Von Isfahan nach Shiraz … 13 Tage Härte und Herzlichkeit

Weiter ging es in Richtung Süden. Einen Tag bevor ich Shareza erreichte, stoppte mich ein Auto. Ein großer, vollbärtiger Mann, schwarz gekleidet stieg aus. Omid war sein Name. Er bot mir ein paar Früchte an und lud mich in für den nächsten Abend nach Shahreza ein. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Distanz bis zum kommenden Abend schaffen würde. So vereinbarte ich mit ihm den folgenden Morgen und nahm seine Nummer entgegen. Nun, ich war flott unterwegs und erreichte die Stadt doch schon am Abend aber Omid ging nicht ans Telefon. Sajad und seine Frau griffen mich in der Stadt auf und fragten ob ich Hilfe brauche. >>Naja, ich kann meinen heutigen Gastgeben nicht erreichen.<< Prompt wurde ich in das Haus der Schwiegermutter eingeladen. Da wurde ich wieder gut versorgt mit allerlei Köstlichkeiten. Es wurde Spät und Omid meldete sich. Er komme gerade aus Isfahan und ich solle doch bei ihm übernachten aber das Quartier wollte ich nun nicht mehr wechseln. Das tat mit voll leid ihn da zu enttäuschen. Es war halt schlecht abgestimmt.
Am nächsten Mittag, ich war schon voll in der Spur und rastete an einer Tankstelle, da kam Omid vorgefahren. Oh man, was geht jetzt?! Er war wirklich meinetwegen 30 Kilometer die Straße auf und ab gefahren um mir Essen und Trinken zu bringen. Wir unterhielten uns und in seinem gebrochenen Englisch erzählte er mir, dass er am Vortag mit seiner Familie in Isfahan zur Beerdigung seinen Bruders war, der nach zwei Wochen an den Folgen eines Unfalls gestorben war. Daher sein schwarzer Look und die etwas finster-traurige Ausstrahlung. Aber ich war echt begeistert, dass er sich die Mühe machte mich aufzusuchen und mich noch zu bewirten. Ein toller und echt lieber Kerl.

Über Izadkhast ging es weiter nach Abadeh. Am Stadtrand liegt eine Kaserne und auch in der Stadt sind viele Männer in Uniform unterwegs. Irgendwann fuhr ein Zivilwagen neben mir mit vier Soldaten. Alle lächelten und noch im Fahren fragte mich einer nach meinem Reisepass. Auf Deutsch quasselte ich sie voll >>Na wenn ihr mich kontrollieren wollt, dann müsst ihr schon anhalten<< und ging weiter meine Wege. Als hätten sie es verstanden setzten sie sich vor mich und stiegen aus. Nun etwas ernster hieß es >>Passport!<< Mhh. Zivilwagen und keine Name an der Uniform. Ich fragte also vorher nach deren Ausweis. Sie kramten in Ihren Taschen und keiner konnte mir was vorlegen. >>OK Jungs. Ihr könnt mir eure ID nicht zeigen, so zeige ich euch meine auch nicht und keine Auskunft weiter!<< Die haben blöd geglotzt, sich entschuldigt, sind wieder ins Auto rein und weg waren sie. Nach zwanzig Minuten kamen sie wieder und der Alte und ranghöchste der Truppe hatte nun seinen Militärausweis dabei. >>Sehr gut! Warum nicht gleich so?<< Dann ging alles seinen Lauf und ich wies mich aus. Sie blätterten durch meinen Pass und da wurde schon moniert, dass mein Visum doch abgelaufen sei. Die hatten echt von nix Ahnung und so durfte ich für sie einfach mal eine Seite weiter blättern, wo meine Verlängerung eingetragen war. Die hatten echt keinen Plan und über dieses unprofessionelle Vorgehen hatte ich mich verärgert doch höflich ausgelassen. Das hatten die schnell verstanden und sich mehrmals entschuldigt bevor sie dann endlich abgezischt sind. Da konnte ich nur den Kopf schütteln.
Bald darauf sprach mich ein Teenager auf seinem Rad an. Nach langem und guten Gespräch bot er mir an, mit nach Hause zu kommen. Er fragte seine Elten um Zustimmung und sie gewährten. Echt klasse. Wieder ein Dach über den Kopf, gutes Abendessen und Fußball-EM Deutschland – Slowakei. Danke Mohammad Reza und Familie!

