31.786 Kilometer. Das heißt, dass es bis in die Heimat nur noch rund 1.000 Kilometer sind. Ein Katzensprung.
Ich sehe immer wieder erstaunte Gesichter, wenn Leute auf meine Kilometertafel schauen. Oft staune ich auch über mich selbst und die Distanz, die sich in den letzten Jahren aufgebaut hat. Schritt für Schritt, Kilometer für Kilometer, Tag für Tag, Woche für Woche, immer ein bisschen mehr.
Am Ostersonntag, noch weit im Süden, hatte ich schon einen ersten Blick auf die französischen Alpen. Wieder weit am Horizont, wohl irgendwo südöstlich von Grenoble, guckten die weißen Gipfel hervor. Damit hatte ich wieder ein neues Ziel vor Augen. Tags zuvor hatte ich dieses irgendwie mental aus den Augen verloren. Das Wetter war einfach so mies, dass es mir echt aufs Gemüt schlug und ich schon zeitig nach 24 Kilometern mein Zelt aufschlug und den Rest des Tages herumlungerte. Kein Bock auf irgendwas, kein Fokus… einfach Leere. Aber mit dem Blick in diese weite Ferne war ich wieder voll dabei.
And jenem Ostersonntag traf ich auf André, der mit seinen 89 Jahren die Bäume auf einer großen Wiese verschnitt. Ich ging auf ihn zu und fragte, ob ich mein Zelt für die Nacht auf der Wiese aufstellen dürfe? Er sprach etwas Englisch und wir verstanden uns auf Anhieb. So zeigte er auf ein Haus in der nächsten Siedlung und bot mir an, mein Zelt in seinem Garten aufzustellen. Perfekt.
Sein Haus war so typisch aus Naturstein, innen Küche und Wohnzimmer zusammen mit großem Kreuzgewölbe, im Kamin brannte ein Feuer. Es war so richtig schön urig und hatte viel Charm.
Leider hatte seine Ehefrau die letzten Jahre geistig stark abgebaut, war nicht ansprechbar und pflegebedürftig. Da möchte ich nicht zu sehr in Detail gehen aber es war schön und ermutigend zu sehen, wie liebevoll und aufopfernd er sich um sie gekümmert hat. 65 Jahre seien sie verheiratet.
Ostermontag, ich war gerade aus der Stadt Alès raus, hielt ein Wagen neben mir. Jonathan hatte mich durch die Nachbarschaft wandern sehen und meinen Kilometerstand dazu. Grund genug für ihn mich aufzusuchen und zu fragen, ob alles in Ordnung ist oder ich etwas brauche. Das war eine super liebe Geste. Ich hatte alles für den nächsten Tag, fragte aber nach einen kleinen Stück Rasen für mein Zelt. Er rief seine Eltern an, die sofort zustimmen aber es stellte sich heraus, dass diese zu viele Kilometer in der falschen Richtung wohnten. Dann habe ich doch danken abgelehnt aber gefreut hatte ich mich riesig.
Eine der großen Lehren der letzten Tage war, dass ich mich nicht zu sehr auf Google Maps verlassen sollte, oder zumindest die Karte besser studieren sollte. So eine Abkürzung über die Feldwege kann viel Zeit sparen. Die Betonung liegt auf KANN. Anstrengend wird es, wenn der Weg plötzlich verwildert und man durchs hohe Gras muss, wenn der Weg zur Hauptstraße an der Straßenböschung endet und man den Karren die Böschung durch die Brombeeren hochziehen muss, wenn er dabei noch auf die Seite umfällt, wenn der Weg aus riesigen Steinen besteht und der Karren wild hin und her poltert, wenn die Weg durch Senken führt und Bäche gefurtet werden müssen. Immer wieder nasse Füße. Na ja, ich hab’s nun sein gelassen und folge weiter den offiziellen Wegen.