Der Weg nach Krabi war, bis auf die Anfangsschwierigkeiten, recht gemütlich. Dabei hatte ich noch das Glück, dass mich Moshe, ein Israeli und seine Frau Or auf der Straße aufgabelten und mich zu sich nach Hause einluden. Das nahm ich gerne an und so hatte ich auch mal nur einen Halbtagsmarsch zu absolvieren. Die Straße 4118 ist eine kleine Nebenstraße und da ist echt nicht viel los. Die beiden leben da auf halber Strecke ziemlich ruhig und weit ab vom Schuss. Moshe meinte, sein nächster Freund und Ausländer lebt 35 Kilometer weiter. Auch die nächste bessere Einkaufsmöglichkeit sei mehr als 20 Kilometer entfernt. Man lebe hauptsächlich von den Ölpalmen und den Früchten wie Papaya, Mango oder der Stinkfrucht, die eigentlich gar nicht so sehr riecht und echt bekömmlich ist.
Moshe führte mich zum Ton Yai Wasserfall. Ein noch kleiner Geheimtipp für Reisende ist dieser beschauliche Wasserfall. Wir folgten ein Stück dem Bachlauf und prompt wurde es sehr dunkel um uns herum. Der Dschungel wurde immer dichter. Moshe meinte, man könne den Bachlauf noch ein paar Kilometer weiter hinauf folgen aber das sei in der Regenzeit zu gefährlich. Schnell können die Pegel steigen und einen mitreißen. Besser wäre es noch, wenn man einen Einheimischen fände, der einen bis zu den Höhlen führt.
Als ich gestern Morgen los wollte, musste ich erst einmal feststellen, dass ein Reifen platt war. Wieder mal ein dünner Draht. So begann mein Tag mit Schlauchwechseln.
In Lang Suan hielt ein Motorrad neben mir und der alte Typ meinte “Can I suck your dick?” Ich schaute ihn sehr grimmig an und machte ihm klar, dass er sich besser ganz schnell verziehen soll. Ich erinnerte mich gleich an meinen letzten Tag auf der Straße, bevor ich stoppte und mich nach Japan aufzumachen. Da war so ‘n dicker Typ mit fettigen langen Haar der ein Kleid trug. Er hielt neben mir mit einem “Show me? Show me?”. Was sollte ich ihm wohl zeigen? Da fehlt aller Anstand. Nur bestätigte es mich in meiner Philosophie, dass die Reise so weitergeht wie sie aufgehört hat.
Nur das Wetter ist schlechter. Ab Mittag ziehen immer dunkle Wolken auf die Regen bringen. Man könnte schon fast die Uhr danach stellen. So schau ich, dass ich, anstatt in meinem Zelt zu schlafen, ein festes Dach über dem Kopf finde. Letzte Nacht verbrachte ich also mal wieder in einem buddhistischen Kloster und diese Nacht bietet mir eine Moschee Obdach. Je weiter man in den Süden Thailands kommt, desto mehr Männer mit Bärten und ihrer langen Robe und natürlich auch verschleierte Frauen sieht man. Alle sind sehr gelassen und freundlich. Leider ist immer wieder die Kommunikation so schwierig. Gerade eben war Abendgebet und ich schaute aus meiner kleinen dunklen Ecke zu. Die Ventilatoren laufen. Das macht die warme Nacht erträglicher und meine Wäsche kann trocknen.
Dann hatte ich heute noch einen Unfall mit meinem Wagen. Auf einem Stück unbefestigter Straße war ‘ne riesige Pfütze und bevor ich mir nasse Füße hole, schleich ich mich doch lieber am Rand entlang. Das eine Rad im Wasser ging plötzlich tief ab. Zu tief so dass der Karren über links drehend dann auf dem Kopf im Wasser lag. Da ich aber nicht mitdrehte und keinen Kopfstand machte sondern gegen hielt, brachen auch noch alle vier Winkel an der Deichsel. Gut, dass ich Ersatz dabei habe aber die Teile sind ‘ne teure Sonderanfertigung die mir mein Freund Steve Wollenschläger gesponsert hatte (nachmals Danke dafür). Nochmal darf das nicht passieren. Und glücklicher Weise hat auch das Solarpanel alles überstanden. Phuuuuu. Nasse Füße hatte ich am Ende trotzdem.
