Elaine

Ein kleiner Beitrag, den ich einer wunderbaren Frau widmen möchte. Ich machte Rast am Hope Slide Lookout und gönnte mir einen kleinen Snack. Eine Dame kam zu mir rüber, völlig interessiert, was das für ein Gefährt ist, was da so steht. Und wie immer fasste ich meine bisherige Reise in paar Sätzen zusammen.

Sie war super neugierig aber nach meinem Empfinden auch etwas zurückhaltend. Irgendwann sagte sie aber, wenn ich durch Penticton laufe, dass ich auch bei ihr übernachten könne. Das Angebot nahm ich sehr gern an. Wir tauschten unsere Kontaktdaten und ich versprach, mich etwa zwei Tage vor Ankunft noch einmal zu melden. So hatte ich sie dann wieder am Telefon und so richtig überzeugt von ihrer eigenen Einladung war sie nicht. Ob ich denn wirklich ein seriöser Kerl sei? So musste ich ihr erklären, dass ich nicht 24.000 Kilometer durch die Welt Laufe um Leute zu bestehlen oder irgendwelche krummen Dinger zu drehen. Soweit habe sich auch noch kein Gastgeber über mich beschwert und verhaftet wurde ich auch noch nicht. So hielt sie an ihrer Entscheidung, mich zu beherbergen fest.

Am 27. Mai traf ich bei Ihr ein. Elaine bezieht ein kleines aber sehr hübsches Zweizimmerapartment und sie erklärte mir, dass sie für gewöhnlich nie Schlafgäste habe. Und dann noch ein wildfremder Mann. Es war wohl völlig ungewohnt für sie und sie war wohl auch von sich selber völlig überrascht. Später fragte ich sie einmal, warum sie mich denn bei aller Vorsicht und Zurückhaltung eingeladen habe? Sie meinte, es sei einfach mein Blick, mein ruhiger Ausdruck und meine Stimme an dem Tag gewesen, an dem wir uns trafen. Etwas, dass ihr sagte, dass der Typ in Ordnung sei.

Ich blieb zwei Nächte bei ihr. Wir nutzten die Zeit um über Gott und die Welt zu reden. Alles was uns bewegt und im Leben beschäftigt. Von Familie und Freunden, über die Liebe und Religion bis zur Kunst. Und natürlich war sie neugierig, was ein Weltenbummler alles so im Gepäck hat. So hatte ich meinen Karren einmal völlig leergeräumt und ihr gezeigt, was ich so alles hinter mir herziehe. Jedes einzelne Teil! Und Bilder wollte sie natürlich sehen und die vielen Geschichten dahinter hören. Diesen Gefallen tat ich ihr gern.

Es tat so gut, einen Tag pausieren und diesen in ihrer Gesellschaft verbringen zu können.

Elaine… Thanks for everything!

