Henry und Reiseführer Rico

Mitte Februar kam mich Freund und Rugby-Kenner Henry aus Deutschland besuchen. Die fünf Tage, die wir aktiv zur Verfügung hatten mussten auch genutzt werden. So fuhren wir gleich nach seiner Ankunft in der Nacht am frühen Morgen mit dem Zug nach Kutaissi. Für die knapp etwas mehr als 200 Kilometer brauchte der Zug über fünf Stunden. Es war also sehr gemütlich und eine kleine Truppe Jugendlicher unterhielt uns teils lautstark mit ihren Gitarren und Gesängen. Die Gegend um Tiflis wirkte sehr karg. Trocken ist das Land. Das änderte sich, als wir in die Berge um die Stadt Borjomi trafen. Georgien ist klimatisch zweigeteilt nun war im Westteil des Landes wieder ein üppiges Grün zu sehen.
Wir besuchten die Bagrati-Kirche und hatten dabei die Gelegenheit, der Taufen eines kleinen Säuglings beizuwohnen. So schnell, wie der Priester seine Gebete runterbrabbelte, war es kaum verwunderlich, dass nicht nur wir beide nur Bahnhof verstanden. Ein interessanter Einblick in die Liturgie war es jedoch wieder allemal. Am darauffolgenden Tag trampten wir zum Kloster Gelati, nordöstlich der Stadt. Erstmal hatten wir uns in ein kleines schwarzes Auto verguckt. Marke und Alter unbekannt aber es hatte Stil. Henry wollte es schon so manchen fahrbaren Untersatz am liebsten nach Deutschland überführen. Bis auf das bessere Wetter hatte sich seit meinem letzten Besuch hier wenig verändert. Über dem Ort ruht eine friedliche Stille. Genau richtig um etwas innezuhalten und die Anlage innen wie außen gediegen zu betrachten. Nach einem Stadtbummel waren noch die Prometheus-Hölen angesagt. Das war mein erster Besuch einer Tropfsteinhöhle und ich kann sagen: „Beeindruckend!“. Nur die oft schrille Beleuchtung traf nicht unbedingt den Geschmack der Besucher.
Kulinarisch hatte ich Henry die wichtigsten typisch georgischen Speisen nahe gebracht. Na ja, wir hatten ordentlich reingehauen und in den Kelch geschaut. Khachapuri, Khinkali, Lobio, Lobiani, etc. Er gestand mir, nach seiner Rückkehr in Deutschland zweieinhalb Kilogramm mehr auf die Waage gebracht zu haben. Mir ist wohl kaum anders geschehen und so habe ich mich vorerst auf Diät gesetzt. Kein Fleisch und Alkohol für vierzehn Tage. So ein Vorsatz sorgt bei vielen Georgiern für Verwirrung.
Die Rückfahrt nach Tiflis stand auf dem Plan, aber nicht ohne noch schnell in Gori, der Geburtsstadt Stalins vorbeizuschauen. Wir suchten die Marschrutka und ein Herr wies uns den Bus zu. Nochmal nachzufragen, ob es der Bus auch wirklich nach Gori fährt, kam uns nicht in den Sinn. Ende vom Lied: Es war der Bus nach Tiflis und der Fahrer hatte uns einfach an der Autobahnabfahrt abgesetzt. Oh man! Also für die letzten vier Kilometer nochmal den Daumen raus. Das Stalin-Museum ist für meine Begriffe echt nicht überragend aber wenn man schon mal in Georgien ist, sollte man das mitnehmen. Gori selbst ist eine schmucklose Stadt, die eben nichts weiter als dieses Museum zu bieten hat. Darum nur ein Zwischenstopp für ein paar Stunden.
Zu guter Letzt wurde Tiflis unsicher gemacht. Rauf auf die Berge mit der Seilbahn oder dem Funikular um sich einen Überblick von der Stadt zu verschaffen. Mara war wieder aus Aserbaidschan eingetroffen und so glänzten wir zu dritt hoch oben auf dem Riesenrad der Stadt. Der Besuch der Sameba-Kathedrale, ein Neubau, war für mich persönlich ein kleines Highlight. Es war Messe und der riesige Raum voller Menschen. Generell sind hier die Kirchen sehr gut besucht. Es erklangen wunderschöne orthodoxe Choräle. Leider vom Band aber dennoch sorgten sie für Gänsehaut. Die Atmosphäre war überwältigend und beeindruckend. Noch kurz erwähnt: In den Kirchen hier gibt es keine Bänke zu Sitzen. Daher steht man oder wie so viele kniet man nieder.
Zurück zum Weltlichen. Amélie’s Abschied aus Georgien stand bevor. Das hieß nochmal richtig feiern gehen. War ’ne tolle Sause und ich danke an dieser Stelle für die paar Wochen mit dir als Mitbewohnerin und Freundin.
So Henry… Ich hoffe du hast die Zeit hier genossen? Es war großartig dich hier zu sehen und um die Häuser zu ziehen. Vielleicht sieht man sich mal wieder in einem anderen Teil der Welt? Das geht natürlich an alle zu Hause. Besuch ist gern willkommen!

