Liebt!

Das dritte Mal in Folge habe ich für die Nacht ein Dach über dem Kopf. Noch bevor ich mein Zelt auf dem Fußballrasen eines Dorfes aufstellen konnte, da kam Septian und bot mir eine Matratze bei Ihrer Familie im Haus an. Eine super Sache, regnete es doch die ganze Nacht bis in die Morgenstunden wie aus Kübeln.
Heute, als ich mal wieder eine Moschee als Nachtlager aufsuchte, da kam Ina auf mich zu. Sie ist hier Englischlehrerin an der islamischen Schule gleich nebenan und fragte, ob ich nicht lieber anstatt auf den Fließen der Moschee lieber in einem Bett schlafen möchte. Wie könnte ich da ablehnen?
Generell hatte ich mir den Islam in Indonesien wesentlich strenger vorgestellt. Auf Sumatra soll es auch so sein aber in dieser Ecke hier haben die Frauen keinerlei Berührungsängste. Klar, die Jugend sowieso nicht aber selbst in der Türkei gaben die älteren Muslima selten die Hand und auch im Iran war das höchst selten. Etwas, was für uns Europäer sozialer Standard ist, muss ich auf meiner Reise oft vorher erfragen. Oft fragen mich die Frauen auch nach einem Selfie mit ihnen und dabei ist das Gekicher der Freundinnen riesig.
Gestern Abend gabelte mich ein Ehepaar von der Straße auf und bot mir einen Platz in Ihren kleinen Häuschen an. Es war in einem kleinen Dorf, etwas abseits der Hauptstraße. Schmale, dunkle Gassen führten am Ende zu ihnen. Die Nachbarn und Familie waren völlig aus dem Häuschen. Ein riesiger weißer Mann! Alle drängten in das kleine Wohnzimmer um mich zu begrüßen.

Eine Besonderheit bot diese Familie. Sirag, der Ehemann, war Libyer. Es passte nicht so ganz in mein Bild aber ok. Wir hatten den Abend ein gutes Gespräch. Er erzählte mir von seinem Studium in Malaysia und vom Leben mit seiner Frau in diesem kleinen Dorf. Und natürlich kamen wir auch auf Libyen zu sprechen. Die Stimmung wurde da schon getrübter. Ein Land vom Bürgerkrieg zerrüttet. Ein Land, wo eigentlich niemand mehr weiß, wer gegen wen kämpft. An Gaddafis Diktatur gab es keinesfalls etwas schönzureden aber immerhin herrschte so etwas wie ein sozialer Frieden. Er erzählte mir, dass, als der Umbruch in Libyen seinen Lauf nahm und mehr und mehr rivalisierende Stämme, radikale Islamisten und „Regierung“ das Machtvakuum zu füllen versuchten, er sich nur mit einer AK47 auf die Straße traute. Der Großteil seiner Familie lebe noch in Libyen, sein Bruder sei Flüchtling in Leipzig. Er erzählte mir vom vielen Chaos der Zeit. Ich sehe die Trauer und Müdigkeit in seinen Augen.
Ich musste ihm gestehen, dass dies für mich alles nicht greifbar sei. Meine Generation ist – Gott sei Dank – in friedlichen Zeiten aufgewachsen. Wie gewaltig und schlimm der Krieg sein kann, dass kennen wir nur aus den Erzählungen unserer Großeltern. Dieser Abend brachte eine kleine Depression. Wir konnten keinerlei Verständnis für die Politik dieser Welt aufbringen. Da sitzen ein paar wenige Egomanen, Trottel und Besessene in den höchsten Ämtern dieser Welt – gewählt, erschlichen, geputscht oder geerbt – und sie kreieren Probleme und sie kreieren Feindbilder wo keine sind. Es geht ihnen nur um beschissenes Ego, Macht und/oder Ideologie und Religion.

Ich verliere mich gerade etwas und finde wohl keinen Punkt. Daher… Ich bin froh in Frieden aufgewachsen zu sein. Und ich wünsche mir das auch für die nachfolgenden Generationen, egal wo auf diesen Planeten. Erteilt Hass und Lüge eine Absage. Die Welt und an sich ist ganz in Ordnung. Das zeigen mir die vielen lachenden Gesichter auf meiner Reise.

Liebt! Das ist Gottes oberstes Gebot.