrau und der UPS-Fahrer, die mir Wasser und Snacks reichen. Der Typ, der mitten auf der Straße hält, seine Kühlbox aus dem Kofferraum zieht und mir ein Sandwich macht. Menschen, die mir ihre Tür für eine Dusche öffnen oder mir ein Abendessen zu meinen Camp bringen und dafür beten, dass ich meine Reise sicher überstehen werde. Das Glück soll man ja auch nicht suchen, sondern auf sich zukommen lassen. Ich bin bereit.

Morgen ist dann auch schon mein letzter voller Tag in Indiana, bevor es dann am Tag darauf bei Madison über den Ohio River nach Kentucky geht. Gestern bin ich auch schon den ersten Amish begegnet. So richtig bin ich mit ihnen leider nicht ins Gespräch gekommen. Irgendwie wirkten sie schüchtern oder vielleicht konnten sie nicht wirklich etwas mit mir anfangen. Ich weiß nicht. Mit ihren Kutschen brausen sie aber ganz schön die Straßen entlang.

Hurricane Beryl

Nun hat Hurricane Beryl auch mich eingeholt. Heute Morgen konnte ich in den drei Stunden bis Vandalia IL noch ein Zeitfenster nutzen, in dem es meist trocken blieb und habe mich dann in ein Motel einquartiert. Eine gute Entscheidung. Viel Regen fällt vom Himmel und das wird er noch bis spät die Nacht hinein. Bei der Menge die runterkommt ist das wirklich kein Wanderwetter.

Aber das heute ist pillepalle. Ich erinnere mich noch an Australian, bei Bowen, als ich von einem letzten Ausläufer eines Zyklons getroffen wurde und ich kaum noch hundert Meter schauen konnte. So schwer hatte es vom Himmel herab gegossen. Damals gab die Polizei hinter mir, auf einer langen Brücke, mit ihren Einsatzlichtern sogar Eskorte, da sie befürchteten, dass mich die Autofahrer nicht (rechtzeitig) sehen könnten.

Unabhängigkeitstag 2024

Mit dem Überschreiten des Mississippi ging es nun auch weiter in den nächsten Bundesstaat, Illinois. Ich wurde mit perfektem Wanderwetter und Temperaturen von 25°C willkommen geheißen. Nur die Szenerie hat sich kaum verändert. Mais- und Sojafelder überall wo das Auge hinreicht. So schnell wird das wohl kaum ein Ende nehmen.

Heute ist der 4. Juli und in den USA heißt das Unabhängigkeitstag. Ich habe mich dazu an gestrigen Nachmittag in Greenfield auf dem Campingplatz eingefunden und werde drei Nächte ausspannen. Ich fühle mich einfach so verdammt müde.

Ein Feuerwerk wird es wohl nicht geben. Das hatte die Stadt schon am 29. Juni gezündet – warum auch immer? Für heute Abend sind aber wieder Regen und Gewitter angesagt. Da wäre ein Feuerwerk eh fraglich gewesen.

Ich hänge euch jetzt noch ein paar Bilder der letzten Tage vom Mississippi und Illinois an. Bis bald.

Der Mississippi

Es war schön, in den letzten Tagen noch ein paar Male den Missouri River gesehen zu haben. Ich erinnere mich noch gut an den Ort Three Forks in Montana, an dem der Missouri seinen Ursprung hat. Wie ein guter alter Bekannter zog er nun noch einmal an mir vorbei.

Und heute habe ich den nächsten Meilenstein, den nächsten großen Fluss der USA erreicht. Der Mississippi liegt vor mir und morgen geht es dann auch schon in den nächsten Bundesstaat nach Illinois.

Danke Missouri und deinem Menschen für die tolle Gastfreundschaft, die Liebe die ihr mir entgegengebracht habt, für die Lacher aber auch Tränen. Es war wunderbar.

Meine letzten Tage in Kansas

Wie versprochen, kommen hier noch paar Zeilen zu meinen letzten Tagen im Osten Kansas‘.

Wieder bin ich wundervollen Mensch begegnet, die mir das Reisen leichter gemacht haben. Die Gegend würde ich als Little Germany bezeichnen. Es ist ja kein Geheimnis, dass Amerika auch von vielen Deutschen besiedelt wurde aber nirgends habe ich in den USA so viele deutsche Familiennamen an den Häusern gesehen und auch das ein oder andere gebrochene deutsche Wort kann man vernehmen. -> Heimvorteil also.