Wie es der Zufall manchmal so will. Genau heute vor drei Jahren machte ich mich auf die Welt zu Fuß zu umrunden. Also erst einmal heißt es wieder „Happy birthday rico’s long walk!“
An jenem Tag verabschiedete ich mich von vielen guten Freunden. Und heute ist mein letzter Tag im Kakurinbo und das Team schmiss eine Abschiedsfete in einem Karaoke-Schuppen für mich. Wieder hieß es, zu vielen Leuten, die mir ans Herz gewachsen sind, Auf Wiedersehen zu sagen. Das tut immer ein Stück weh.
Ich bedanke mich für diese großartige Zeit. Danke Japan! Danke Yamanashi! Danke Minobusan! Danke Kakurinbo! Danke Junko und Clive! Danke liebes Kakurinbo-Team! Danke an alle Gäste! Danke an alle guten Bekanntschaften! Danke für das viele Lachen und ein paar Tränen!
Zufall oder Fügung? Entscheide ich mich oder wird über mich entschieden? Ich denke „Sowohl als auch“. Oft stellt sich mir die Frage nach meiner Route. Biege ich links oder rechts ab? Welche Route verspricht den meisten Komfort und bessere Infrastruktur, die ruhigere Straße, die schönere Landschaft, die besseren Geschichten und Fotos? Ich entscheide! Richtig sicher kann ich mir aber nie sein. Gehe ich rechts, dann verpasse ich alles, was links neben mir liegt und gehe ich links, verpasse ich all das, was rechts neben mir liegt. Ich kann nicht alles sehen und erleben aber darum geht es mir auf meiner Reise auch nicht. Ich laufe einfach. Ich lauf und lauf und lauf und denke nicht darüber nach, was ich verpasst haben könnte. Lieber verbleibe ich im Moment, sauge Ort und Augenblick in mich ein und weiß, dass es die richtige Entscheidung war. Und auch wenn es manchmal richtig hart ist, ich an einem Berg fast verzweifle, die Dunkelheit anbricht und ich noch keinen geeigneten Platz für mein Zelt gefunden habe, das Wasser vielleicht knapp wird oder was auch immer noch so schief gehen kann… Ich bereue die Entscheidung ob rechts oder links nicht. Ich wachse an allen Hürden.
Eine Sache liegt aber nicht in meiner Hand. Zufall oder Fügung? Es sind die Menschen denen ich begegne. Sie halten neben mir auf der Straße und reichen mir eine Flasche Wasser, Cola oder einen Kaffee, Kekse oder Schokolade. Sie laden mich in ihre Häuser ein, machen mir Abendessen und Frühstück. Oder einfach nur die Frage, ob ich Hilfe brauche. Viele Gespräche die über das gewöhnliche „Wo kommst du her und wo willst du hin?“ hinausgehen. Es kommt auch mal vor, dass sie mir Geld in die Hand drücken und sagen „Hier! Kauf dir da drüben was zu essen.“. Alle diese wundervollen Gesten der Offenheit und Großzügigkeit… Es berührt jedes Mal mein Herz.
Was mir aber immer noch nicht so in den Kopf will, das sind so diese verschiedenen Extreme. Und ich rede nicht vom Wetter. Da ziehe ich diesen Karren hinter mir her, eine Kiste, in der alles Überlebenswichtige enthalten ist. Ein sehr minimalistisches Leben welches viel entbehrt. Man reduziert sich auf Grundbedürfnisse. Essen, Trinken, Schlafplatz und Hygiene. Dann komme ich in eine große Stadt, gönne mir einen Burger. Ich habe einen Gastgeber der mich durch die Straßen führt. Ich lerne seinen Freundeskreis kennen und finde mich kurz darauf in einer Diskothek wieder. Laute Musik… Ich brauch ein Bier. Bald darauf gehe ich wieder meinen Weg allein. Mein ganzes Equipment leidet unter Sonne, Hitze, Kälte und Feuchtigkeit. Die Kleidung zerschlissen sehe ich aus wie der letzte Penner. Arme Bauern bieten mir einen Schlafplatz an. Das Abendessen besteht aus Reis und gekochten Blättern. Und vorgestern stand ich in einem 15.000 Euro (!) teurem Kimono auf einer Gartenparty bei Bratwurst mit Senf, Kartoffel- und Heringssalat, Schweinebraten und und und in der Deutschen Botschaft in Tokio. Ich tanze zu alten Rock-Klassikern und der Gedanke kommt in mir hoch „Fuck! Das ist alles so wirr. Was passiert hier eigentlich? Gestern so, heute so und morgen stehe ich wieder mit meinem Karren auf der Straße und mühe mich durch die schwüle Hitze Südostasiens. Boah!“ Und ich merke, ganz gleich wo ich mich in dieser Welt aufhalte, sie beeindruckt mich immer wieder. Sie bietet mir immer wieder etwas Neues, etwas absolut Unerwartetes. Ich möchte keine dieser Erfahrungen missen. Dieser ganze Kontrast prägt mich und meine Reise.
