Neue Kiste

Ich hatte es ja schon angedeutet. Da die Kiste für den Flieger zu groß oder der Transport zu teuer ist, wurde es Zeit mich etwas zu reduzieren. Das ist das Ergebnis. Kleiner, leichter, smarter.

 

Von Shiraz nach Bandar Abbas

wieder kam ich mit den Einheimischen in Kontakt. Mal Bauern und mal auch Halbnomaden, bei denen ich mein Nachtlager nebenan aufbauen durfte. Ich frage mich wirklich, wie die ihren Lebensunterhalt bestreiten können? Die Gegend ist so karg und für das Vieh ist hier echt nicht viel zu fressen.

Die Datteln wachsen aber an den Palmen und ihr kräftiges Rot lässt mir das Wasser im Munde zusammenlaufen.

 

Bandar Abbas

Ich hab’s geschafft und mein letztes Ziel im Iran erreicht. Zugleich muss ich euch aber gestehen, dass ich die letzten 60 Kilometer huckepack genommen und gefahren bin. Ja-ja, ich ahne gleich den großen Aufschrei und sehe euch die Enttäuschung schon ins Gesicht geschrieben.  Das Klima hatte mir aber derart zu schaffen gemacht, dass ich keine andere Wahl sah. Ich hab ja schon allerhand mitgemacht. Vom Frost in Georgien über die ungarische Sommerhitze bis in die trockenen Halbwüsten des iranischen Hochlandes. Bis dahin war alles gut aber hier am persischen Golf… No way! Die letzte Woche habe ich mich in den Nächten nicht mehr zudecken müssen. Nur mit Shirt und Unterhose lag ich auf meiner Matte im Zelt und habe geschwitzt und geschwitzt und geschwitzt. Morgens kroch ich dann jedes Mal klatschnass und völlig fertig aus meinem Zelt. Schuld ist die immense Luftfeuchtigkeit. Es ist wie in der Sauna hier im Süden.
Gestern Morgen war es echt heftig. Ich hatte schwer Luft bekommen. Nach den ersten sieben Kilometern kam ich schon völlig fertig am ersten Laden an und machte Frühstück und ahnte schon, dass das nicht mein Tag werden würde. Weiter im Schritt geriet dann alles aus dem Ruder. Ich wurde sehr kurzatmig und mir wurde übel. Es war erst 10 Uhr Vormittags und nun ging nix mehr. Ich war kurz vorm Kollaps. Ein großes Wegweiserschild spendete Schatten und ich setzte mich, goss mir Wasser über den Kopf und trank. Weiterlaufen? Unmöglich! Ich versuchte ein paar Pickup-Trucks anzuhalten, die hier zuhauf umherfahren und nach einer halben Stunde erwischte ich einen Lkw mit freier Ladefläche. Der Fahrer war echt meine Rettung. Wir wuchteten meine Karren hoch und zurrten ihn fest. So ging es erst mal bis zu einem Hafengelände, zirka zwanzig Kilometer vor Bandar Abbas. Der Fahrer sprach mit der Verwaltung und die organisierten mir nach einer Weile einen weiteren Fahrer, der mich bis ins Stadtzentrum brachte, inklusive einer Runde über den Strand.
Für die letzten sechs Kilometer bis zu meinem Couchsurfing-Kontakt hatte ich dann noch ganze drei Stunden gebraucht. Je eine halbe Stunde laufen und dann für einen halbe Stunde in einen wohl klimatisierten Laden um zu trinken und zu ruhen. Immer im Wechsel. Bis zum Abend war dann nix mehr mit mir anzufangen aber heute fühle ich mich wieder wesentlich besser – Klimaanlage sei Dank.

