West Virginia

Gestern bin ich auch schon im nächsten US-Bundesstaat angekommen. Bei Gallipolis ging es nun das dritte und letzte Mal über den Ohio River, diesmal nach Henderson in West Virginia. Gern hätte ich wieder ein Bild des Begrüßungsschildes gemacht aber daran war gestern nicht zu denken. Viel zu viel Verkehr auf der vierspurigen Brücke, viel zu schnelle Fahrzeuge, zu viele große Lastkraftwagen und ein viel zu schmaler Seitenstreifen. Mir ging echt die Muffe auf der Brücke. Mit einem Arm wedelte ich noch mit meiner Warnweste, damit ich auch wirklich jeder irgendwie wahrnehmen konnte. Völlig fertig mit den Nerven aber gesund kam ich auf der anderen Uferseite an.

Keine drei Tage habe ich in Ohio verbracht. Daher kann ich nicht viel berichten. Aber ihr könnt euch sicherlich nur das beste vorstellen. Hier und da bekam ich Wasser gereicht oder eine Abkühlung aus dem Wasserschlauch. Vorletzte Nacht verbrachte ich gegenüber des Hauses eines Polizisten. Der hatte den Grill an und brachte mir später einen köstlichen Cheeseburger und einen Beutel voller Snacks vorbei. Da hatte ich mich riesig gefreut.

Heute hatte ich auch eine der seltenen Gelegenheiten, einem anderen Reisenden etwas Gutes zu tun. Kurz vor Feierabend schob da einer sein BMX-Fahrrad auf der anderen Straßenseite die Steigung hinauf. Ich rief und fragte, ob alles in Ordnung sei und er bejahte. Ob er Wasser brauche? Das Angebot nahm er gern an und kam zu mir rüber. Er wollte nach Ohio. Mit dem alten BMX-Rad konnte er kaum große Strecke machen und auch so war er nicht sonderlich gut ausgerüstet und sah – wie auch ich manchmal – etwas verwildert und ausgebrannt aus. Von einer Pizza, die ich mir heute Nachmittag gegönnt hatte, gab ich ihm noch die drei großen übrig gebliebenen Stücke mit. Ich glaube er war sehr glücklich darüber.

New York City ist keine 900 Kilometer mehr entfernt und ich liege gut im Zeitplan. Zu gut sogar. Ich muss mich dazu zwingen einfach mal einen Gang runter zu schalten und etwas langsamer zu machen. Das nächste vorläufige Ziel heißt Farmington in Pennsylvania. Dort werde ich die Bruderhof-Gemeinde besuchen und altbekannte Gesichter aus Australien werden mich wieder willkommenheißen. An diesem Besuch liegt mir sehr viel, habe ihn fest auf meiner Reise eingeplant und um so mehr freue ich mich auf ein Wiedersehen.

Meine Tage in Kentucky

Ja was soll ich schreiben? Der Norden von Kentucky gefällt mir ganz gut. Zum ersten Mal, seitdem ich die Rocky Mountains verlassen habe, sehe ich wieder große Wälder. Das macht schon einen großen Unterschied. Im Schatten der Bäume kann ich endlich meinen Hut abnehmen. Es ist kühler. Die Wälder sorgen auch dafür, dass hier morgens mit einigem Nebel zu rechnen ist.

Anfangs lief ich noch durch ein schönes Tal doch dann schlängelte sich die Straße auf dem Rücken der zahlreichen Hügel entlang. Immer wieder hatte man einen weiten Blick über das Land. Von den endlosen Mais- und Sojafeldern gibt es keine Spur mehr und ich hoffe das bleibt so. Zu meiner Überraschung wird aber Tabak angebaut.

Und die Leute? Freundlich wie immer. Hin und wieder wird mir ein Wasser aus dem Auto gereicht oder ich werde auf die Veranda für eine kurze Pause und Plausch eingeladen. Aber ich stehe auch unter Beobachtung. Es gibt natürlich auch Leute, die ihre Nachbarn oder die Polizei rufen um abzuchecken, dass ich auch ja keine Gefahr bin. Ich verstehe es auch irgendwie, verliert sich doch sonst kein Weltenbummler mit Karren in diese Gegend.