In einer Zeile des Liedes BORN TO BE WILD heißt es „Take the world in a love embrace” oder zu Deutsch “Nimm die Welt mit einer liebevollen Umarmung“. Den Satz merke ich mir. Und am Ende ist wohl alles Fügung.
BDF Gartenfest
Hier im Kakurinbo machte ich Bekanntschaft mit dem Gesandten der Botschaft in Tokio, Dr. Stephan Grabherr und seiner Frau Malena. Zwei Personen mit so sympathischer Erscheinung, so dass sie bei uns in Minobusan immer wieder herzlich willkommen sind. Ich sprach sie auf das Gartenfest in der deutschen Botschaft an, von welchem ich gelesen hatte. Prompt hieß es „Wir können dich gerne einladen. Und überzeuge gleich noch Junko, dass sie mitkommt.“ Auch, wenn ich es nicht so gezeigt habe, so war ich voll perplex und aufgeregt und Junko war zu Beginn voll hibbelig. Das war nicht nur eine Einladung zu einer kleinen Party. Nein, das war auch eine sehr persönliche Einladung zu ihnen nach Hause. Wir fühlten uns sehr geehrt. Solch eine Gelegenheit bekommt man nicht alle Tage.
Für mich war die größte Frage „Was ziehe ich an?“ Ich kann unmöglich in meinen kurzen Hosen da aufkreuzen. Gott sei Dank ist Junkos Mann recht groß für einen Japaner und ich bekam einen Kimono geliehen. Sündhaft teuer aber eben aus purer Seide. Wir mussten extra zu einem Kimonogeschäft fahren um uns ordentlich in den Stoff einpacken zu lassen. Das bekommt man allein – und besonders ich ohne Erfahrung – nicht hin. Ich denke, das Resultat konnte sich sehen lassen.
Unterwegs sammelten wir noch Junkos zweiten Sohn ein und bald darauf standen wir vor dem Botschaftsgelände. Ausweise vorzeigen und ab durch breit vergitterte Tore, schon öffnete uns Malena die Tür zur Wohnung. Stephan führte uns ein wenig durch den Garten bevor es dann zur eigentlichen Feier ging.
Der Fond für bedürftige Deutsche in Japan (BDF)unterstützt Deutsche, die sich in Japan dauerhaft niedergelassen haben und in wirtschaftliche Not geraten. Das kann durch Krankheit passieren, durch Tod der Eltern, also Waisenkinder, Scheidung oder (Natur-)Katastrophen (wenn nach Fukushima deine Produktionsstädte im verseuchten Sperrgebiet liegt). Interessant, dass es für solche Fälle Hilfsangebote. Diese werden von deutschen in Japan agierenden Unternehmen und von privater Hand in Form von Spenden unterstützt. Alljährlich findet so in der Residenz des deutschen Botschafters eine Wohltätigkeitsveranstaltung des BDFs satt.
Ein bunt durchmischtes Volk von Deutschen und Japanern versammelte sich zu Bratwürsten mit Senf, Schweinebraten, Heringssalat, Laugengebäck und natürlich Bier. Viele Visitenkarten wurden getauscht. Vom Anwalt über Ingenieure, Manager, Historiker, Diplomaten und eben Weltenbummler, versammelte sich ein kleiner Ausschnitt der deutschen Gesellschaft. Besonders zur späteren Stunde, als die Tanzbeine geschwungen wurden, war die Stimmung recht ausgelassen.
Es war ein wundervoller Ausblick in eine etwas andere Welt und dafür möchte ich mich bei euch, Stephan und Malena nochmals, und natürlich auch im Namen von Junko und Seko, ganz herzlich bedanken!