 

Regen in der Wüste

Auch in der Wüste kann es regnen. Ziemlich heftig sogar. Heute ereilte mich ca 70 Kilometer südöstlich von Lar ein schwerer Gewittersturm. Blitz und Donner brachen über mich herein und der Wind fegte mich fast von der Straße. Könnt ihr euch kaum vorstellen.
Letztendlich aber hatte ich mich aber noch nie so über Regen gefreut wie an diesem Tag. Pitschnass war ich alles vorbei war aber es tat so gut nach den Wochen der Hitze und Trockenheit. Ein sehr glücklicher Moment.

 

Wie geht es weiter?

Morgen werde ich Shiraz verlassen und mich auf meine letzte Etappe nach Bandar Abbas begeben. Das wird nochmal ca. 14 Tage dauern. In Bandar Abbas muss ich dann zügig mein Indien-Visum beantragen und einen Flug nach Bombay buchen. Da bin ich auch schon bei einem Problem. Wegen meiner riesen Kiste habe ich diverse Airlines angeschrieben, die die Strecke von Bandar Abbas bzw. von Dubai nach Bombay bedienen. Fest steht, dass es Cargo ist. Zwei Airlines haben bis jetzt geantwortet und meinten, die Kiste sei zu groß. (Ja, WHAT?) Da hilft alles nix. Nun glaube ich, dass ich mich in Bandar Abbas zu einer großen Entscheidung bewegen muss. Die Kiste muss weg! Stattdessen werde ich mir wohl eine große Reisetasche besorgen und diese auf den Rahmen schnallen, welcher dazu noch weit eingekürzt wird. Ich habe in den letzten Monaten schon allerhand an Material aussortiert. Thermoskanne (nie benutzt) ist raus oder z.B. auch mein Benzinkocher (einmal benutzt) und meine Winterklamotten sind auch schon nach Deutschland verfrachtet worden. Alles unnötiges Gewicht und ich werde mich weiter reduzieren müssen. Für den Flug hätte ich dann maximal etwas Sperrgepäck der Aluprofile meines Rahmens wegen und auch so würde mir um einiges leichter werden.
Wenn ihr jedoch eine viel bessere Idee habt, dann gebt Bescheid.

Liebe Grüße aus Shiraz

 

Von Isfahan nach Shiraz … 13 Tage Härte und Herzlichkeit

Weiter ging es in Richtung Süden. Einen Tag bevor ich Shareza erreichte, stoppte mich ein Auto. Ein großer, vollbärtiger Mann, schwarz gekleidet stieg aus. Omid war sein Name. Er bot mir ein paar Früchte an und lud mich in für den nächsten Abend nach Shahreza ein. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Distanz bis zum kommenden Abend schaffen würde. So vereinbarte ich mit ihm den folgenden Morgen und nahm seine Nummer entgegen. Nun, ich war flott unterwegs und erreichte die Stadt doch schon am Abend aber Omid ging nicht ans Telefon. Sajad und seine Frau griffen mich in der Stadt auf und fragten ob ich Hilfe brauche. >>Naja, ich kann meinen heutigen Gastgeben nicht erreichen.<< Prompt wurde ich in das Haus der Schwiegermutter eingeladen. Da wurde ich wieder gut versorgt mit allerlei Köstlichkeiten. Es wurde Spät und Omid meldete sich. Er komme gerade aus Isfahan und ich solle doch bei ihm übernachten aber das Quartier wollte ich nun nicht mehr wechseln. Das tat mit voll leid ihn da zu enttäuschen. Es war halt schlecht abgestimmt.
Am nächsten Mittag, ich war schon voll in der Spur und rastete an einer Tankstelle, da kam Omid vorgefahren. Oh man, was geht jetzt?! Er war wirklich meinetwegen 30 Kilometer die Straße auf und ab gefahren um mir Essen und Trinken zu bringen. Wir unterhielten uns und in seinem gebrochenen Englisch erzählte er mir, dass er am Vortag mit seiner Familie in Isfahan zur Beerdigung seinen Bruders war, der nach zwei Wochen an den Folgen eines Unfalls gestorben war. Daher sein schwarzer Look und die etwas finster-traurige Ausstrahlung. Aber ich war echt begeistert, dass er sich die Mühe machte mich aufzusuchen und mich noch zu bewirten. Ein toller und echt lieber Kerl.

