Diese Weite

Ich bin immer wieder von dieser riesigen Weite beeindruckt. Stück für Stück, Meile um Meile tragen mich meine Füße zum nächsten Horizont. Es scheint, als gäbe es hier kein Ende. Es ist einfach nur weit, weit, weit.

Gerade liege ich in meinem Zelt am Rand der kleinen Stadt Hugo. Der Klang der Grillen und Frösche macht den Abend so friedlich. Vorletzten Abend, mein Zelt war schon an einer Nebenstraße aufgestellt, hielt ein Pick Up Truck. Ich sei auf Privatgrund und an sich sollte ich keine Probleme mit den Eigentümer, Nachbarn oder der Polizei bekommen, aber wenn ich Sicher gehen will, könne ich mit zu seinem Haus. Abgemacht, solange er mich am kommenden Morgen wieder an der Hauptstraße absetzt, denn zu weiteren fünf Kilometer ins Hinterland war ich nicht mehr gewillt. Also schnell wieder gepackt und mein Karren aufgeladen. Hosia, so sein Name, hatte dieses in die Jahre gekommene Haus erst erworben. Er selbst wohnt in einem Wohnwagen bis das Haus wieder hergerichtet ist. Für mich war das Haus perfekt mit einem recht bequemen Feldbett, heißer Dusche und Waschmaschine. Und während ich ein paar kleinete Reparaturen an meiner Ausrüstung vornahm, bereitet er auch noch Abendessen zu. DANKE dafür, Hosia.

Heute Morgen war es nach zweieinhalb Stunden Marsch Zeit für Frühstück bei Subway in Limon. Die junge Frau vor mir in der Reihe bemerkte, dass ich ziemlich fertig war mit den Worten ‚… dass ich die Bestellung wohl nötiger hätte‘ und wollte mich vorlassen, was ich danken ablehnte. Ich zeigte ihr durch das Fenster meinen Wagen und erklärte ihr was ich mache. Und dann fragte sie mich, was ich möchte und sie übernahm gleich meine Bestellung. Vielen lieben Dank an diese wundervolle junge Dame Desiree. Du hast mir echt den Tag versüßt.

Es wird ernst

Es wird ernst Letzten Freitag verabschiedete ich mich von Marco, Elise und Tochter Amber. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ganz herzlich für die gute Bewirtung, das Dach über dem Kopf, die vielen Lacher und alles was ihr mir ermöglicht habt bedanken. Es war einfach wunderbar an eurem Leben etwas teilhaben zu dürfen. DANKE!

Mein Ziel bis zum Sonntag war dann Castle Rock, südlich von Denver. Ich hielt mich auf meinem weg östlich der Stadt. Die Präriehunde begrüßten mich mit ihrem schrillen Pfeifen und morgens sah ich die Antilopen sich in den ersten Sonnenstrahlen wärmen. Ich selbst hab erst einmal gut mit der Höhe zu tun. Unter Last mit dem Karren hinten dran sich die Hügel auf bis zu 2000 Meter hoch zu bewegen bin ich echt nicht mehr gewohnt. Mir geht hier ordentlich der Puls. Am zweiten Tag war ich vier Uhr Nachmittag und nach 30 km schon so fertig, dass ich an einem Haus klopfte und freundlich fragte, ob ich mein Zelt auf dem Rasen aufstellen dürfe? Betty, ein 84-jähriges Großmütterchen öffnete mir die Tür und hatte nichts dagegen. Als ich dann noch nach dem Gartenschlauch fur meine Körperpflege fragte, bot sie im eine heiße Dusche im Haus an, was ich gern annahm da die Temperaturen besonders in den Abendstunden immer noch sehr, sehr kühl sind. Den Morgen darauf setzte der angekündigte Regen ein. Zusammen mit Betty schlürfte ich noch einen heißen Kaffee unter dem Vordach bevor ich mich aufmachte. Ich sage immer wieder: Es sind diese kleinen Gesten, die meine Reise so großartig machen. Die 25 Kilometer bis Castle Rock bei diesem nassen und kalten Regen waren einfach nur bähhh. Das machte echt keinen Spaß aber ich wurde erwartet.