Nördlich der Stadt Wamego öffnete mir Brent die Tür, nachdem ich, fertig vom Tag, nach einem Platz für mein Zelt fragte. Ich wurde erst einmal gut mit kühlem Wasser versorgt und später konnte ich eine Dusche nehmen und mir wurde ein Abendessen gemacht. Brent, seiner Frau Marcie und Familie erzählte ich viel über die Welt und meiner Reise. Marcie schreibt zudem für ein Lokalblatt und da sie mit mir eine gute Story gefunden.

Am nächsten späten Nachmittag schaffte ich es, weiterhin mit Krücke unterm Arm, nach Onaga. Ein Auto hielt und die Fahrerin stellte sich als Schwägerin von Marcie vor. Sie betreibt das Motel in der Stadt und bot mir an, kostenfrei dort eine Nacht verbringen zu können. Da war ich schon überwältigt und hatte mich riesig gefreut. Marcie hatte wohl einen Facebook-Post gesetzt und am Morgen darauf wussten schon ein paar Leute aus der Stadt wer ich bin.

Auch die letzten Abende wurden mir noch einmal richtig versüßt, als mich Karla und ihr Mann John bewirteten. Selten wurde ich mit solch einem großen Lächeln willkommen geheißen.

Auch Großmutter Jane, Ehemann Karl und der gesamten Familie Schüle möchte ich für die Gastfreundschaft und Liebe danken.

Ich möchte dazusagen, dass dieser Teil Kansas‘ sehr christlich geprägt ist. Und es ist wundervoll zu erleben, dass die Leute nicht nur das Wort Jesu gehört haben, sondern es auch leben. Ich danke euch allen für die großartigen letzten Tage in Kansas. Gott schütze euch!

Missouri

Ich wollte noch zu meinen letzten Tagen in Kansas schreiben aber das hole ich noch nach. Zu aller erst die gute Nachricht: Meinem Knie geht es wesentlich besser und gestern habe ich dann auch meine Krücke ablegen können. Und ich finde auch langsam in mein Tempo zurück und kann entsprechend vorausplanen. Das ist viel Wert. Ich danke euch allen für eure Genesungswünsche und Gebete. Es hat geholfen.

Missouri gefällt mir soweit richtig gut. Nur dass sich hier Hügel an Hügel reiht, es auf und ab und wieder auf geht ist recht anstrengend. Felder und kleine Wälder wechseln sich ab. Viele kleine Bäche bilden ein großes Netz, die letztendlich den Missouri River speisen. Mit etwas Glück sieht man sogar Schildkröten im Wasser treiben. Es gibt Auen und viele (wohl künstlich angelegte) Teiche in den Siedlungen. Der Sommer ist auch hier angekommen. Es ist heiß und schwül und ich musste mich erst einmal wieder daran gewöhnen meinem Körper diese Unmengen an Wasser zuzuführen. Heute hatte ich dann auch kurz an einem Haus Halt gemacht und gefragt, ob ich mir den Gartenschlauch zur Abkühlung nehmen dürfe und an so manchen späten Nachmittag such ich mir auch gern einen schattigen Platz für ein Nickerchen.

Letzten Abend machte ich wie üblich einem Haus halt und fragte, ob ich mein Zelt auf dem Rasen aufbauen dürfe. Eine ältere Dame namens Kim war von meiner Reise sehr begeistert und öffnete mir die Tür zum Haus und bereitete mir ein kleines Abendessen. Sie sagte, sie freue sich, ein Teil meines weiten Weges zu sein. Und Kim, das bist du jetzt ganz offiziell.

Am Kansas River

Jetzt sitze ich am Kansas River und während das Wasser an mir verbeiströmt, lasse ich die letzten Tage noch einmal durch meinen Kopf gleiten.

Es waren keine einfachen Tage. Noch immer kann ich nicht richtig gehen und brauche eine Krücke. Aber die Menschen in den letzten Tagen waren einfach wieder außergewöhnlich.

