Leichtsinn

Gutes und stabiles Wetter kündigte sich an. Eine perfekte Gelegenheit, um auf den Mount Wellington zu wandern und einen Ausblick über Hobart und die vorgelagerten Inseln zu bekommen. Verschiedene Wanderwege mit mehr oder weniger hohem Schwierigkeitsgrad führen hier auf den Gipfel. Vom Ausgangspunkt Fern Tree bis auf den Gipfel sind es ungefähr zweieinhalb Stunden gemütlicher Aufstieg. Der dichte, dunkle Wald mit seinen vielen Farnen lichtete sich bald und es wurde rauer. Oben angekommen bestimmten dann nur noch rot-ockerne Felsen und Büsche das Bild. Alpines Klima. Ein kalter Wind zog hier über die Köpfe der Besucher hinweg.

Nach einer Mittagspause peilte ich noch die Wellington Falls im Westen an. Es war noch ein gutes Stück zu laufen aber auf jeden Fall machbar – so dachte ich jedenfalls. Entlang des South Wellington Tracks über eine Verbindung zum Wellington Falls Track. Ganz einfach.

Nun der South Wellington Track war schon etwas herausfordernder. Es gab keinen richtigen Weg. Die vielen Felsen erforderten einen sehr sicheren Tritt. Lediglich alle fünfzig Meter diente ein kleiner Pfeiler mit leuchtend oranger Markierung als Wegweiser. Bis hierher war noch alles gut. Die Verbindung zum Wellington Falls Track aber war heimtückisch. Erst bin ich an der Einbiegung vorbeigelaufen und dachte, ich hätte einen Wegweiser verpasst. Also wieder ein Stück zurückgelaufen und geschaut wo der Weg ist. An der Einbiegung was nur ein schmaler, ausgetretener Pfad. Kein Schild und keine Markierung. Nichts. Auf der offiziellen Wanderkarte des Nationalparks und Google ist der Weg auf jeden Fall eingezeichnet. Was soll schon schiefgehen? Ich rastete nochmal für einen Moment, trank etwas Wasser und auf ging es. Anfangs ging auch alles gut. Ich folgte dem Pfad, kletterte über Felsen bis am anderen Ende der Pfad weiterführte und orientierte mich mittels Smartphone, falls ich doch mal zu weit vom eigentlichen „Weg“ abkam. Irgendwann steckte ich aber mittendrin und ich wusste echt nicht mehr, ob es noch Sinn macht weiterzugehen oder besser umzukehren. Die Karte sagte mir aber, dass es nur noch zwei Kilometer bis zum Hauptweg seien. Also Vorwärts! Es wurde hart und kraftraubend. Ich verlor zu oft meinen Weg. Da, wo der Weg laut Karte sein sollte, war einfach nur dichter Busch. Ich kletterte weiter über Felsen, trat in Wälder und windete mich durch die Büsche. Manchmal war es einfacher über liegende Baumstämme zu balancieren. Einige Male wurde das Gestrüpp so dicht, dass ich nicht weiterkam und wieder ein Stück zurück musste. Das war wie ein Labyrinth. Die einzige Richtung die mir sicher schien war bergab. Ein ungutes Gefühl kam mir nun bei der Sache auf. „Jetzt nur nicht panisch werden!“ sagte ich mir und setzte mich um zu verschnaufen. Beim Griff an meinen Rucksack musste ich dann auch noch feststellen, dass ich meine Wasserflasche verloren hatte. Diesmal wusste ich, dass es eng werden könnte.

Für diese restlichen zwei Kilometer bis zum Wellington Falls Track benötigte ich knapp drei Stunden. Es war unglaublich schwierig sich seinen Weg durch dieses Gelände zu suchen. Ausgelaugt, durstig und die Beine von all den Büschen zerkratzt, hatte ich noch gute zweieinhalb Stunden Marsch bis zur Straße vor mir. Nochmal galt es über viele Felsbrocken zu klettern. Wieder war der Weg mittels dieser kleinen Pfeiler markiert. Kleine Krämpfe zogen mir nun noch in die Beine und ich war heilfroh, als der Weg wieder eben wurde. 18 Uhr erreichte ich dann endlich die Straße, an der Neil mich abholte.

Ohh man… Aus diesem kleinen Schlamassel hätte ein richtig großer werden können. Leichtsinnig, sich allein durch dieses wirklich nicht ungefährliche Gelände zu bewegen. Schnelle Hilfe wäre da nicht zu erwarten gewesen. Na ja, ich hab‘s gepackt.