Auf meiner letzten Etappe lernte ich das Ehepaar Kathleen und Stu auf einem Campingplatz in Montana kennen und damals sagtensie, wenn ich schon nach Denver komme, dann könne ich auch gern in Castle Rock Halt machen. Und hier bin ich nun. Es erwartete mich wieder eine heiße Dusche und ein richtiges Bett. Und natürlich konnte ich auch am Familienleben teilhaben. Es war Muttertag und Kathleens Tochter kam mit ihrer Familie vorbei. Bei Tacos und Eiscreme hatten wir uns allen viele wundervolle Geschichten zu erzählen. Es war wirklich unterhaltsam. Heute lud mich Kathleen noch zu einem Ausflug ein. Bei Colorado Springs besuchten wird den Garden of the Gods. Das sind recht imposante Felsformationen und auf jeden Fall einen Abstecher wert.

Schon auf dem Hinweg aber thronte vor und der Pikes Peak. Motorsportfans ist dieser Berg sicherlich ein Begriff. Bis ganz nach oben auf den Gipfel konnten wir leider nicht fahren, denn was ich gestern als Regen abbekam, landete dort als Neuschnee. Dennoch war der Ausblick und die Szenerie einfach nur überwältigend.

Liebe Kathleen, lieber Stu… Auch euch kann ich einfach nur DANKE sagen. Danke für eure Gastfreundschaft und die viele Bereicherung.

Morgen geht es nun straff Richtung Osten. Die Berge werde ich nun endgültig hinter mir lassen. Raus aus den urbanen Gegenden geht es nun aufs Land hinaus mit ruhigen Straßen, kleinen Ortschaften, viel Weite und hoffentlich weiteren außergewöhnlichen Begegnungen. Nach dem kleinen Warmup wird es nun also wieder ernst.

Noch einmal in den Rocky Mountains

Denver liegt östlich der Rocky Mountains und so führt mein Weg nicht wirklich noch einmal in die Berge. Das Wetter versprach kühl aber sonnig zu werden und so bot mir Marco einen kleinen Ausflug an. Zwei Autostunden entfernt hat er ein Grundstück, welches er mir schon bei meinem letzten Aufenthalt zeigen wollte.

Die Szenerie war wieder einmal überwältigend. Wir fuhren auf den über 3000 Meter hohen Kenosha-Pass hinauf. Der Schnee war lange noch nicht weggeschmolzen und die Temperaturen lagen nur knapp über 0°C mit einer recht steifen Briese. Hinter dem Pass öffnete sich dann ein weites Hochtal. Einfach nur WOW.

Nachdem mir Marco sein Grundstück zeigte und wir uns mit irgendwelchen Militär-Food-Packs verköstigt hatten, ging es ganz gemäßig über das Tarryall Reservoir ein wunderschönes Tal hinab. In dem kleinen Nest Florissant wärmten wir uns im Thunderbird Inn, einer urigen Kneipe noch einmal auf, bevor wir den Heimweg antraten.

Ich machte Marco einen Vorschlag zur Route und diesmal war ich zugegeben ein mieser Navigator. Es dauerte nicht lange bis der Asphalt in Waldwege überging, mit teils tiefen matschigen Pfützen, steilen Hängen und riesigem Geschaukel im Auto. Nur gut, dass wir nicht den VW CC, sondern den großen Truck genommen haben, sonst hätten sie uns später mit dem Hubschrauber suchen können.

Auf jeden Fall war es ein sehr abenteuerlicher Tag mit viel Spaß und Staunen.

Mein Gepäck ist da

Mein Gepäck ist nun letzte Nacht geliefert worden. Alles ist vollständig und so konnte ich heute meinen Wagen aufbauen und weitestgehend vorbereiten.

Meine Freunde und Gastgeber Marco und Elise unterstützen mich bei meinen Vorbereitungen wie sie nur können und machen alles möglich. Ein großes Dankeschön dafür. Ihr seid spitze! 🤗

So fühle ich mich gut motiviert und habe richtig Bock wieder unterwegs zu sein.

Zurück in den USA

Gestern Nachmittag bin ich müde aber glücklich in Denver angekommen. Mein Gastgeber vom letzten Mal, Marco und seine Familie haben mich wieder herzlich in ihren vier Wänden willkommen geheißen. Etwas besseres kann erst einmal nich passieren und ich danke euch vielmals.

