Appalachen und Pastoren

Auch über die Appalachen habe ich nun meinen Weg gefunden. Farmington liegt am westlichen Rand des Gebirges und ich muss sagen, dass es die ersten zwei Tag nach meiner Abreise schon in sich hatten. Besonders langes und steiles Gefälle geht auf die Knie und selten hatte ich so sehr meine Oberschenkel gefühlt wie in jenen Tagen.

Zudem war es auch ordentlich frisch. Für die erste Nacht musste ich mir sogar die lange Unterwäsche und Mütze nehmen. Davon kann heute bei Temperaturen von 37°C (99°F) keine Rede sein. Der Schlafsack wird wohl gepackt bleiben.

Natürlich gab es auch wieder interessante Begegnungen mit Menschen. An der Stelle fange ich mit einem Negativbeispiel aus letzter Nacht an. Ich sage ja den Leuten immer, dass 99,99 Prozent der Leute echt klasse sind aber ab und zu trifft man eben auch auf einen Idioten der alles versaut.

Ich hatte mir die Tri State Baptist Church als Lager für die Nacht ausgesucht. Dort angekommen traf ich auf Russell, einem Obdachlosen, der unter dem Vordach schlafen wollte. Russell war voll in Ordnung und wir hatten ein nettes Gespräch. Die Sonne war am Untergehen und ich verschwand hinter eine dichte Baumreihe um dort mein Zelt aufzubauen. Bevor ich aber loslegte, nahm ich 15 USD um sie Russell zu geben. Ich meine, die Leute unterstützen mich immer wieder also kann ich auch denen davon etwas abgeben, die es offensichtlich nötiger haben. Als ich hinter der Baureihe wieder vorkam, stand da auch schon der dunkle Wagen mit zwei Männern und ernsten Gesichtern. Da hatte ich mir aber noch nichts dabei gedacht und bin eben freundlich drauf zugegangen und hab mich vorgestellt. Und dann hieß es, ich könne das Gelände auch gleich verlassen. Die Kirche sei ja schließlich kein Hotel. Ich entgegnete, dass es doch das erste Mal wäre, von einer Kirche abgelehnt zu werden aber der ältere der beiden wurde noch grimmiger. Als ich dann fragte, wer denn der Pastor oder er sei, schwengte sein Blick weg von mir und er erklärte, dass er zur Administration der Kirche gehöre. Ich wollte dann auch nicht anfangen zu streiten, hatte er doch schon sein Telefon bereit, um vermutlich die Polizei zu rufen, falls wir nicht freiwillig gingen. Ich gab Russell noch die 15 Dollar, wünschte ihm alles Gute, holte meinen Wagen vor und lief in die Nacht hinein. Meinem Unmut machte ich gleich in einer Google-Rezension und in einer direkten Email an den Pastor Luft. Mit einem Blick auf die Website der Kirche musste ich dann feststellen, dass uns der Pastor höchst persönlich verjagt hat. Als ich nach dem Pastor fragte, da hatte Dr. Ray Love nicht einmal die Eier mir in die Augen zu schauen und zu sagen, dass er es persönlich ist. Ein wirklich großartiger Mensch. Zumindest hatte er auf meine Email geantwortet. Ganz kurz, dass sie Russell in ein Motel gefahren haben, da er mit seinen Knieproblem nicht weit laufen kann. Ansonsten nur ein weiteres kurzes Bla Bla. Auf meine Kritik ging er nicht ein.

Ich machte mich weiter auf den Weg zur nächsten Kirche und habe mir laut gesagt „Es gibt immer einen Platz.“ Und bis zur Kirche kam ich dann auch nicht, als mir eine Stimme etwas zurief. Da ich es nicht verstanden hatte, lief ich die Einfahrt hinein und eine Frau, Rachel, kam auf mich zu. Sie dachte ich sei ein Bekannter der auch immer mal mit Stirnlampe im Dunkeln die Straße runterläuft und wunderte sich, was er (also ich) hinter sich herziehe. Das Missverständnis war schnell geklärt und ich erklärte ihr meine Situation, dass ich zur nächsten Kirche weiter wolle. Ihr Bruder Joe zeigte aber auf ein kleines Stück Rasen neben dem Haus und das war meine Rettung. Und eine heiße Dusche gab es obendrauf. Ich weiß nicht, wie oft ich mich bedankt habe. Ist das einfach nur Fügung?