Ich lasse mich weiterhin treiben und suche die Kirchen für die Nächte auf. Auch hier, wenn ich am Abend noch auf Kirchenmitglieder treffe, werde ich mit einem Lächeln begrüßt. Ich sage schon mal: „Danke Kentucky! Schön war’s.“ Morgen geht es wieder über den Ohio River nach Portsmouth, Ohio.

Das Glück kommen lassen

Erst seit den letzten Tagen fühle ich mich angekommen auf meiner Reise. Eine innere Ruhe kehrt ein. Ich weiß nicht so recht wie ich es beschreiben kann. Ein gutes Beispiel ist wohl, dass ich anfangs immer auf die Leute zugegangen bin bei meiner Schlafplatzsuche. Jetzt suche ich mir lieber einen ruhigen Platz und wenn die Leute dann auf mich zukommen, diese also mich finden, dann lass ich es gern geschehen.

Mich anfangs selbst getrieben, lasse ich mich gerade treiben. Und ich fühle mich sehr glücklich, was nicht zuletzt an den Menschen liegt, denen ich eben Tag für Tag begegne.Die Postfrau und der UPS-Fahrer, die mir Wasser und Snacks reichen. Der Typ, der mitten auf der Straße hält, seine Kühlbox aus dem Kofferraum zieht und mir ein Sandwich macht. Menschen, die mir ihre Tür für eine Dusche öffnen oder mir ein Abendessen zu meinen Camp bringen und dafür beten, dass ich meine Reise sicher überstehen werde. Das Glück soll man ja auch nicht suchen, sondern auf sich zukommen lassen. Ich bin bereit.

Morgen ist dann auch schon mein letzter voller Tag in Indiana, bevor es dann am Tag darauf bei Madison über den Ohio River nach Kentucky geht. Gestern bin ich auch schon den ersten Amish begegnet. So richtig bin ich mit ihnen leider nicht ins Gespräch gekommen. Irgendwie wirkten sie schüchtern oder vielleicht konnten sie nicht wirklich etwas mit mir anfangen. Ich weiß nicht. Mit ihren Kutschen brausen sie aber ganz schön die Straßen entlang.

Hurricane Beryl

Nun hat Hurricane Beryl auch mich eingeholt. Heute Morgen konnte ich in den drei Stunden bis Vandalia IL noch ein Zeitfenster nutzen, in dem es meist trocken blieb und habe mich dann in ein Motel einquartiert. Eine gute Entscheidung. Viel Regen fällt vom Himmel und das wird er noch bis spät die Nacht hinein. Bei der Menge die runterkommt ist das wirklich kein Wanderwetter.

Aber das heute ist pillepalle. Ich erinnere mich noch an Australian, bei Bowen, als ich von einem letzten Ausläufer eines Zyklons getroffen wurde und ich kaum noch hundert Meter schauen konnte. So schwer hatte es vom Himmel herab gegossen. Damals gab die Polizei hinter mir, auf einer langen Brücke, mit ihren Einsatzlichtern sogar Eskorte, da sie befürchteten, dass mich die Autofahrer nicht (rechtzeitig) sehen könnten.

Unabhängigkeitstag 2024

Mit dem Überschreiten des Mississippi ging es nun auch weiter in den nächsten Bundesstaat, Illinois. Ich wurde mit perfektem Wanderwetter und Temperaturen von 25°C willkommen geheißen. Nur die Szenerie hat sich kaum verändert. Mais- und Sojafelder überall wo das Auge hinreicht. So schnell wird das wohl kaum ein Ende nehmen.

Heute ist der 4. Juli und in den USA heißt das Unabhängigkeitstag. Ich habe mich dazu an gestrigen Nachmittag in Greenfield auf dem Campingplatz eingefunden und werde drei Nächte ausspannen. Ich fühle mich einfach so verdammt müde.

Ein Feuerwerk wird es wohl nicht geben. Das hatte die Stadt schon am 29. Juni gezündet – warum auch immer? Für heute Abend sind aber wieder Regen und Gewitter angesagt. Da wäre ein Feuerwerk eh fraglich gewesen.

Ich hänge euch jetzt noch ein paar Bilder der letzten Tage vom Mississippi und Illinois an. Bis bald.