Die letzten 10 Tage habe ich wieder an einen Vipassana-Meditationskurs teilgenommen. 10 Tage Stille, mal wieder runterkommen. Diesmal jedoch nicht als Schüler sondern als Unterstützer oder besser gesagt als „Server“, also Diener. Es sollte einfach mal ein anderer Blickwinkel sein.
Ich reiste schon einen Tag vor Kursbeginn an um alles mit vorzubereiten. Prompt wurde ich in den Status des Hausmeisters und Handwerkers erhoben. Laub zusammenkehren und hier und da ein paar Reparaturen durchführen. Tags drauf reisten dann die Schüler an und wir Server wiesen sie in alles ein und machten sie nochmal auf alle Regeln aufmerksam. Die wichtigste Regel für die Schüler ist, alle Form von Kommunikation möglichst zu unterlassen. Nicht reden, kein Buch lesen, kein Telefon, kein Körperkontakt zu anderen und nicht mal in die Augen schauen. Um sich ganz der Meditation hingeben zu können, muss man sich eben völlig isolieren. Man darf höchstens mit dem Lehrer reden, wenn man Fragen zur Technik hat oder mit dem Server, wenn man organisatorische oder physische Probleme hat. Sonst gilt noch: Nicht lügen, nicht stehlen, nicht töten (also nicht mal die Mücke oder Ameise), keine Drogen nehmen wie Alkohol, Tabak etc. und keine sexuellen Handlungen vollführen. Männer und Frauen sind getrennt.
Und dann heißt es besonders für die neuen Schüler… Durchhalten! Die erste Glocke läutet vier Uhr morgens und die letzte um neun Uhr abends. Die meiste Zeit dazwischen heißt es dann Sitzen! Sitzen! Sitzen! und das wird irgendwann recht schmerzhaft. Wenn ich mich so an meine ersten beiden Kurse in Indien und Österreich erinnere… Phuuuuu… Da flossen vor Schmerz auch mal Tränen. Mein dritter und letzter Kurs letztes Jahr in Thailand war dagegen der Himmel auf Erden. Kein bisschen Schmerz in den Beinen. Ob es an den tausenden Kilometern lag, die in meinen Beinen stecken?
Naja, den ersten Verlust eines Kursteilnehmers hatten wir schon am zweiten Tag. Er komme mit dem frühen Aufstehen nicht zurecht und vermisse seine Freundin. Weichei #augenverdreh. Wenn aber ein Schüler aus gesundheitlichen Gründen aufhören muss, dann wird es schon bitter. Einem mussten wir mal ins Ohr schauen. Dort hatte sich einen Zyste gebildet und bedurfte einer Behandlung. Richtig hart war es am sechsten Tag bei Jacob, einem Dänen. Der hatte sich ein paar Tage vor Kursbeginn in Vietnam noch ein Tattoo auf die Wade stechen lassen. Und das sah von einem Tag auf dem anderen plötzlich sehr unappetitlich aus. Mein Kollege ich und die Lehrerin berieten uns ob es eine Möglichkeit gebe, ihn bis zum Ende dazubehalten doch ich war dafür, dass ein Arzt kommt und sich das anschaut. Lee Eng, eine alte Krankenschwester die nun die Kurse des Zentrums betreut kam hinzu und meinte, dass er sofort zu einem Arzt müsse. Hinter vorgehaltener Hand sagte sie, dass es in fünf Tagen schon tot sein könne. Das Problem bei Tattoos sei, dass die Wunden tief unter der Haut sind und dort Bakterien leichtes Spiel haben sich zu vermehren, in die Blutbahn zu geraten und eine Sepsis zu verursachen. Für Jacob war das alles sehr emotional. Wir beide waren im gleichen Alter und er wollte einfach für ein Jahr seinen Job aufgeben und reisen. Ich erinnere mich noch wie er vor Kursbeginn sagte, dass er auf seiner Reise einige Vipassana-Schüler kennengelernt hatte und sich von deren Art und Weise, wie sie das Leben nehmen und meistern und einfach von deren Wesen inspiriert fühlte. Er wollte es unbedingt selber ausprobieren und so wie ich ihn beobachtet hatte, war er wirklich mit festen Willen und viel Konzentration bei der Sache. Und nun dieser unerwartet Abbruch. Der arme Kerl war richtig aufgelöst. Unter Tränen fragte er noch die Lehrerin, ob sie ihm noch weitere Instruktionen zur Technik geben könne. Er wolle unbedingt weiter daran arbeiten. Man das tat allen so weh. Ich packte ihm noch die Tasche und dann brachte Lee Eng ihn auch schon in die nächste Klinik.