 

Henry Wilhelm / GERMANY

Eine der interessantesten Fragen, die mir in Georgien gestellt wurde, war: Besuchst Du jetzt Rico oder Georgien?

Ich würde sagen: Beides, aber in jedem Fall wollte ich Rico auf seiner Reise um die Welt besuchen. Das war mir am Wichtigsten. Sein Reisetempo allerdings passte anfangs nicht zu meiner Zeitplanung. Zu schnell war er in Istanbul. Hut ab erst mal für diese Leistung!

Das Überwintern dann, in Georgien, kam daher gerade recht. Sehr hat mich das Land interessiert, also Flug gebucht, Rucksack gepackt und los ging’s.

In Georgien angekommen bin ich dann am Montag um Mitternacht, Ortszeit. 3 Stunden vor der deutschen Zeit. Das Wiedersehen mit Rico war herzlich. Nein, er hat sich nicht groß verändert. Gewicht verloren, entspannter Blick („Läuft!“) und glücklich sieht er aus.

Ich möchte nicht zu viele Einzelheiten erzählen, sondern lasse nachher noch ein paar Bilder sprechen. Was prägte mich aber bisher, so einen Tag vor der Abreise?

Land und Leute! Das Essen und Trinken, die Landschaften, die Städte Tblisi, Kutaissi und Gori (die Geburtsstadt Stalins). Die Mini-Busse, die sich nur scheinbar chaotisch um dem Transport der Menschen auf mehr oder weniger ausgebauten Straßen kümmern. Die Kirchen, viele Kirchen. Die Infrastruktur und das Stadtbild allgemein.

Hier in Georgien gäbe es viel zu tun. Viel zu verwöhnt bin ich vom Zustand der Häuser und Straßen in Deutschland.

Rico lebt hier bis zu seiner Abreise in einer WG. Von Außen Ui… , von Innen „Passd scho“! Dankbar habe ich Couch und Bett aufgenommen und freue mich sehr über die Gastfreundschaft, die auch meine nicht funktionierende Bank-Karte kompensieren kann (kriegste alles wieder!). 

Bevor ich es vergesse: Air-Hockey. Wir brauchen unbedingt einen Air-Hockey Tisch, in Deutschland oder beim nächsten Treffen irgendwo auf der Welt. Nach kurzen, aber epischen Gefechten steht es 2:2 zwischen Rico und mir. Ein riesen Spaß!

Morgen fliege ich zurück. Es war eine herrliche Woche, ich freue mich dennoch auf die Heimat. Anbei noch ein paar Fotos, die ich mit meiner Handy-Knipse geschossen habe.

Zum Schluß bleibt mir ansonsten nur zu sagen:
Wenn ihr die Gelegenheit habt, Rico zu besuchen oder zu begleiten: Tut es. Es wird sich in jedem Fall lohnen!

 

APNCS Dayhome

Was ich so in Georgien treibe?
Sein Mitte Januar habe ich einen Freiwilligendienst in einer Tageseinrichtung für Behinderte angetreten. Eine gute Möglichkeit hinter die Kulissen und in die Gesellschaft des Landes zu schauen. Behinderte sind eben auch ein Teil der Gesellschaft und haben es je nach Land und Region leichter oder schwerer am Alltag teilzunehmen. So, wie ich mich umgehört habe, trifft letzteres wohl auf Georgien zu. Nichtsdestotrotz gibt es auch hier in Tiflis Einrichtungen wie das APNCS Dayhome (Association for People in Need of Special Care, Verein für seelenpflegebedürftige Menschen), die Gehandicapte betreuen, mit ihnen arbeiten und Aufmerksamkeit schenken.
Bei den Betreuten handelt es sich i.d.R. um Personen mit Störungen kognitiver Fähigkeiten wie z.B. beim Down-Syndrom. Oftmals wirken sich diese Einschränkungen dann auch noch auf die motorischen Fähigkeiten aus. In Summe ist es eine bunte Truppe mit vielen unterschiedlichen Charakteren und die Therapeuten und Pädagogen meistern einen guten Job an ihnen.
Verschiedene Workshops werden angeboten. Vom Papierrecycling und Buchbinden, Kerzengießen, über Körbeflechten bis Holzbearbeitung ist allerhand Angebot vorhanden. Die Endprodukte werden dann auf Märkten vertrieben. Gewinndeckend lässt sich aber nicht arbeiten. Alles geht sehr langsam und mit einem Tempo wie jeder selbst kann und will. So ist die gesamte Einrichtung auf Spenden und Stiftungen angewiesen. Mein Eindruck aber sagt: Es lohnt sich. Für georgische Verhältnisse ist es eine sehr moderne Einrichtung und der Umgang mit den Gehandicapten ist sehr herzlich und fürsorglich.

