Alles auf einmal

Alles auf einmal
Alles auf einmal und von dem Allen zu viel. Mein erster Morgen in Tamu begann mit heftigen Durchfall und Grummelmagen. Keine Ahnung, was ich den Abend zuvor Falsches gegessen hatte aber ich gehe mal davon aus, dass es die Schweinefleischbällchen waren. Oder doch die Schrimps in der Suppe? Wie ich nun im Nachhinein meine, wird es nicht nur eine Magenverstimmung gewesen sein sondern eher eine Lebensmittelvergiftung. Da bin ich mir sicher. Jedenfalls war die Busfahrt nach Kalay kein großes Vergnügen. An einer Kreuzung habe ich mich absetzen lassen, da ich nach Osten weiter musste. Das Gewicht meines Karrens ließ die Leute beim Herablassen vom Dach des Busses kurz in Nöte kommen und so ist er den letzten Meter entlang meines Schienbeins gefallen und hinterließ einen tiefen, blutenden Schnitt. Schmerz lass nach aber Hauptsache der Karren blieb heil. Es sollte kein guter Tag werden. Weiter mit flauen Magen ging es durch die schwüle Mittagshitze und je später es wurde, desto mieser ging es mir. In einem kleinen Dorf fragte ich, ob ich irgendwo mein Zelt aufstellen könnte und erst wurde abgewunken doch zugleich darauf kam ein älterer Herr auf mich zu und bot mir einen Platz in seiner Hütte an. Seine glasigen Augen und die Schnapsfahne ließen mich etwas zweifeln. Aber was soll’s? Mir ging es dreckig. Seine Frau tat mir schon etwas leid. Während sie sich um alles im Haus und mich sorgte, saß ihr er halt nur an seinem Glas. Er bot mir etwas davon an doch hab ich erstmals dran gerochen… Bähhhhhh! Pures Gift. Ich wurde bekocht doch viel habe ich nicht in den Magen bekommen.
Der zweite Tag wurde nicht besser. Mit drei Löffeln Reis im Magen machte ich mich auf. Kurz vor Kalewa musste ich mich entscheiden, ob ich die Nordroute und Hauptstraße nach Mandalay nehme oder die Südroute und Nebenstraße. Ich entschied mich für die zweite Variante und das war keine gute Idee. Immer wenn ich denke, die schlechtesten Straßen dieser Welt schon hinter mir zu haben, wird dem immer noch einer drauf gesetzt. Den Großteil ging es Hügel rauf und Hügel runter, Hügel rauf und Hügel runter, Hügel rauf… . Schwer wurde es so im tiefen Schlamm oder wenn große Steine verbaut wurden und alles zu einer Buckelpiste werden ließ. Bröckelnder Asphalt, Sand, Kies ist alles ein Witz.
Ich hatte echt schwer zu ziehen und gesundheitlich ging es mir nicht besser. Im Gegenteil. Mit kaum Nahrung im Bauch, weiteren Durchfall und Magenkrämpfen schleppte ich mich die nächsten vier Tage entlang. Nach 10 Kilometern hatte ich eigentlich schon immer die Schnauzte voll und wollte nicht mehr weiter und so guckte ich, dass ich wenigstens auf 20 bis 25 Kilometer pro Tag kam. Eine wahre Schinderei die schon ein Gefühl der Verzweiflung in mir aufkommen ließ. Noch weit mehr als 100 Kilometer waren es bis Monywa, der nächsten große Stadt. Tränen standen mir in den Augen. Ich war schwach und wusste, dass ich das so nicht packen werde.
Gestern beschloss ich dann jede Möglichkeit zu nutzen um wegzukommen. Busse fuhren aber nicht. Grundsätzlich ist es möglich auf Mopeds hinten aufzuspringen aber bei sehr holprigen Abschnitten und bei den Geschwindigkeiten ist das alles Gift für meinen Anhänger. So mühte ich mich den Vormittag ab. Dann stand da irgendwann die Polizei oben am Hügel und wartete schon auf mich. Fix und fertig bin ich da noch hochgekrabbelt und sofort wurde ich nach meinem Pass gefragt. Ich wusste schon, warum die ein Auto mit Ladefläche dabei hatten. Ich wurde gefragt, ob ich nicht vielleicht einen Transport nach Monywa möchte? Es war die größte Erleichterung. Es ging echt nichts mehr bei mir. Nun habe ich mich für drei Nächte in einem Hotel einquartiert und denke, dass es wieder gut aufwärts geht. Zumindest habe ich heute Morgen wieder Appetit verspürt und konnte ordentlich frühstücken. Was ich brauche ist einfach Ruhe.
Schade, dass es mir so nicht möglich war, das Tal, welches ich durchquerte, genießen zu können. Wirklich hübsch und die Menschen sind super freundlich. Alle winken mir zu und lächeln. Es war nie ein Problem für die Nächte ein Dach über den Kopf zu finden. Ich musste nie zweimal fragen. Sie kochten so gut für mich doch tat es mir so leid, dass ich kaum etwas davon essen konnte.
Die Sprachbarriere ist riesig. Auch Myanmar war britische Kolonie aber im Gegensatz zu Indien sprechen hier nur sehr vereinzelt Leute Englisch und dazu lässt ihr Akzent viel verschwimmen. Aber ich sage ja immer, dass das Wichtigste erst einmal ein Lächeln ist.
Auch die Polizei hat keine Probleme gemacht. Die nehmen nur meine Personalien auf und fragen höchstens, wo ich die letzten Nächte verbracht habe. Und da reime ich mir auch keine Lügen zusammen sondern sage einfach wann und wo und das ist „scheinbar“ kein Problem. Ich habe schon mitbekommen, dass ich hier unter Beobachtung stehe.
Was mich aber sehr nachdenklich stimmt… Wenn ich hier abseits über das Land streife, dann sehe ich ein sehr armes Land. Hier erkenne ich, was Entwicklungsland bedeutet. Ich sehe jetzt mal davon ab, dass die Menschen in oft mit Stroh bedeckten Hütten aus Holz und Bambus leben. Meist sind diese auch noch zu einer Seite offen. Sie bieten eine einfache aber saubere Unterkunft. Im Gegensatz zum indischen Lande scheißt man hier nicht auf die Wiese oder die Straße sondern baut Latrinen und diese werden auch sauber gehalten. Da können sich sogar noch manche Türken was davon abgucken.
Es gibt aber keinerlei Elektrifizierung. Viele setzen sich daher ein Solarpanel vors Haus und Laden Bleiakkumulatoren (Autobatterie) um abends dann etwas Licht zu haben oder ihren kleinen Fernseher speisen zu können. Es gibt keine Möglichkeit einen Kühlschrank zu betreiben.
Es gibt auch keine Trinkwasserversorgung. Man sammelt Regenwasser oder holt es sich aus dem Fluss. Eine Handbetriebene Wasserpumpe habe ich hier noch nicht gesehen. Das Wasser muss über dem Feuer noch abgekocht werden.
An einem Nachmittag wurde ich in ein Dorf eingeladen, etwas abseits der Straße und wenn ich mir die paar Motorräder und Fahrräder wegdachte, kam es mir vor wie im Mittelalter. Es war ein wirklich reges Leben aber mit einfachsten Mitteln. Man musste aufpassen und dem Ochsenkarren ausweichen. Über kleinen offenen Feuern wird Essen gekocht. Unter den auf Pfeilern gebauten Häusern liegen die Schweine und Hühner laufen dazwischen.
Zum Großteil sind die Leute Selbstversorger. Es gibt zwar kleine Läden aber die Auswahl an Produkten ist nicht groß. Ein sehr hartes Leben!