Vor Cawker City hielt Brian und wollte mich ein Stück mitnehmen aber sein Auto war zu klein. Er meinte, dass ich doch sehr elendig aussehen würde und er mich bei sich zu Hause füttern werde. ‚I feed you!‘ hatte so auch noch niemand zu mir gesagt. Die letzten zwei, drei Meilen und zu seinem Haus hatte ich dann auch noch geschafft. 30 Kilometer auf Krücken schlaucht einfach aber ich hatte für die Nacht ein Dach über dem Kopf und er hatte mich wie versprochen gut gefüttert.

Für den nächsten Tag vermittelten mich Brian und seine Frau Ashley an ihren Kumpel Ernie in Beloit. Bevor mich endgültig aufgemacht hatte, musste ich aber noch unbedingt(!) ein Foto vom weltgrößten ‚Ball Of Twine‘, dem Ball aus Schnur machen. Ich bin halt im Land der Superlative.

Noch am Vormittag stieg an einer Tankstelle Dan aus dem Auto und war recht interessiert an dem was ich mache und wo mein Tag enden würde. Wie der Typ heiße, wo ich unterkomme? Und als ich Ernie Schulz sagte fing er an zu lachen und meinte, dass dies sein Bruder sei. Dann war er also der Typ, der das Motel manage was er bejahte. Einfach nur ein herrlicher Zufall und wir luden meinen Karren auf und er setzte mich direkt bei Ernie vor der Haustür ab.

Ernie war ein super lieber Typ und merkte immer wieder an, dass ich eine absolute Inspiration sei. Von sich sagte er, dass er einfach nur froh sei noch am Leben zu sein. Was Drogen angeht war er für lange Zeit auf die schiefe Bahn geraten aber habe seit Jahren sein Leben unter Kontrolle. Für mich war er mit seinen Bildern und Skulpturen nicht weniger Inspiration.

Und dann kam die Nachricht, wenn ich noch einen Tag bleiben wolle, dann könne mich Brian’s Bruder Jay mit nach Missouri nehmen. So weit wollte ich dann auch nicht aber bis Clay Center war mir das mehr als Recht. So hatte ich einen Ruhetag und den Abend verbrachten wir dann auch bei Jay und seiner Frau Becky. Ich spielte das erste Mal in meinem Leben Shuffle Board und abends ging es dann in den beheizten Whirlpool mit Blick in den Sternenhimmel. Im Hintergrund lief Musik und es ist immer wieder toll einen Moment mit einem Song verknüpfen zu können.

Am nächsten Vormittag hatte ich dann meine Mitfahrgelegenheit nach Clay Center, versorgte mich mit dem nötigsten und wanderte 11 km aus der Stadt als Amy mit ihrem Wagen hielt und fragte ob ich mit ihr fahren wolle. Ich antwortete, dass ich eher auf der Suche nach einem Schlafplatz sei. Einfach ein Stück Rasen für mein Zelt würde mir reichen. Sie überlegte kurz und nahm mich dann noch die drei Kilometer mit zu ihrem Haus. Ihr Ehemann Gary mähte noch schnell den Rasen bevor ich mein Zelt aufstellte. Beide hießen mich dann auch herzlich in ihren vier Wänden zum Abendessen willkommen. Auch die Dusche und Waschmaschine standen bereit für mich und mir wurde sogleich auch ein weiterer Ruhetag angeboten, was ich bei dem bequemen Sofa und Klimaanlage gern annahm.

Nachdem mich Gary heute nach Manhattan, KS fuhr, wir frühstückten und noch ein paar Besorgungen machten und er mich dann etwas außerhalb absetzte, da musste ich schon ganz schön schluchzen. Ich habe kaum das Wort Danke rausgesucht. So scheiße gerade der Trip im eigentlichen Sinne auch läuft, so sehr habe ich auch viel Unterstützung und selbstlose Hilfe erfahren, was mir wirklich sehr, sehr viel bedeutet.

Brian und Ashley, Ernie und Dan, Jay und Becky, Amy und Gary… Vielen lieben Dank an euch und eure Familien. Ihr seid wundervolle Menschen!

Und zum Schluss noch einen herzlichen Dank an Ian, der mich das kurze Stück zum Kansas River gefahren hat und mir dann auch noch einen sehr üppigen Lunchbeutel überreichte. Einfach nur genial!