Für einen kleinen Eindruck könnt ihr auch deren Facebook besuchen: https://www.facebook.com/profile.php…

Für mich bedeutet die Arbeit in dieser Tageseinrichtung eine willkommene Abwechslung und ein warmes Mittagessen. Auf eine Art kann ich vielleicht auch so wieder etwas von dem dem Guten und den herzlichen Gesten zurückgeben, von denen ich auf meiner Wanderung allzu oft bekommen habe.

Typisch Georgien (?)

Mitte Dezember organisierte das Hostel in dem ich wohnte einen Ausflug nach Gudauri. Das ist ein Skiort inmitten des Großen Kaukasus‘, ca. 30 Kilometer vor der Grenze zu Russland.
Früh um 9 Uhr startete unser gecharterter Kleinbus mit knapp 20 Personen in die Berge. Alle waren noch verpennt und dementsprechend friedlich war die Stimmung. Bei blauen Himmel und Sonnenschein wand sich unser Bus die Serpentinen hoch in den kleinen verschneiten Ort.
Ich stand noch nie in meinem Leben auf Brettern und da ich alles andere als ein gebrochenes Bein gebrauchen konnte, entschied ich mich für etwas vollkommen anderes. Als kleines Geburtstagsgeschenk an mich selbst, gönnte ich mir einen Gleitschirmflug. Einfach mal abheben! Die Bedingungen waren – abgesehen von der eiskalten Luft die mir um die Nase wehte – perfekt und ich hatte wirklich Bock drauf. Genießt die Bilder

 

 

Nach dem Spektakel gesellte ich mich zu einem Teil unsere Gruppe, welche gerade ein Picknick vorbereiteten. Jeder von uns hatte etwas mitgebracht und wie ich sicherlich schon mal in einem Beitrag angemerkt hatte, fließt in Georgien oft der Hochprozentige. Tschatscha heißt das Zauberwort, ein Selbstgebrannter mit um die 80% Alkohol aus der Zweieinhalb-Liter-Flasche. Uhhhhh der brannte! Zwei alte Damen begannen mit Trinksprüchen und jeder erhob das Glas. Ich hatte mich schon etwas zurückgehalten. Nicht so eine Mitte 35 Jahre alte Frau, die mit ihrer Schwester und ihren Beiden Töchtern (14 und 15 Jahre alt) und Neffe dabei war. Ich glaube fast, die hat die halbe Flaschen Tschatscha allein gesoffen. Die hat sich mindestens zehn mal hingelegt und ihr musste immer wieder aufgeholfen werden. Ihrer Schwester und den beiden Töchtern war dies mehr als peinlich.
Nach jeder Menge Feierlaune ging es irgendwann zurück in den Bus. Wie auf der Hinfahrt lief auch hier immer wieder die gleiche CD mit der Partymugge hoch und runter. Irgendwann fanden die drei Kids noch eine halbvolle Flasche Wodka im Bus und begannen diese zu leeren. Die Mutter war noch unablässig in Feierlaune und generell begann die Hälfte der Leute, wie auch ich, im Gang des kleinen Bussen zu tanzen. Irgendwann musste der Bus ganz schnell Halt machen und ich sah nur noch wie die Mutter mit iehrer 14-jährigen Tochter raus sprangen und zu kotzen begannen.  OMG
Weiter ging die Fahrt und weiter die Party. Die 14-Jährige hatte es irgendwie drauf und begann irgendwann den Chinesen in unserer Truppe mit allen Mitteln der Körpersprache anzutanzen. Dieser war echt zurückhaltend und ich mag ihm keinen Vorwurf machen aber irgendwann saßen die beiden nebeneinander und fingen an sich rumzubeißen. Die Mutter war mittlerweile tief schlafend in ihren Sitz eingesunken und Kofi, ein Nigerianer, und ich schauten uns nur noch kopfschüttelnd aber lachend in die Augen „WTF…?!“ → Typisch Georgien (?)