Anstatt Ruhe war da also schon viel Aufwühlung. An diesen sechsten Tag sollte es aber noch heftiger werden. Während der 13-Uhr-Sitzung zog ein schweres Gewitter auf und entlud sich über uns. Da gingen bei allen schon mal die Augen auf und guckten etwas besorgt nach oben. Ok… Augen wider zu. Und dann gab es nur noch einen riesen Plauz gefolgt von einem großen Aufbrummen. Augen wieder auf und gerichtet auf den Eingang der Frauen stach nur noch ein gleißendes Licht durch den Vorhang. Gleich war klar, dass das der Schaltkasten ist. An sich brauche ich ein paar Sekunden um mich aus dem Schneidersitz hochzubequemen aber hier stand ich sofort und rannte durch die Halle in den Flur vor den Kasten. Immer noch zuckten grelle Blitze durch und dann stand er in Flammen. F$&K!!! Feuerlöscher? Ich wusste, dass drei im Gebäude stehen aber in der Aufregung wusste ich nicht mehr wo. Also erstmal eine halbe Minute dumm rumgerannt bis mir eine der Server-Frauen einen Feuerlöscher in die Hand drückte. Pulverlöscher… Passt! Splint ziehen und nochmal tief einatmen. Kurz reingehalten und das Feuer war aus aber zur Sicherheit noch mal eine Ladung reinblasen. Dann stand ich da im Nebel von Rauch und Löschpulver. Überall klebte das Zeug an mir und es war auch nicht gerade schön das einzuatmen. Aber alles gut.
Krass war aber, dass meine Kollegen die Schüler in Seelenruhe in die Küche in Sicherheit geführt hatten und die keinen Mucks machten. Niemand sagte etwas. Die Lehrerin kam dann noch aus ihrem Zimmer und wunderte sich was los ist. Ich rannte noch mit dem Feuerlöscher durch alle Zimmer und schreckte ein paar Schüler die dort meditiert hatten „Ist alles in Ordnung hier???!!!“ Die wussten gar nicht wie ihnen geschah als ich alles Vorhänge wegriss. Musste ja checken, dass der Blitz nicht noch irgendwo anders durchgeschlagen hat. Einige Lampen, einen Ventilator und mein USB-Ladegerät hatte es zerhauen. Mist! Der Elektriker kam und hatte sich die Misere angeschaut. Später brachte er einen neuen Schaltkasten und wir arbeiteten bis in die späten Abendstunden um das Nötigste wieder anzuschließen. Problem war nämlich, dass wir auch kein Wasser hatten da die Pumpe nicht lief. Glücklicherweise hatten wir noch zig Kanister Trinkwasser und sammelten ein paar Eimer Regenwasser. Die Ansage von der Lehrerin an uns alle war noch, dass wir Wasser rationieren müssen. Also keine Toilette nach Pipimachen spülen und nicht duschen. Schön, wenn man total verschwitzt ist weil sich kein Ventilator dreht und ich hatte immer noch das ganze Löschpulver an mir kleben. Aber wir hatte es ja noch hinbekommen und am Tag darauf lief dann wieder alles rund.
Ja, kann ganz schön aufregend sein so ein Meditationskurs. Und es kann viel schiefgehen. Ich hab mir mal so ein paar Geschichten erzählen lassen. Das fängt banal damit an, dass auf Bali das Meditationszentrum vorübergehend geschlossen werden musste, weil da meist nur die jungen Backpacker teilnehmen und die zu wenig spenden, so dass das Zentrum und die Kurse nicht unterhalten werden können. Es gab ein Zentrum auf Penang hier in Malaysia, welches durch einen Erdrutsch zerstört wurde. Glücklicherweise fand zu dieser Zeit kein Kurs statt und niemand kam zu Schaden. Auf Taiwan zog während eines Kurses mal ein Taifun vorbei. Die Flut schwemmte die ganzen Autos der Teilnehmer vom Parkplatz weg. Die Meditationshalle wurde überflutet. Die eine Hälfte ließ sich evakuieren, die andere Hälfte harrte einfach eine Etage weiter oben aus und beendete den Kurs. Man lässt sich halt nicht aus der Ruhe bringen. Krass auch, dass einmal ein Mann mit Pistole vor dem Tor stand und seine Frau abholen wollte. Irgendwie hatte er wohl den Haushalt nicht allein auf die Reihe bekommen und war wohl hungrig.
So ein Kurs kann also in vielerlei Aspekten recht interessant sein. Wenn ihr Interesse habt, dann schaut doch mal auf www.dhamma.org. Dort findet ihr alle Infos. Die Kurse werden weltweit angeboten sind kostenlos werden aber nur über Spenden der Schüler ermöglicht. Wer sich nach Ruhe sehnt, dem Alltag wirklich mal konsequent entfliehen möchte, Stress abbauen will oder einfach nur seine eigene kleine Erleuchtung sucht, dem möchte ich die Vipassana-Meditation empfehlen. Vielleicht schreibe ich auch mal noch etwas über meine Erfahrungen als Schüler.
Bis denne