Was allerdings nicht angekommen ist, sind meine beiden Gepäckstücke. Der erste Flug von Berlin nach London startete verspätet und ich musste zu meinem Anschlussflug fast schon rennen. An den Infotafeln stand schon, dass das Boarding schließt.

Die Einreise in die USA verlief super einfach. Nur an der Gepäckausgabe warteten ich und ein paar weitere Reisende vergebens. Alle Formalitäten diesbezüglich sind gemacht. Nun musste nur noch British Airways zu Potte kommen und mir mein Zeug liefern.

Meinen Karren haben wir auch schon aus dem Keller raufgeholt. Den werde ich dann wieder in den reisefertigen Zustand setzen. Wir waren heute auch gleich noch Verpflegung einkaufen und kurz auf dem Baumarkt. Es sind einfach nur ein paar Kleinigkeiten vorzubereiten und ich denke am Freitag stehe ich dann wieder in den Sandalen. Bis dahin.

Denver

Die letzten 110 Kilometer und letzten drei Tage liegen nun auch schon hinter mir. Vielleicht kennt ihr das Gefühl, wenn man einem Ziel näher kommt, dass es sich dann doch etwas zäh wird. Beim Verlassen von Estes Park und musste mehrmals die Straßenseiten welchen da sich immer irgendwo in der Stadt Hirsche die Zeit vertrieben und denen solle man einfach nicht zu nahe kommen. Bevor sich die Landschaft wieder breit öffnete, musste ich durch einen langen Canyon. Die Strecke war durch ihre vielen Kurven unübersichtlich und der Verkehr enorm. Die meisten Fahrer dachten wohl, sie seien bei einem Hill Climb Race am Pikes Peak. Das war nicht nur alles super Nerven raubend sondern auch super gefährlich. Nur kurz vor Lyons, meinem Tagesziel, hatte ich dann endlich die Gelegenheit auf eine kleine Nebenstraße auszuweichen.

Der Rest verlief dann doch recht unspektakulär. Die Straßen sind meist im Schachbrettmuster angeordnet und durchnummeriert. Die Kantenlänge eines Quadrats entspricht dabei einer Meile (1,6 km), wofür ich etwas mehr als 20 Minuten benötige. Das macht die Berechnung der Strecke auf mit einem Blick auf die Karte möglich.

10. September 2022… Und dann war ich auch schon in Commerce City, einer der Satellitenstädte Denvers. Hier hatte mich Marco, der Bruder meines guten Kumpels Felix, samt seiner Familie herzlich empfangen. Ein geräumiges Gästezimmer und eigenes Bad. Luxus pur für jemanden, der sonst meist im Zelt schläft und sich mittels Wasserflasche wäscht.

Marco hatte sich die Tage immer ein paar Stunden frei nehmen können. Wenn ich mir etwas anschauen wolle, dann solle ich es nur sagen. So war auf jeden Fall erst einmal Denvers Downtown angesagt. Einfach zwei Stunden bummeln und einen Happen essen. Das war es auch schon.

Einen anderen Tag machten wir uns zum Pawnee National Grassland auf. Wie der Name es vermuten lässt, ist es eine weit offene Graslandschaft. Wir folgten ein paar staubigen Pisten bis unweit vor Nebraska und machten hier und da einen kurzen Halt um die Aussicht und Stille zu genießen. Das waren tolle Momente hier.

Auf den Rückweg machten wir im Restaurant Pepper Pod Stop, welches für eine besondere Spezialität bekannt ist – „Rocky Mountain Oysters“ also Bergaustern. Und wer jetzt Meeresfrüchte echt nicht ausstehen kann, den kann ich beruhigen. Hierbei handelt es sich nämlich um frittierte Bullenhoden (Ich weiß… das ist viel besser). Unsere waren in Streifen geschnitten und sahen wie kleine Schnitzel aus. Und es brauchte uns auch keine große Überwindung. Einfach rein in den Mund. Von der Konsistenz etwas fester und feiner, war es geschmacklich einem Schnitzel gar nicht mal so fern. Vielleicht lag es aber auch daran, dass es so tief frittiert war.