 

Neue Bleibe

Nach langer Pause ist es nun mal wieder an der Zeit etwas von mir hören zu lassen. Nachdem ich meinen Laptop softwaretechnisch geschrottet hatte, läuft er nun wieder und ich kann euch so wieder einmal mehr tolle Berichte und Anekdoten, Bilder und Videos zukommen lassen.

Am 8. Dezember letzten Jahres hieß es „Umzug“. Ich hatte mir in der Stadt zwei Wohnungen angeschaut in denen ich ein Zimmer mieten wollte. Na ja, die erste Wohnung war ein kompletter Reinfall. Sie befand sich in einen Block wie man ihn aus der alten Sowjetunion kennt. Um mit dem Fahrstuhl nach oben fahren zu können, musste man 10 Tetri einwerfen. Mir wurde die Wohnung vorgestellt und was soll ich sagen…? „Oh mein Gott!“ Der Bodenbelag war bestimmt noch original aus der Zeit des Erstbezuges, das Bett war für meine Statur viel zu klein und knüppelhart, im Waschbecken war ein riesiges Loch aus der Keramik geplatzt, der Kühlschrank war defekt und prinzipiell war alles ranzig, verdreckt und runtergekommen. Und das alles für 150 USD/Monat + Nebenkosten. :(( Ich sage es nochmal „Oh mein Gott!“
Es konnte nur noch besser werden. Die zweite Wohnung war dann schon der Volltreffer. Von außen macht das Haus wirklich nicht viel her. Das olle Grau der Fassade lud mich nun nicht gerade ein aber innen war alles neu renoviert und ordentlich hergerichtet. Und das alles für 150 USD/Monat + Nebenkosten.  Ich stellte mich den Hausdamen vor und wir führten ein entspanntes Gespräch. Am gleichen Abend hatte ich dann schon die Zusage. Meine Mitbewohnerinnen sind Nilly aus Suriname (Südamerika) und Amélie aus Deutschland. Ich denke, ich habe es wirklich ganz gut mit ihnen getroffen.

Am 9. Dezember war auch schon mein Geburtstag und das Wochenende drauf wurde etwas gefeiert. Ich hatte mal wieder so richtig Bock auf ein Chili und wer mich kennt weiß, dass ich es so richtig scharf mag. Manchmal ist es etwas schwierig die richtigen Zutaten zu bekommen aber hier in Tiflis ist das noch gut zu bewerkstelligen. Ich erinnere mich, dass ich mit ein paar Leuten in Kutaissi „chinesisch“ kochen wollte und es fast daran gescheitert wäre Curry und Sahne aufzutreiben. Nun letztendlich wurde ein riesiger Topf Chili Con Carne gekocht und es tat so gut in meinem Munde. Ich habe noch etwas von dem schweißtreibenden Zeug eingefroren. Für eine kleine Weihnachtsfeier hatte ich auch noch eine Lasagne zubereitet. Ahhhhh es war sooooo lecker und nach so langer Zeit ein echter Wohlgenuss.

Türkei-Revival 2/2

Nach dem Abschied von meinen Freunden aus der Heimat machte ich mich per Anhalter auf nach Ankara. Ich hatte meinem alten Bro und Gastgeber Ersin schon bei meinem ersten Türkei-Besuch versprochen, dass ich mich im Winter nochmal blicken lassen werde. Es war wie bei meinem ersten Besuch. Gastfreundschaft wird großgeschrieben. Wir besuchten ein von Studenten kreiertes Musical an der Uni, lauschten Konzerten und zogen durch die Pubs. Wenn mich Ersin in Ankara nicht an die Hand genommen hätte, hätte ich an der Stadt wohl nie Gefallen gefunden. Sie ist nicht gerade touristisch erschlossen und man muss einfach wissen wo was geht. Da ist ein persönlicher Guide einfach optimal.
Ebenfalls per Anhalter ging es nach Kappadokien, einen Landstrich, der schon seit Jahren auf meiner Liste steht. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Verabredet war ich mit Mara, einer deutschen Frau die in Baku [AZ] arbeitet, in Antalya gerade Türkisch lernt, ich aber in Tiflis kennenlernte. Ist kompliziert, ich weiß.  Jedenfalls war es toll, dass sie sich dieses Wochenende mir anschloss und so erforschen wir gemeinsam die Region.
Das Herz Kappadokiens ist eine aus Vulkanasche und durch Erosion entstandene Landschaft, die sehr bizarr und unwirklich wirkt. Kegel aus weichen Tuffstein ragen hervor in welche schon vor tausenden von Jahren Höhlen geschlagen wurden und diese als Behausung dienen. Ganze unterirdische Städte wurden angelegt und besonders berühmt sind die Felsenkirchen.

Eine Gegend, die zum Träumen und Staunen einlädt.