Über Izadkhast ging es weiter nach Abadeh. Am Stadtrand liegt eine Kaserne und auch in der Stadt sind viele Männer in Uniform unterwegs. Irgendwann fuhr ein Zivilwagen neben mir mit vier Soldaten. Alle lächelten und noch im Fahren fragte mich einer nach meinem Reisepass. Auf Deutsch quasselte ich sie voll >>Na wenn ihr mich kontrollieren wollt, dann müsst ihr schon anhalten<< und ging weiter meine Wege. Als hätten sie es verstanden setzten sie sich vor mich und stiegen aus. Nun etwas ernster hieß es >>Passport!<< Mhh. Zivilwagen und keine Name an der Uniform. Ich fragte also vorher nach deren Ausweis. Sie kramten in Ihren Taschen und keiner konnte mir was vorlegen. >>OK Jungs. Ihr könnt mir eure ID nicht zeigen, so zeige ich euch meine auch nicht und keine Auskunft weiter!<< Die haben blöd geglotzt, sich entschuldigt, sind wieder ins Auto rein und weg waren sie. Nach zwanzig Minuten kamen sie wieder und der Alte und ranghöchste der Truppe hatte nun seinen Militärausweis dabei. >>Sehr gut! Warum nicht gleich so?<< Dann ging alles seinen Lauf und ich wies mich aus. Sie blätterten durch meinen Pass und da wurde schon moniert, dass mein Visum doch abgelaufen sei. Die hatten echt von nix Ahnung und so durfte ich für sie einfach mal eine Seite weiter blättern, wo meine Verlängerung eingetragen war. Die hatten echt keinen Plan und über dieses unprofessionelle Vorgehen hatte ich mich verärgert doch höflich ausgelassen. Das hatten die schnell verstanden und sich mehrmals entschuldigt bevor sie dann endlich abgezischt sind. Da konnte ich nur den Kopf schütteln.
Bald darauf sprach mich ein Teenager auf seinem Rad an. Nach langem und guten Gespräch bot er mir an, mit nach Hause zu kommen. Er fragte seine Elten um Zustimmung und sie gewährten. Echt klasse. Wieder ein Dach über den Kopf, gutes Abendessen und Fußball-EM Deutschland – Slowakei. Danke Mohammad Reza und Familie!

Nach Abadeh ging es runter von der Hauptstraße. Ich wollte Ruhe und etwas abschalten. Ziel war Eqlid und für die kommenden Tage ein kleines Tal. In Summe ein Tagesmarsch Umweg.
Auch in Eqlid hatte ich wieder ein Dach über dem Kopf, als mich der Englischlehrer Mosis mich zu seiner Familie einlud. Es war ein besonderer Feiertag an dem viel Essen gekocht und an die Verwandten und die Armen verteilt wurde. Wir machten auf seinem Motorrad noch eine Spritztour durch die Stadt bevor die ganze Sippe zusammen kam und ausgelassen gespeist und gefeiert wurde.
Weiter nach Aspas und Sedeh übernachtete ich einmal bei Ziegenhirten. Man legete mir eine Matte bereit und so verbrachte ich die Nacht unter dem Sternenhimmel.
Dann kam ein Tag, der hatte es in sich. Ein Straßenabschnitt, so 15 Kilometer, waren einfach nur ein mieser Feldweg mit vielen, oft steilen Hügeln. Meine Sandalen versanken teils fast vollkommen im Staub und dann noch die Hitze. Phuuuuuu! Die Landschaft erinnerte mich an Bilder aus New Mexico. Ich war mir nicht sicher, ob ich mit der Route richtig lag. In einem kleinen Dorf sahen zwei kleinen Kinder den Fremden und rannten erst mal zu Papa. Während ich meine Füße in einen kleinen Bach hielt und meinen Hut mit Wasser durchtränkt wieder auf meinen Kopf setzte, kam auch schon der Papa mit einer Kanne eisgekühltem Wasser und bot mir zu trinken an. Auch wenn ich zig Flaschen Wasser mit mir führte, eiskalt war in diesem Moment genau das Richtige. Am anderen Ende des Dorfes ging es dann endlich wieder auf Asphalt weiter bis in einen hübschen kleinen Ort namens Cham-e-Riz. Ziemlich sicher bin ich hier der erste Ausländer seit fünfzig Jahren gewesen. Es ist weit abgelegen, mitten im Nichts. Ich fragte ein paar Leute auf den Reisfeldern, ob ich nicht auf einen der abgeernteten Parzellen campen könne und es nett wäre, wenn diese über Nacht nicht geflutet würde. Da wurde nicht lange überlegt und Huck(-leberry) lud mich zu sich und seiner Familie ein.
Also ich kann echt nicht klagen. Wie ihr lest, haben die Leute hier ein wirklich großes Herz und so oft wie ich hier versorgt und eingeladen werde… Es ist echt klasse und erfüllt mich mit so viel Freude.

