Die Landstiche, durch die ich die letzten Wochen gewandert bin, waren schon etwas herausfordernd. Wyoming, Idaho, Utah und nun auch Colorado… Trockene Halbwüste, Berge mit Wäldern, grüne Täler. Es war ein recht bunter Mix und die Leute auf meinem Weg waren natürlich auch wieder genial.
In der kleinen Stadt Mountain View zum Beispiel, ganz im Südwesten Wyomings hielt Michaela mit ihrem Auto an. Sie kommt ursprünglich aus einem kleinen Ort an der Grenze zu Österreich und lebt nun schon knapp dreißig Jahre in den USA. Und da man sich unter Deutschen in der Ferne doch recht sympathisch findet, lud sie mich zu sich nach Hause und ihrer Familie ein. Hier konnte ich nach einer ganzen Weile endlich mal wieder die Füße hochlegen und etwas ausspannen. Und Geburtstag hatte sie auch noch und ich wurde mit ins Restaurant eingeladen.
Es sind immer wieder diesen kleinen Begegnungen und Geschichten. Ich erinnere mich an Jimmy in Garden City, Utah, der mir seinen Camper für die Nacht überlassen hatte. Ein Typ dessen Vergangenheit durch Drogen bestimmt war, der aber noch die Kurve bekommen hatte, jetzt in einem Restaurant kocht und sich Mitternacht noch in die Küche gestellt hatte, um mir das Fresspaket für den nächsten Tag zuzubereiten.
Eine Frau hielt am Morgen an und gab mir eine riesige Tüte voll mit Süßigkeiten. Nichts aus dem Supermarkt sondern aus dem „Chocolate Bear“-Laden, in dem alles noch handgemacht wird. Sie wolle einfach auf diese Weise etwas Liebe in die Welt tragen. Mit einer zusätzlichen riesigen Umarmung hat sie das geschafft. [Sie roch so sehr nach Himbeerkonfitüre] Die Tüte hatte bestimmt zwei Kilogramm Gewicht und mindestens 50 US-Dollar wert. Das war so viel Süßkram, dass ich es in einem Monat nicht hätte essen können/wollen. Und ich hatte auch kaum die Kapazität im Wagen und Rucksack. Bei nächster Gelegenheit fragte ich eine Familie, ob die Kids etwas haben dürfen. Ich hatte nicht viel für behalten. Ein paar getrocknete Früchte mit weißer Schokolade überzogen und das war es. Und ich war wieder um eineinhalb Kilogramm Liebe leichter unterwegs.
Die Distanzen zwischen den Orten sind weiterhin groß. Auch wenn ich immer ausreichend Wasser mit mir mitführe, so winke ich gelegentlich mit einer leeren Wasserflasche in den Verkehr. In diesen Gegenden weiß man einfach nie. Es dauert nie länger als zehn Minuten bis ein Auto stoppt und ich meine Flasche auffüllen kann.
Glücklicherweise hatte ich bisher recht viel Glück mit den Temperaturen. Meist waren es immer so um die 25°C, seltener an die 30°C. Nur gab es kaum einen Nachmittag oder eine Nacht, an dem kein Regen oder gar Gewittersturm aufzog. So manche Nächte in meinem Zelt waren schon recht einschüchternd, wenn es keine Sekunde vom Blitz zum Donner dauert, der Wind das Zelt durchschüttelt und der Regen nur so prasselt. Manchmal war da auch irgendwo ein Haus, unter dessen Vordach ich Zuflucht fand und abwarten konnte.
Diese Zeiten scheinen nun aber auch vorbei zu sein. Der Herbst hält Einzug. Die Tage sind merklich kürzer geworden, die Sonne steht tiefer und hat nicht mehr die Kraft, feuchtwarme Luft aufsteigen zu lassen. In der Nacht zum 29. August hatte ich das erste Mal seit Mai wieder Frost. Die Tage sind super sonnig, bringen aber frischen Temperaturen. Perfekt zum Wandern.
Nun, für diese Saison ist es fast geschafft. Ich bin in der kleinen Stadt Kremmling und lege einen Ruhetag auf dem Campingplatz ein. Vielleicht verlängere ich auch noch um eine weitere Nacht. Denver ist nicht mehr weit. Etwas mehr als eine Woche vielleicht. Es liegt aber noch eine Herausforderung vor mir. Es wird die Trail Ridge Road entlanggehen mit einem Pass von 3713 Metern Höhe. Es wird also sprichwörtlich atemberaubend. Es wird damit wohl auch der höchste Punkt meiner gesamten Reise werden. Jeder andere Weg wäre wohl auch zu einfach. Wenn ich meinen Karren da hochziehe, werde ich sicherlich wieder um einiges fluchen. Genau wie von ein paar Wochen, als es die Serpentinen in den Uinta Bergen hochging. Aber wenn man dann erst einmal oben ist und den Ausblick hat…