Ein guter Start

Die erste Woche auf Kanadas Straßen ist geschafft und ich bin voll fertig. Der Frühling lässt sich dieses Jahr viel Zeit und somit ist das Wetter sehr durchwachsen und vor allem kalt. Mein erster Tag startete und endete mit viel Regen. Aber mit dem Wetter will ich euch nicht langweilen. Wichtiger ist doch das, was mir auf dem Weg so widerfahren ist.
Als ich am zweiten Abend auf Schlafplatzsuche war und den kleinen Ort Dewdney erreichte, winkte ich einer Frau zu und fragte, ob ich mein Zelt im Garten aufstellen dürfe. Ihr Ehemann kam hinzu und ich erzählte ihnen von meinem Vorhaben. Shirley und Del Sichtlich ließen mich sichtlich begeistert gewähren und eine Dusche wurde mir auch angeboten. Nachdem ich aus dem Bad kam wurde mir vorgeschlagen, mein Zelt doch wieder zusammen zu packen. Mir werde ein Bett im Erdgeschoss fertig gemacht. Oh jaaa… Das war gleich wieder so überwältigend und ich war tausend Mal dankbar.
Zusammen aßen wir zu Abend und so wie sie an meinen Geschichten interessiert waren, war ich es ebenfalls an Ihrer und des Landes. Kanada ist noch ein sehr junges Land und die beiden gehören erst der zweiten Generation an. Del erzählte mir die Geschichten seiner Mutter und des Vaters, wie sie als kleine Kinder 1905 bzw. 1017 nach Kanada kamen und wie widrig die Umstände waren. Von der Ostküste gab es wohl eine Bahnverbindung bis nach Winnipeg. Von dort aus konnte das Land gen Westen dann nur noch mit dem Pferde- oder Ochsenkarren erschlossen werden. Es müssen Torturen gewesen sein und ich fragte mich, was die Leute dazu bewogen hat, Europa zu verlassen und eine Reise in solch Unbekanntes zu wagen. Del antwortete „Einfach nur Armut und das Versprechen, für wenig Geld viel Land kaufen zu können.“ Das mit dem vielen Land leuchtet schon ein aber das auch erst einmal urbar zu machen… Ich stell mir das damalige Leben und die Umwelt wahnsinnig hart vor. Zu gern hätte ich noch den Geschichten seiner Eltern gelauscht.
Nach einem guten Frühstück war es wieder Zeit aufzubrechen. Die Berge mit ihren schneebedeckten Gipfeln waren im Hintergrund gut zu sehen. Über Hope führte mich mein Weg nach Princeton, wo ich heute eingetroffen bin. Meine Füße sind in erstaunlich guter Verfassung. Nicht blasenfrei aber ich hätte es mir schlimmer vorgestellt. Was ich auf jeden Fall merke ist, dass ich nicht mehr so wirklich fit bin und mir Steigungen noch recht zusetzen. Aber in ein paar Wochen sieht das bestimmt schon wieder ganz anders aus.
Zwischen Hope und Princeton liegt nicht viel auf dem Weg und es war ratsam, mich für ein paar Tage mit Proviant zu versorgen. Es war der sechste Tag angebrochen und ich war noch nicht einmal 10 Minuten unterwegs, als plötzlich ein Auto neben mir voll auf die Bremsen ging und die Fahrerin rief, ich solle vorsichtig sein. Hinter der nächsten Kurve sei ein Bär. Sogleich war mein Abwehrspray vorgeholt und da hielt auch schon das nächste Wagen und ich wurde wieder gewarnt. Ich wechselte die Straßenseite und glücklicherweise war da auch noch eine Haltebucht. So konnte ich möglichst großen Abstand halten. Der Bär und ich uns immer im Blick behaltend habe ich auf ihn eingeredet. Er solle doch bitte auf seiner Seite bleiben und ich gehe einfach meinen Weg weiter. Einerseits hatte ich mich sehr gefreut einen Bären zu sehen, andererseits ging mir auch ganz schön die Muffe, war es doch die erste Begegnung dieser Art. Dann hielt noch einmal ein Wagen und eine Frau erklärte mir, dass man einen glücklichen Tag haben werde, wenn man einen Bären sieht. Na dann. Ich lass mich überraschen.
Kurz vor dem Bergpass sah ich Autos halten und wie Leute ausstiegen. Aha, wieder ein Bär also. Das muss ein wirklich guter Tag werden. Was das mit dem Glück anging, so war ich auf dem Pass dann doch recht skeptisch, kam doch ein kleiner Schauer Eisregen auf mich nieder. Überall lag noch Schnee und ich in meinen kurzen Hosen… Aber der Tag war noch nicht vorbei und ich erreichte gegen 15 Uhr Manning Park, ein beliebtes Ausflugsziel für die Menschen aus der Umgebung. Nach dem ganzen Dosenfutter die Tage zuvor war es Zeit für eine gute Mahlzeit. Im Restaurant sprachen mich natürlich die Leute an, da sie mich die Tage entlang des Highways haben gehen sehen und ich erzählte ihnen von meiner Reise. Wieder waren alle sichtlich begeistert. Nach ein paar Minuten kam einer namens Micha zurück und fragte, ob ich schon bestellt habe? Ich antwortete „Ja.“ und so sagte er gleich darauf, dass er dich Rechnung für mich übernehmen werde. WOW… Ich war sichtlich gerührt und hatte feuchte Augen. Solche Gesten sind immer so überwältigend. Die Freude war einfach nur riesig. Das mit dem glücklichen Tag, wenn man einen Bären sieht scheint wohl wahr zu sein. Und da ich zwei Bären gesehen hatte, wurde mir der Tag noch mit einem Regenbogen in den Bäumen und einem schönen Campingplatz vollendet.
Auf dem Campingplatz traf ich auf Agnieszka. Wir waren uns schon den Tag zuvor auf der Straße begegnet. Wir teilten und einen Platz denn es war genug Platz für zwei Zelte. Sie ist mit dem Rad von der West- zur Ostküste unterwegs. Ihr könnt ihr auf www.whelsonabike.com folgen, ebenso auf Instagram WheelsonaBike. Ebenso könnt ihr auch den Vieren Barry und Michelle sowie Pam und Jeff unter n2l_xcanada auf Instagram folgen. Auch diese haben die Abenteuerreise von Küste zu Küste auf sich genommen. Großer Respekt euch allen!!!

