Mit Tag 4 stand mir wieder ein langer Marsch bevor. Zuerst musste ich wieder vom Mallard Lake aus den Berg runter. Der Abstieg kam mir viel länger vor als der Aufstieg am Abend zuvor. Bei Old Faithful noch schnell gefrühstückt und dann weiter. Ziel für den Tag: Grand Village Campground am Yellowstone See. Die Strecke selbst war diesmal recht unspektakulär. Viel Wald und die Straße führte auf und ab. Es gab nicht wirklich einen guten Aussichtspunkt. Markant waren diesmal mehr die Hinweisschilder zur Continental Divide (Continentale Teilung). Diese beschreibt die Wasserscheide in Form einer Linie wobei westlich dieser alle Bäche und Flüsse in den Pazifik und östlich dieser in den Golf von Mexiko münden.
Es war ein recht heißer Tag und an einem kleinen See bot mir ein Niederländer mit seiner Familie an, meine Wasservorräte aufzufüllen. Spaßeshalber fragte ich, ob er auch kaltes Bier im Angebot hätte. Er lachte und ging zum Kofferraum und brachte mir zwei kühle Bier. Der Tag war gerettet.
Den Abend verbrachte ich mit einigen Wanderern und Radfahrern, die weitestgehend dieser Linie, dem Great Continental Divide Trail folgen. Die meisten starten an der Grenze zu Mexiko und laufen Richtung Norden nach Kanada. Als man mich fragte, ob ich north- oder southbound bin, also nach Norden oder Süden gehe, und mit worldbound antwortete, schaute ich in fragende Gesichter.
Lagerfeuer, Bier und gute Geschichten der anderen Wanderer. So klingt ein langer Tag gut aus.
Mannn… Tag 5 wäre fast in die Hose gegangen. Es sollte ein kurzer Tag werden. Nur 16 Kilometer zum Lewis Lake Campingplatz – so der Plan. Dort angekommen, waren zwei Ranger vor Ort, die die Bote inspizieren bevor sie zu Wasser gelassen werden. Ich fragte, wo denn das Büro zum Campingplatz sei? Antwort: „Der Campingplatz sei nach den schweren Regefällen in Juni aus logistischen Gründen geschlossen.“ Der nächste wäre erst in 22 Kilometern gewesen und ich hatte echt keinen Bock an diesem Tag.
Der Ranger aber meinte, für Wanderer würde eine Ausnahme gemacht. Er kontaktiere mal seinen Vorgesetzten. Nachdem der zweite Kontaktaufnahmeversuch gescheitert war, sagte er, dass er keinen Grund sehe, warum ich nicht bleiben könne. Ich konnte mir einen Platz aussuchen und später kam der Ranger noch einmal mit einem gelben Schnipsel Papier in der Hand zu mir. Das war meine offizielle Genehmigung und gekostet hat es auch nichts.
Nun hatte ich den ganzen Campingplatz für mich allein! Ich war so happy, dass ich erst einmal zehn Minuten nackt da rumgelaufen bin. Den See hatte ich auch gefühlt für mich allein zum Schwimmen. Für zwei Kilometer zu meiner Rechten und Linken hab ich einfach niemanden gesehen. Besser hätte der Tag kaum laufen können.
So ganz allein war ich aber doch nicht. Da waren noch Jeff und Sherry aus Minnesota. Die beiden wollten ihrer Tochter, die südlich in Jackson arbeitet, etwas näher sein und so bewachen und pflegen sie den Platz bis zum Saisonende als Freiwillige. Beide luden mich rüber zu ihrem Wohnmobil zum Abendessen und Lagerfeuer ein. Einfach nur ein super Tag.
Tag 6 und Zeit dem Yellowstone Nationalpark auf Wiedersehen zu sagen. Ich lief weiter in Richtung Süden als plötzlich ein Auto neben mir scharf auf die Bremse ging und hupte. Es war der alte Koreaner vom zweiten Tag. Er fand eine Haltebucht und stieg zusammen mit seiner Frau aus. Sie sprach gutes Englisch und erklärte mir, dass er die letzten Tage auf der Straße immer nach mir Ausschau gehalten habe. Wieder lachte er herzhaft, da er nur die Hälfte verstand und wir drückten uns noch einmal fest zum Abschied.