Das war jetzt ein negative Beispiel, welches ich so auch nicht allein stehen lassen möchte. Es geht alles besser.

Zum ersten Abend nach meiner Abreise aus Farmington rief ich einfach die hinterlegte Telefonnummer der Kirche an. Der Herr am anderen Ende der Leitung hatte kein Problem damit, dass ich dort campe. Ich solle einfach machen.

Den zweiten Abend bei Cumberland MD schlug ich mein Zelt einfach hinter einer Kirche auf. Der Sheriff hatte kurz mal aus seinem Auto geschaut, aber nichts gesagt und ich hatte eine ruhige Nacht.

Den dritten Abend wurde ich an einem Campingplatz in der Nähe von Springfield VW vermittelt und konnte dort mein Zelt kostenfrei aufschlagen. Perfekt.

Am vierten Tag hielt Benjamin mit seinem Fahrrad neben mir. Mit seinem vielen Tattoos und Look konnte ich mir erst einmal nicht vorstellen, dass er Pfarrer einer methodischen Gemeinde ist. War er aber. Und er war natürlich interessant an meiner Geschichte. Ich sagte ihm, dass ich die Nacht an der Kirche Campamento Monte Sinai verbringen wolle. Der Name hatte nicht umsonst spanischen Charakter. Im Haus nebenan wohnte Juan aus El Salvador, der den Hausmeisterdienst übernimmt. Er schloss mir die Kirche auf und führte mich ins Obergeschoss in dem es ein Badezimmer gab. Hier konnte ich wieder duschen. Und dann kam auch Benjamin mit seinem Banjo und Bier vorbei und so wir saßen bei Juan auf der Veranda mit etwas Bluegrass-Musik und netten Gesprächen. Was für ein toller Abend. Unglaublich wenn man bedenkt, dass wir drei uns Stunden zuvor noch nicht kannten.

Dass der fünfte Abend nicht so funktioniert hatte wie erhofft lag dann wohl an einer kleinen Fehlplanung meinerseits. Nördlich von Winchester liegt The Church of Jesus Christ of letter day saints, also eine Mormonenkirche. Das Satellitenbild war vielversprechend aber zur Kirche gehörte nur der asphaltierte Parkplatz. Das ganze Grün herum war Schulgelände und da kann/darf/sollte ich mein Zelt nicht aufstellen. Ich traf in der Kirche aber auf eine kleine Gruppe Teenager und die waren Feuer und Flamme als ich von meiner Reise erzählte. Und natürlich wollten sie mir helfen einen Schlafplatz zu finden. Erstmal bekam ich aber ein leckeres Stück Bananenbrot und dann telefonierten einige umher um mir eine Schlafgelegenheit zu organisieren. Leider war es vergebens aber ihr Einsatz war großartig. Letztendlich hatte ich ein gemähtes Stück Rasen einer kleinen Böschung runter neben der Straße für völlig zweckerfüllend erklärt und hatte eine gute Nacht.

So… genug geschrieben. Ich bin müde.

Eine gute Zeit in Farmington

Ach wie schnell können zwei Wochen vergehen? Die Bruderhof-Gemeinde hat mir eine wirklich gute Zeit bereitet und dafür bedanke ich mich ganz herzlich.

An den meisten Tagen habe ich in der Gemeinde mit ausgeholfen. Hier ist auch wirklich immer etwas zu tun und jung und alt packen gemeinsam an.

Zum Frühstück und Abendessen wurde ich oft von verschiedenen Familien eingeladen. Mittagessen gibt es unter der Woche gemeinsam im gemeinsamen Speisesaal. Es gab viele wundervolle Geschichten zu hören und es wurde viel über die Motivation, in einer Gemeinschaft zu leben in welcher es kaum persönlichen Besitz gibt, diskutiert. Es ist schon irgendwie inspirierend, mangelt es den Brüdern und Schwestern doch an nichts. Das fängt beim Essen und der Unterkunft an, geht weiter über den Fuhrpark, die medizinische Versorgung mit eigenen Ärzten und hört dann bei der Sauna und dem Badesee auf. Bei Festlichkeiten wird mit Wein und hausgebrautem Bier angestoßen. Die Kinder haben alle Möglichkeit sich zu entfalten und es ist so schön zu sehen, wie viel Zeit sich die Familien füreinander nehmen. Und ich konnte einfach mit eintauchen.