Ein weiteres kleines Highlight war das Rocky Mountain Arsenal National Wildlife Refuge. Früher eine Militäreinrichtung, dient es heute großen wie kleinen Tieren als Rückzugsort am Stadtrand von Denver. Und neben den bekannten Präriehunden und Rehen gab es hier zu unserer Überraschung tatsächlich Bisons zu sehen. Damit war das Ende dieser Saison wirklich gelungen.

An dieser Stelle ein großes Danke an dich Marco, deine klasse Ehefrau Elise und Tochter Amber und eure außerordentliche Gastfreundschaft, das gute Essen, die Zeit die ihr euch genommen habt und die Star Wars-Abende. Es war eine wirklich gute Zeit mit euch und ich vermisse die Karatestunden (Insider ;-D).

Nach 3438 Kilometern ging jetzt diese Saison zu Ende. Wie immer mit einem lachenden und weinenden Auge. Es sind viele gute Geschichten mehr in meinem Kopf als dass ich sie hier alle niederschreiben könnte. Die eine oder andere Story werde ich in den kommenden Wochen bestimmt noch nachlegen. Ich kann soweit echt keine schlechten Worte über die Leute in Kanada und den USA verlieren. Es war einfach ein guter Sommer und ich freue mich wiederzukommen. Dann soll es von weiter von Denver nach New York City gehen und dabei werde ich bestimmt so manches Gesicht wiedersehen.

Amerika… Ich sage “See You Again!”

Rocky Mountains National Park

Die letzte große Etappe stand die Tage an und es sollte hoch hinausgehen. Auf dem Weg nach Grand Lake lief ich durch eine imposante Schlucht durch die sich der noch junge Colorado River frisst. Dahinter öffneten sich breite Täler mit den Lake Granby, Shadow Mountain Lake und Grand Lake. Hier oben auf 2500 Metern waren die Temperaturen noch super angenehm. Segelbote die sich gemütlich durch das Wasser schieben oder rasante Motorboote mit Wasserskifahrern waren so Hingucker. Auch ich habe mich für ein kühles Bad am Abend am Stillwater Campingplatz hinreißen lassen.

Dann ging es auch schon in den Rocky Mountain National Park (RMNP). Der sah erst einmal mit seinen vielen toten und verbrannten Bäumen etwas trostlos aus, tobten in 2020 hier große Feuer. Aber dieses Bild änderte sich bald in viel Grün. Die Hinweisschilder und Aushänge am Campingplatz sagten unter anderem, dass man sich nicht wundern solle, wenn beim Abendessen ein Hirsch oder Elch vorbeischaut. Der RMNP ist für seine großen Populationen dieser bekannt. Und so kam es, dass ich schon beim Frühstück am Morgen darauf eine Hirschkuh und ihr Kalb 30 Meter vor der Nase hatte. Ist schon klasse, wenn man sich ein Nutellabrot in den Mund schiebt und diesen Anblick hat. Viel Zeit blieb aber nicht. Ich musste aufbrechen.

Der Weg nach Estes Park wäre für einen Tag ohnehin zu weit gewesen. Dazu kam aber noch der lange Anstieg und im Nationalpark kann ich nicht einfach mal so irgendwo mein Zelt aufschlagen. Also ließ ich mein Zelt sowie alles nötige für die Nacht sowie mein Abendessen und Wasser am Campingplatz zurück. Von einer Ausgangshöhe von 2700 Metern zog ich meinen Karren bergauf. Ziel: 3713 Meter. Ich war gut drauf an diesem Tag und schlich fast schon gemütlich bergauf. Ab 3200 Metern ging dann aber doch die Atemfrequenz merklich nach oben ich brauchte die ein oder andere Pause mehr. An der Medicine Bow Curve war dann große Pause. Ich genoss den Ausblick und kam natürlich mit den Leuten ins Gespräch. Prompt wurden mir Naschereien und Bier angeboten. Was für ein guter Tag.