Unwetter

Gerade eben hat mir einer der Polizisten, der mich heute in Osborne in Empfang genommen hatte, noch Wasser gebracht. Super liebe Geste.

Er sei etwas besorgt, weil ein schweres Gewitter aufzieht und auch Warnungen unter anderem für dieses County bestehen.

Soweit hat mein Zelt schon viel ausgehalten. Das kann ich aus meiner ersten Etappe in den USA wie auch aus den letzten Wochen bestätigen. Das Wetter nimmt hier wirklich heftigere Ausmaße an und Kansas ist auch gut bekannt dafür.

Hoffen wir einfach, dass es weniger heftig wird als angenommen. Ich bereite mich aber auch entsprechend für solche Szenarien vor. Als aller erstes werden noch einmal die Zeltnägel möglichst tiefer in den Boden getreten und die Leinen nachgespannt.

Und dann bereite ich auch alles für eine „Evakuierung“ vor. Also alles, was nicht zwingend im Zelt sein muss, wird im Wagen verstaut. Es bleiben nur meine Matte, Schlafsack (noch eingepackt), Schuhe, Wasser und mein Rucksack im Zelt. An der Rucksackseite bleibt meine Stirnlampe griffbereit. Der Regencover für den Rucksack ist schon teils übergeworfen. Es ist quasi alles griffbereit. Ich will nicht anfangen zu packen, wenn es höchste Eisenbahn ist.

Das hatte mir auch schon einmal eine Nacht in Australien gerettet, als plötzlich mein Zelt geflutet wurde und ich mich schnell ins Haus nebenan flüchten konnte. Hier in Osborne habe ich zumindest einen kleinen massiven Pavilion, unter den ich Schutz finden kann.

Na dann gute Nacht!

Der Mittelpunkt der USA

Per Anhalter voran zu kommen ist doch schwieriger als gedacht. Oder ich habe einfach nur etwas Pech. Von Hill City hatte ich noch eine gute Mitfahrgelegenheit zu Webster State Park, wo ich den Tag über entspannen konnte und die Nacht ebenfalls herrlich ruhig war.

Das nächste Tagesziel war Woodston, 31 Kilometer entfernt. Mit der Hoffnung, schnell wieder ein Auto zu finden, stand ich erst um 10 Uhr an der Straße. Und diesmal wollte einfach niemand anhalten. Irgendwie war ich angefressen und enttäuscht – von der Autofahrern aber ganz besonders von mir. Das versprach einfach ein harter Tag zu werden mit der Krücke unterm Arm. Damit komme ich nie auf meine normale Gehgeschwindigk. So nach acht Uhr abends kam ich dann erschöpft an, musste tief in mich hinein fluchen und erstmal einen klaren Gedanken finden. Durch die Krücke tut halt zusätzlich noch die Schulter und das Handgelenk weh.

Und heute wurde es auch nicht besser aber bei einer Pause im kleinen Ort Alton hielt dann der Hilfssheriff und meinte, er hätte einen Anruf erhalten, dass ich wohl einen „Ritt“ gebrauchen könne. Das kam mir sehr gelegen. Nach einer halben Stunde hatte er einen geeigneten Pick Up Truck besorgt und es konnte losgehen. Er erklärte mir auch, dass ich hier auf dem Land in solch einem Fall immer das zuständige Büro des Sheriffs kontaktieren könne und wohl auch solle (nicht 911 wählen).

So hat er mich in Osborne, dem Mittelpunkt, dem Nabel der USA abgesetzt. Na so ganz stimmt das nicht. Erstmal lässt man Alaska und Hawaii außen vor. Der geographische Mittelpunkt liegt etwas weiter nördlich in der Stadt Lebanon. Hier in Osborne befindet sich aber der geodätische Mittelpunkt. Heißt: Wenn man nicht nur die flache Karte zur Berechnung herannimmt sondern auch ein Netz aus Dreiecken darüberlegt und man so noch Unebenheiten (Erhebungen) mit in die Berechnungen einfließen lässt, dann bin ich hier genau in der Mitte. Es geht bestimmt noch komplizierter aber belassen wir es dabei.

Einfach nur: YEAHHH! Ich bin in der Mitte der USA. 😅