Vancouver

Es geht weiter! Über zehn Stunden Flugzeit und neun Stunden Zeitverschiebung waren diesmal doch recht ermüdend. Gegen 21 Uhr hatte ich im Hostel eingecheckt, mir im Laden um die Ecken noch etwas Wasser und Abendessen besorgt und nach einer heißen Dusche dann voll fertig ins Bett gefallen. Und plötzlich war ich drei Uhr morgens hellwach. Phhhhhhh… 😑

Da der darauffolgende Tag wettertechnisch aber recht vielversprechend aussah, wollte ich diesen gleich nutzen. Und was hätte es für eine bessere Idee geben können, als nach Orcas zu schauen. Eine Bootstour war schnell gebucht und noch vor Mittag ging es eingehüllt in einem Trockenanzug aufs Wasser hinaus.

Die verschiedenen Tourbetreiber schären aus und sobald ein Boot eine Gruppe von Orca-Walen entdeckt, wir die Position weitergegeben. So ist sichergestellt, dass jeder auf seine Kosten kommt und diese wundervollen Tiere bestaunen kann. Es dauerte gar nicht mal so lange, als der Funkspruch kam.

Alle an Bord waren glücklich diese Wahlfamilie (eigentlich eine Delfinart) mit eigenen Augen sehen zu können. Das Männchen hatte ein riesiges Schwert (Rückenflosse) und auch das Kalb war für ein paar Momente zu sehen gewesen. Wir folgten der Walfamilie für eine gute Stunde und ein paar Kilometer durch den Sund bevor wir abdrehen mussten. Es war einfach nur klasse.

Ansonsten muss ich feststellen, dass das mit dem Wetter hier wie eine Lotterie ist – ganz unabhängig von der Vorhersage. Das macht die Tagesplanung nicht so einfach und man muss sich einfach auf alles einstellen. So ging es tags drauf mit zwei Mitbewohnern aus dem Hostel bei ordentlich Regen quer durch die Stadt. Wir alles brauchten eine SIM-Karte, die andere erst einmal regenfeste Kleidung überhaupt und ich noch ein Abwehrspray gegen Bären. Das war eine nette Shoppingtour durch so manche Outdoorläden und Geschäfte und trotz des ätzenden Wetters hatten wir jede Menge Spaß.

Das Hostel bietet zum Wochenende ein paar Touren an. Gestern war das Ausflugsziel der Lynn Canyon nördlich der Stadt. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was die Natur und Landschaft so zu bieten. Schluchten mit reißenden Wassern gepackt in ein tiefes, nasses Grün. Der nördliche Ostpazifik halt. Wieder so ganz anders als alles, was ich so zuvor gesehen habe.

Gern hätte ich mir noch etwas mehr von der Küste einnehmen lassen aber es zieht mich weiter. Heute ist noch einmal Ruhetag. Ein paar Kleinigkeiten sind noch vorzubereiten bevor ich dann morgen nach zwei Jahren wieder meine ersten offiziellen Schritte mache. Ich denke, ich werde die Metro zum Stadtrand nehmen und dann mal gucken. Wer weiß was kommt, was mich erwarten wird.

Wünscht mir Glück. 🙏🙂