Ein Problem für den Tag war aber noch offen? Wo kann/darf ich meinen Karren über die Nacht parken? Ich hielt ein Ranger-Auto an und fragte nach einer Lösung und sie sagten mir, dass ich einfach oben im Besucherzentrum bei einem Ranger mein Anliegen vorbringen soll. Das war nicht mehr weit und so fragte ich dort nach. Der junge Ranger musste auch erst einmal seinen Vorgesetzten fragen aber nach 10 Minuten kam er mit dem Daumen nach oben auf mich zu. Ich könne meine Kiste hinter dem Haus anschließen. Er müsse dann nur noch meine Personalien an die Zentrale durchfunken wofür ich meinen Pass überreichte. Und dann war die Sache auch schon gegessen. Zwar wäre ich gern noch etwas weiter gelaufen und hätte den Karren gern irgendwo an der Straße geparkt, denn zum Pass waren es noch rund weitere 100 Höhenmeter und dem Weg nach Estes Park hätte ich damit auch noch gern etwas verkürzt aber es war ein guter Kompromiss.

So hielt ich auf den Weg zurück zum Campingplatz und am nächsten Morgen zurück zum Besucherzentrum den Daumen raus. Nach Estes Park waren es noch 38 Kilometer. Eine Distanz, die ich locker gehe aber nach dem 3713 Meter-Pass ging es halt auf 2300 Meter bergab und das ging mir ordentlich in die Beine. Das war super anstrengend – erst recht, wenn noch mein Wagen mir in die Hüften drückt – und am Ende auch schmerzhaft.

Aber hey!!! Die ganze Szenerie war es wirklich wert. Das Wetter hat einfach nur gepasst. Besonders in den Morgenstunden ist das Spiel von Licht und Schatten in den Bergen einfach nur wundervoll. Der Ausblick… einfach nur genial und in dieser Höhe sprichwörtlich atemberaubend. Und auch hier oberhalb der Baumgrenze sah ich noch allerhand Hirsche, und zum ersten Mal auch Murmeltiere.

In Estes Park angekommen war ich echt fertig. Ich suchte mein Hostel, stand sogar schon davor aber hatte es echt nicht gecheckt. Also ging ich zur Hauptstraße zurück um weiter nach der Adresse zu suchen als Kerl da auf mich zukam. Er, seine Frau Mary sowie Freundin Cheryl und Ehemann hätten mich die Tage ein paar Mal gesehen und so luden sie mich auf ein paar Bier und Abendessen ein. Eine Einladung, dich sehr gern annahm. Das Hostel konnte warten. So müde ich auch war, so war der Abend mit den Vieren ein wundervoller Ausklang des Tages mit vielen Lachern. Danke dafür!

Noch eine lustige Sache: Kurz vor Estes Park an einer Kreuzung hielt ein Wagen und der Fahrer fragte mich, ob ich ihn wiedererkenne. Es ratterte in meinem Kopf. Es war Kyle, der Ranger aus dem Yellowstone Nationalpark, der es mir ermöglichte, auf dem leeren Campingplatz am Lewis Lake zu übernachten (Beitrag „Yellowstone und Grand Teton Nationalpark (2/2)“). Meine Überraschung und Freude war groß, ihn hier noch einmal zu sehen und er war auch ganz baff. Er fuhr ran und wir hatten noch ein paar Minuten geschnackt bevor er weiter musste. Er verbringe ein paar freie Tage in der Gegend. Ja man sieht sich echt immer zweimal im Leben.

Colorado

Die Landstiche, durch die ich die letzten Wochen gewandert bin, waren schon etwas herausfordernd. Wyoming, Idaho, Utah und nun auch Colorado… Trockene Halbwüste, Berge mit Wäldern, grüne Täler. Es war ein recht bunter Mix und die Leute auf meinem Weg waren natürlich auch wieder genial.

In der kleinen Stadt Mountain View zum Beispiel, ganz im Südwesten Wyomings hielt Michaela mit ihrem Auto an. Sie kommt ursprünglich aus einem kleinen Ort an der Grenze zu Österreich und lebt nun schon knapp dreißig Jahre in den USA. Und da man sich unter Deutschen in der Ferne doch recht sympathisch findet, lud sie mich zu sich nach Hause und ihrer Familie ein. Hier konnte ich nach einer ganzen Weile endlich mal wieder die Füße hochlegen und etwas ausspannen. Und Geburtstag hatte sie auch noch und ich wurde mit ins Restaurant eingeladen.

Es sind immer wieder diesen kleinen Begegnungen und Geschichten. Ich erinnere mich an Jimmy in Garden City, Utah, der mir seinen Camper für die Nacht überlassen hatte. Ein Typ dessen Vergangenheit durch Drogen bestimmt war, der aber noch die Kurve bekommen hatte, jetzt in einem Restaurant kocht und sich Mitternacht noch in die Küche gestellt hatte, um mir das Fresspaket für den nächsten Tag zuzubereiten.