Am Abend erreichte ich dem Lizzard Creek Campingplatz. Vor mir waren echt vier Motoradfahrer, die eine Biker und Hiker Site haben wollten. Die Chefin Marni erklärte denen, dass der Campingplatz voll sei und dazu eindringlich, dass Biker für Fahrradfahrer und nicht für Motoradfahrer stehe. Viel Diskussion bei der man nur mit dem Kopf schütteln konnte. Am Ende sind sie abgezogen und ich war an der Reihe. Auch zu mir meinte sie, dass der Platz voll belegt sei. Sie könne mich aber unmöglich woanders hinschicken und zeigte auf einen grünen, nicht offiziell deklarierten Flecken wo ich mein Zelt aufschlagen könne. Und weil es nicht offiziell ist und ich Weltenbummler sei, kostet das Ganze auch nichts. Marni und ihre Partnerin Mandy waren einfach nur cool. Jeder, mit dem ich auf dem Platz gesprochen hatte, konnte nur gute Worte über beide finden.
Dann fuhr ein Auto vor und Marni fragte mich, ob die zu mir gehören? Es waren noch einmal die Koreaner. Ich hatte ihnen gesagt, wo ich die Nacht verbringen werde und jetzt hatten Sie Abendessen für mich dabei. Authentisches koreanisches Essen, selbst gekocht in ihrer Unterkunft. Wahnsinn. Reis, Tintenfisch, Anchovis, Sesamblätter… Alles in würzig scharfer Soße. Das war so gut. Ohhh mannnn, ich bin so ein Glückspilz.
Als ich am nächsten Morgen (Tag 7)aus meinem Zelt kroch, es regnete und Marni da so stehen sah, da fragte ich, ob ich nicht noch eine weitere Nacht bleiben könne. Und Marni meinte, einfach weil sie cool ist, dass das kein Problem sei. Also wieder zurück ins Zelt gekrochen und erst einmal bis 1 Uhr mittags durchgeschlafen. Das hatte mir echt gefehlt. Auch so war das ein echter Gammeltag. Ich fragte die beiden, ob ich irgendwas mit zur Hand gehen könne aber sie winkten nur ab. Alles unter Kontrolle.
Abends wurde ich dann wieder von einer Familie rüber zum Essen eingeladen. Gutes vom Grill und jede Menge Margaritas. Man, war ich fertig. Hab es dann in der Nacht irgendwie in mein Zelt geschafft und in der Früh auch wieder heraus. Für den neuen Tag hieß es dann Alkohol abbauen durch einen langen Spaziergang.
Tag 8 und damit fast am Ende. Die Bergkette des Grand Teton schien durch einen Dunstschleier hervor. Details und das ganze Ausmaß dieser schroffen Berge konnte man nur erahnen. Nach 27 Kilometern sollte eigentlich am Signal Mountain Campground Schluss sein für den Tag. Dort sagte man mir, dass sie keine Hiker Sites mehr anbieten und ausgebucht seien. Etwas enttäuschend war hier, dass sie sich nicht einmal, wie anders wo auch, die Mühe gemacht hatten irgendwas zu arrangieren. In dem Büro saßen aber auch zwei Teenager die etwas planlos schienen. Ich hatte erst gar nicht nach dem Manager gefragt und weitere 17 Kilometer zum Jenny Lake auf mich genommen.
Und wie es der Zufall so will. Ein Auto hält hinter mir und es war der Niederländer mit seiner Familie vom vierten Tag. „Heute habe ich leider nur ein Bier für dich“ und er reichte es mir entgegen. Die Freude konnte kaum größer sein. Weniger wegen des Bieres, sondern einfach nur der ganz besonderen Leute wegen, die man auf solch einer Reise trifft. Das macht es einfach so besonders.
Diesen Abend verbrachte ich wieder mit ein paar Wanderern und Radfahren zusammen beim Lagerfeuer am Jenny Lake. Wieder tauschten wir uns Geschichten und Abenteuer aus. Diese Nacht verbrachte ich ohne Zelt unter freiem Himmel. Der Mond verschwand langsam hinter den Bergen. Der Blick war frei für die Sterne. Als ich am Morgen müde meine Augen öffnete, da trappte wieder so ein riesiger Fuchs an mit vorbei.
Langsam war es auch Zeit, dem Grand Teton Nationalpark Tschüss zu sagen. Weiter wanderte ich gen Süden auf einem Radweg parallel zur Hautstraße als plötzlich Autos hielten. Antilopen rangelten sich am Straßenrand. Wunderschöne Tiere und in dieser Ecke nicht ganz so menschenscheu. Das soll das letzte Highlight dieser beiden Parks gewesen sein. Es waren wirklich spannende und überwältigende Tage hier und alles was ich sagen kann ist DANKE!