Kurz bevor ich wieder an die Hauptstraße nach Shiraz kam, stoppte mich die wieder mal Polizei. Bis auf einen Bullen waren hier im Iran die Polizisten immer sehr freundlich, so auch diese. Wie immer wurde zuerst nach meinem Pass gefragt und dann wollte man meinen Wagen kontrollieren. OK, Luke auf. Sie kramten nicht lange und fanden mein Pfefferspray. Der Besitz sei illegal im Iran, es sei denn, man habe eine Lizenz dazu oder man sei Polizist. Die Gesichter wurden sehr ernst und man rief ein paar Kollegen dazu. „Oh man! Jetzt gibt’s Ärger.“ dachte ich. „Was geht jetzt wohl ab?“ Mein Wagen wurde wieder huckepack auf einen Pick Up geladen und ich in einen der Polizeiwagen verfrachtet. Auf Handschellen hatte man aber verzichtet. Mir war echt nicht wohl auf der Fahrt zur Wache und tausende Gedanken schossen mir durch den Kopf was passieren könnte. Eine Woche hinter Gittern, plus Hundert Stockschläge, plus 1000 USD Strafe, plus Ausreise binnen 48 Stunden. Der Trip steht auf der Kippe. Ohhh mein Gott!
Da saß ich nun auf der Wache und atmete erst mal tief durch und versuchte Ruhe auszustrahlen. Endlich kam jemand, der vernünftiges Englisch sprach. Wir plauderten und und ich erzählte von meiner großen Reise. Zwischenzeitlich wurden auch noch die Bilder auf meiner Kamera gesichtet. Es ist verboten im Iran Bilder von Infrastruktureinrichtungen wie z.B. Kraftwerken, Staudämmen, Chemiewerken oder auch Militäreinrichtunen zu machen. Da gab es aber nichts zu beanstanden. Dann zurück zum Spray. Ich erklärte ihnen, dass ich es in Deutschland erworben habe und es lediglich zu Verteidigungszwecken auf meiner langen Reise einsetzen würde. Ich übersetzte ihnen die Hinweise auf der Dose. „Abwehrspray gegen angreifende Tiere… Es ist verboten das Spray gegen Menschen einzusetzen… bla bla bla…“ Man verschwand wieder und nach einer Weile wurde es mir wieder ausgehändigt. Ein Bericht wurde angefertigt mit Inhalt zu meiner Person, meines Vorhabens und dass es nichts zu beanstanden gibt. Mir wurde echt leichter aber etwas ungläubig wurde ich auch.
Das war wohl einfach nur gaaanz großes Glück was ich da hatte und ich würde jedem empfehlen das Zeug nicht einzuführen. Es gibt keinerlei Garantie, dass ein anderer genauso glimpflich davon kommt. Das war nicht mal ein blaues Auge.

Als freier Mann konnte ich nun einen Tag später nach Shiraz einkehren. Gutes Gefühl!