Eine Frau hielt am Morgen an und gab mir eine riesige Tüte voll mit Süßigkeiten. Nichts aus dem Supermarkt sondern aus dem „Chocolate Bear“-Laden, in dem alles noch handgemacht wird. Sie wolle einfach auf diese Weise etwas Liebe in die Welt tragen. Mit einer zusätzlichen riesigen Umarmung hat sie das geschafft. [Sie roch so sehr nach Himbeerkonfitüre] Die Tüte hatte bestimmt zwei Kilogramm Gewicht und mindestens 50 US-Dollar wert. Das war so viel Süßkram, dass ich es in einem Monat nicht hätte essen können/wollen. Und ich hatte auch kaum die Kapazität im Wagen und Rucksack. Bei nächster Gelegenheit fragte ich eine Familie, ob die Kids etwas haben dürfen. Ich hatte nicht viel für behalten. Ein paar getrocknete Früchte mit weißer Schokolade überzogen und das war es. Und ich war wieder um eineinhalb Kilogramm Liebe leichter unterwegs.

Die Distanzen zwischen den Orten sind weiterhin groß. Auch wenn ich immer ausreichend Wasser mit mir mitführe, so winke ich gelegentlich mit einer leeren Wasserflasche in den Verkehr. In diesen Gegenden weiß man einfach nie. Es dauert nie länger als zehn Minuten bis ein Auto stoppt und ich meine Flasche auffüllen kann.

Glücklicherweise hatte ich bisher recht viel Glück mit den Temperaturen. Meist waren es immer so um die 25°C, seltener an die 30°C. Nur gab es kaum einen Nachmittag oder eine Nacht, an dem kein Regen oder gar Gewittersturm aufzog. So manche Nächte in meinem Zelt waren schon recht einschüchternd, wenn es keine Sekunde vom Blitz zum Donner dauert, der Wind das Zelt durchschüttelt und der Regen nur so prasselt. Manchmal war da auch irgendwo ein Haus, unter dessen Vordach ich Zuflucht fand und abwarten konnte.

Diese Zeiten scheinen nun aber auch vorbei zu sein. Der Herbst hält Einzug. Die Tage sind merklich kürzer geworden, die Sonne steht tiefer und hat nicht mehr die Kraft, feuchtwarme Luft aufsteigen zu lassen. In der Nacht zum 29. August hatte ich das erste Mal seit Mai wieder Frost. Die Tage sind super sonnig, bringen aber frischen Temperaturen. Perfekt zum Wandern.

Nun, für diese Saison ist es fast geschafft. Ich bin in der kleinen Stadt Kremmling und lege einen Ruhetag auf dem Campingplatz ein. Vielleicht verlängere ich auch noch um eine weitere Nacht. Denver ist nicht mehr weit. Etwas mehr als eine Woche vielleicht. Es liegt aber noch eine Herausforderung vor mir. Es wird die Trail Ridge Road entlanggehen mit einem Pass von 3713 Metern Höhe. Es wird also sprichwörtlich atemberaubend. Es wird damit wohl auch der höchste Punkt meiner gesamten Reise werden. Jeder andere Weg wäre wohl auch zu einfach. Wenn ich meinen Karren da hochziehe, werde ich sicherlich wieder um einiges fluchen. Genau wie von ein paar Wochen, als es die Serpentinen in den Uinta Bergen hochging. Aber wenn man dann erst einmal oben ist und den Ausblick hat…

Yellowstone und Grand Teton Nationalpark (2/2)

Mit Tag 4 stand mir wieder ein langer Marsch bevor. Zuerst musste ich wieder vom Mallard Lake aus den Berg runter. Der Abstieg kam mir viel länger vor als der Aufstieg am Abend zuvor. Bei Old Faithful noch schnell gefrühstückt und dann weiter. Ziel für den Tag: Grand Village Campground am Yellowstone See. Die Strecke selbst war diesmal recht unspektakulär. Viel Wald und die Straße führte auf und ab. Es gab nicht wirklich einen guten Aussichtspunkt. Markant waren diesmal mehr die Hinweisschilder zur Continental Divide (Continentale Teilung). Diese beschreibt die Wasserscheide in Form einer Linie wobei westlich dieser alle Bäche und Flüsse in den Pazifik und östlich dieser in den Golf von Mexiko münden.