In der Freizeit wurde ich zum Wandern eingeladen, wir saßen an Lagerfeuern mit heißer Schokolade und Marshmallows, waren baden oder im Zoo. Die großen Miezen haben es mir schon angetan. Bei einem 5km-Wettlauf für den guten Zweck in Uniontown, habe ich die Straßen mit abgesperrt und den Verkehr geregelt.

Mein Gastgeber Benito zeigte mir einen Großteil der Gegend. Einmal fuhren wir durch halb Pennsylvania ins tiefste Amish-Land um neue Möbel von einer Schreinerei abzuholen. Mein Bild von technologiefernen Amish wurde dabei komplett auf den Kopf gestellt. In der Werkstatt standen moderne Maschinen und es gab auch moderne Kommunikation. Der Strom für die Werkstatt wird allerdings über eigene Generatoren erzeugt und nur im Wohnhaus selbst bleibt alles traditionell simpel. Die Ehefrau des Besitzers und die Kinder waren sehr weltoffen und gesprächig und haben sich gefreut auch einmal jemanden von einem anderen Kontinent kennenzulernen. Und wenn es den älteren Amish zu mühsam wird die Kutsche zu spannen, dann geht es eben mit dem vierrädrigen Elektroscooter über die Straßen. Das war ein wundervoller Tag.

Für die Gemeinde Spring Valley und New Meadow (gegenüber der Straße) hielt ich noch jeweils einen Diavortrag zu meiner Reise. Einfach nur einen kleinen Einblick in die Weiten und Schönheit der Welt geben war das Motto.

Aber alles findet einmal ein Ende, auch die Zeit hier in Farmington. Morgen geht es wieder die Straßen entlang. Mein nächstes Ziel könnt ihr vielleicht im letzten Foto erahnen. Danke Spring Valley / Bruderhof!

Bruderhof – Kapitel 2

Im Juli 2019, auf meinermm Weg durch das südöstliche Australien, stolperte ich etwas zufällig in die Bruderhof-Gemeinde „Danthonia“. Den Artikel könnt ihr hier lesen.

Damals war mein Aufenthalt allerdings viel zu kurz, hatte ich doch die Gemeinde mit ihrer Lebensweise und Lebensphilosophie sehr schnell ins Herz geschlossen. Ich weiß noch, wie ich beim Abschied Tränen in den Augen hatte.

Es stand für mich persönlich fest, wenn ich dann Nordamerika bereise, eine der Gemeinden besuchen zu wollen und ein bisschen tiefer in das gemeinsame Leben einzutauchen. Und auch Benito, mein Gastgeber in Australien fragte mich immer wieder, wann ich denn endlich nach Pennsylvania komme. Er war nämlich zwischenzeitlich mit seiner Familie in die USA zurückgekehrt.

Und hier bin ich nun. Letzten Donnerstag bin ich bei meiner Ankunft gebührend mit einer Leuchtschrift am Eingang empfangen worden. Und neben Benito und seiner Familie erkannte ich auch noch weitere bekannte Gesichter aus Australien und der Holzland-Gemeinde aus Bad Klosterlausnitz, welche unweit meiner Heimat liegt. Da fühlt man sich gleich etwas vertraut. Mindestens eine Woche, vielleicht sogar zwei, werde ich hier verbringen und etwas Kraft tanken bevor es dann das letzte Stück bis nach New York City geht.

Zu jedem Frühstück bin ich in einem anderen Haushalt eingeladen. Jeder möchte ein wenig mehr über mich, meine Reise und Beweggründe wissen. Alle sind so herzlich freundlich und das zaubert mir ganz oft ein Lächeln ins Gesicht. Ich fühle mich einfach willkommen.

Pennsylvania

Der Wechsel des Fahrbahnbelags markiert wie so oft die offizielle Grenze. Das Willkommensschild kam dann ein paar Meter weiter.

Und ich weiß… ich sehe etwas verwildert aus. 😄