Es war ein recht heißer Tag und an einem kleinen See bot mir ein Niederländer mit seiner Familie an, meine Wasservorräte aufzufüllen. Spaßeshalber fragte ich, ob er auch kaltes Bier im Angebot hätte. Er lachte und ging zum Kofferraum und brachte mir zwei kühle Bier. Der Tag war gerettet.

Den Abend verbrachte ich mit einigen Wanderern und Radfahrern, die weitestgehend dieser Linie, dem Great Continental Divide Trail folgen. Die meisten starten an der Grenze zu Mexiko und laufen Richtung Norden nach Kanada. Als man mich fragte, ob ich north- oder southbound bin, also nach Norden oder Süden gehe, und mit worldbound antwortete, schaute ich in fragende Gesichter.

Lagerfeuer, Bier und gute Geschichten der anderen Wanderer. So klingt ein langer Tag gut aus.

Mannn… Tag 5 wäre fast in die Hose gegangen. Es sollte ein kurzer Tag werden. Nur 16 Kilometer zum Lewis Lake Campingplatz – so der Plan. Dort angekommen, waren zwei Ranger vor Ort, die die Bote inspizieren bevor sie zu Wasser gelassen werden. Ich fragte, wo denn das Büro zum Campingplatz sei? Antwort: „Der Campingplatz sei nach den schweren Regefällen in Juni aus logistischen Gründen geschlossen.“ Der nächste wäre erst in 22 Kilometern gewesen und ich hatte echt keinen Bock an diesem Tag.

Der Ranger aber meinte, für Wanderer würde eine Ausnahme gemacht. Er kontaktiere mal seinen Vorgesetzten. Nachdem der zweite Kontaktaufnahmeversuch gescheitert war, sagte er, dass er keinen Grund sehe, warum ich nicht bleiben könne. Ich konnte mir einen Platz aussuchen und später kam der Ranger noch einmal mit einem gelben Schnipsel Papier in der Hand zu mir. Das war meine offizielle Genehmigung und gekostet hat es auch nichts.

Nun hatte ich den ganzen Campingplatz für mich allein! Ich war so happy, dass ich erst einmal zehn Minuten nackt da rumgelaufen bin. Den See hatte ich auch gefühlt für mich allein zum Schwimmen. Für zwei Kilometer zu meiner Rechten und Linken hab ich einfach niemanden gesehen. Besser hätte der Tag kaum laufen können.

So ganz allein war ich aber doch nicht. Da waren noch Jeff und Sherry aus Minnesota. Die beiden wollten ihrer Tochter, die südlich in Jackson arbeitet, etwas näher sein und so bewachen und pflegen sie den Platz bis zum Saisonende als Freiwillige. Beide luden mich rüber zu ihrem Wohnmobil zum Abendessen und Lagerfeuer ein. Einfach nur ein super Tag.

Tag 6 und Zeit dem Yellowstone Nationalpark auf Wiedersehen zu sagen. Ich lief weiter in Richtung Süden als plötzlich ein Auto neben mir scharf auf die Bremse ging und hupte. Es war der alte Koreaner vom zweiten Tag. Er fand eine Haltebucht und stieg zusammen mit seiner Frau aus. Sie sprach gutes Englisch und erklärte mir, dass er die letzten Tage auf der Straße immer nach mir Ausschau gehalten habe. Wieder lachte er herzhaft, da er nur die Hälfte verstand und wir drückten uns noch einmal fest zum Abschied.

Am Abend erreichte ich dem Lizzard Creek Campingplatz. Vor mir waren echt vier Motoradfahrer, die eine Biker und Hiker Site haben wollten. Die Chefin Marni erklärte denen, dass der Campingplatz voll sei und dazu eindringlich, dass Biker für Fahrradfahrer und nicht für Motoradfahrer stehe. Viel Diskussion bei der man nur mit dem Kopf schütteln konnte. Am Ende sind sie abgezogen und ich war an der Reihe. Auch zu mir meinte sie, dass der Platz voll belegt sei. Sie könne mich aber unmöglich woanders hinschicken und zeigte auf einen grünen, nicht offiziell deklarierten Flecken wo ich mein Zelt aufschlagen könne. Und weil es nicht offiziell ist und ich Weltenbummler sei, kostet das Ganze auch nichts. Marni und ihre Partnerin Mandy waren einfach nur cool. Jeder, mit dem ich auf dem Platz gesprochen hatte, konnte nur gute Worte über beide finden.

Dann fuhr ein Auto vor und Marni fragte mich, ob die zu mir gehören? Es waren noch einmal die Koreaner. Ich hatte ihnen gesagt, wo ich die Nacht verbringen werde und jetzt hatten Sie Abendessen für mich dabei. Authentisches koreanisches Essen, selbst gekocht in ihrer Unterkunft. Wahnsinn. Reis, Tintenfisch, Anchovis, Sesamblätter… Alles in würzig scharfer Soße. Das war so gut. Ohhh mannnn, ich bin so ein Glückspilz.

Als ich am nächsten Morgen (Tag 7)aus meinem Zelt kroch, es regnete und Marni da so stehen sah, da fragte ich, ob ich nicht noch eine weitere Nacht bleiben könne. Und Marni meinte, einfach weil sie cool ist, dass das kein Problem sei. Also wieder zurück ins Zelt gekrochen und erst einmal bis 1 Uhr mittags durchgeschlafen. Das hatte mir echt gefehlt. Auch so war das ein echter Gammeltag. Ich fragte die beiden, ob ich irgendwas mit zur Hand gehen könne aber sie winkten nur ab. Alles unter Kontrolle.

Abends wurde ich dann wieder von einer Familie rüber zum Essen eingeladen. Gutes vom Grill und jede Menge Margaritas. Man, war ich fertig. Hab es dann in der Nacht irgendwie in mein Zelt geschafft und in der Früh auch wieder heraus. Für den neuen Tag hieß es dann Alkohol abbauen durch einen langen Spaziergang.

Tag 8 und damit fast am Ende. Die Bergkette des Grand Teton schien durch einen Dunstschleier hervor. Details und das ganze Ausmaß dieser schroffen Berge konnte man nur erahnen. Nach 27 Kilometern sollte eigentlich am Signal Mountain Campground Schluss sein für den Tag. Dort sagte man mir, dass sie keine Hiker Sites mehr anbieten und ausgebucht seien. Etwas enttäuschend war hier, dass sie sich nicht einmal, wie anders wo auch, die Mühe gemacht hatten irgendwas zu arrangieren. In dem Büro saßen aber auch zwei Teenager die etwas planlos schienen. Ich hatte erst gar nicht nach dem Manager gefragt und weitere 17 Kilometer zum Jenny Lake auf mich genommen.

Und wie es der Zufall so will. Ein Auto hält hinter mir und es war der Niederländer mit seiner Familie vom vierten Tag. „Heute habe ich leider nur ein Bier für dich“ und er reichte es mir entgegen. Die Freude konnte kaum größer sein. Weniger wegen des Bieres, sondern einfach nur der ganz besonderen Leute wegen, die man auf solch einer Reise trifft. Das macht es einfach so besonders.

Diesen Abend verbrachte ich wieder mit ein paar Wanderern und Radfahren zusammen beim Lagerfeuer am Jenny Lake. Wieder tauschten wir uns Geschichten und Abenteuer aus. Diese Nacht verbrachte ich ohne Zelt unter freiem Himmel. Der Mond verschwand langsam hinter den Bergen. Der Blick war frei für die Sterne. Als ich am Morgen müde meine Augen öffnete, da trappte wieder so ein riesiger Fuchs an mit vorbei.

Langsam war es auch Zeit, dem Grand Teton Nationalpark Tschüss zu sagen. Weiter wanderte ich gen Süden auf einem Radweg parallel zur Hautstraße als plötzlich Autos hielten. Antilopen rangelten sich am Straßenrand. Wunderschöne Tiere und in dieser Ecke nicht ganz so menschenscheu. Das soll das letzte Highlight dieser beiden Parks gewesen sein. Es waren wirklich spannende und überwältigende Tage hier und alles was ich sagen kann ist DANKE!