Nach Abadeh ging es runter von der Hauptstraße. Ich wollte Ruhe und etwas abschalten. Ziel war Eqlid und für die kommenden Tage ein kleines Tal. In Summe ein Tagesmarsch Umweg.
Auch in Eqlid hatte ich wieder ein Dach über dem Kopf, als mich der Englischlehrer Mosis mich zu seiner Familie einlud. Es war ein besonderer Feiertag an dem viel Essen gekocht und an die Verwandten und die Armen verteilt wurde. Wir machten auf seinem Motorrad noch eine Spritztour durch die Stadt bevor die ganze Sippe zusammen kam und ausgelassen gespeist und gefeiert wurde.
Weiter nach Aspas und Sedeh übernachtete ich einmal bei Ziegenhirten. Man legete mir eine Matte bereit und so verbrachte ich die Nacht unter dem Sternenhimmel.
Dann kam ein Tag, der hatte es in sich. Ein Straßenabschnitt, so 15 Kilometer, waren einfach nur ein mieser Feldweg mit vielen, oft steilen Hügeln. Meine Sandalen versanken teils fast vollkommen im Staub und dann noch die Hitze. Phuuuuuu! Die Landschaft erinnerte mich an Bilder aus New Mexico. Ich war mir nicht sicher, ob ich mit der Route richtig lag. In einem kleinen Dorf sahen zwei kleinen Kinder den Fremden und rannten erst mal zu Papa. Während ich meine Füße in einen kleinen Bach hielt und meinen Hut mit Wasser durchtränkt wieder auf meinen Kopf setzte, kam auch schon der Papa mit einer Kanne eisgekühltem Wasser und bot mir zu trinken an. Auch wenn ich zig Flaschen Wasser mit mir führte, eiskalt war in diesem Moment genau das Richtige. Am anderen Ende des Dorfes ging es dann endlich wieder auf Asphalt weiter bis in einen hübschen kleinen Ort namens Cham-e-Riz. Ziemlich sicher bin ich hier der erste Ausländer seit fünfzig Jahren gewesen. Es ist weit abgelegen, mitten im Nichts. Ich fragte ein paar Leute auf den Reisfeldern, ob ich nicht auf einen der abgeernteten Parzellen campen könne und es nett wäre, wenn diese über Nacht nicht geflutet würde. Da wurde nicht lange überlegt und Huck(-leberry) lud mich zu sich und seiner Familie ein.
Also ich kann echt nicht klagen. Wie ihr lest, haben die Leute hier ein wirklich großes Herz und so oft wie ich hier versorgt und eingeladen werde… Es ist echt klasse und erfüllt mich mit so viel Freude.

Kurz bevor ich wieder an die Hauptstraße nach Shiraz kam, stoppte mich die wieder mal Polizei. Bis auf einen Bullen waren hier im Iran die Polizisten immer sehr freundlich, so auch diese. Wie immer wurde zuerst nach meinem Pass gefragt und dann wollte man meinen Wagen kontrollieren. OK, Luke auf. Sie kramten nicht lange und fanden mein Pfefferspray. Der Besitz sei illegal im Iran, es sei denn, man habe eine Lizenz dazu oder man sei Polizist. Die Gesichter wurden sehr ernst und man rief ein paar Kollegen dazu. „Oh man! Jetzt gibt’s Ärger.“ dachte ich. „Was geht jetzt wohl ab?“ Mein Wagen wurde wieder huckepack auf einen Pick Up geladen und ich in einen der Polizeiwagen verfrachtet. Auf Handschellen hatte man aber verzichtet. Mir war echt nicht wohl auf der Fahrt zur Wache und tausende Gedanken schossen mir durch den Kopf was passieren könnte. Eine Woche hinter Gittern, plus Hundert Stockschläge, plus 1000 USD Strafe, plus Ausreise binnen 48 Stunden. Der Trip steht auf der Kippe. Ohhh mein Gott!
Da saß ich nun auf der Wache und atmete erst mal tief durch und versuchte Ruhe auszustrahlen. Endlich kam jemand, der vernünftiges Englisch sprach. Wir plauderten und und ich erzählte von meiner großen Reise. Zwischenzeitlich wurden auch noch die Bilder auf meiner Kamera gesichtet. Es ist verboten im Iran Bilder von Infrastruktureinrichtungen wie z.B. Kraftwerken, Staudämmen, Chemiewerken oder auch Militäreinrichtunen zu machen. Da gab es aber nichts zu beanstanden. Dann zurück zum Spray. Ich erklärte ihnen, dass ich es in Deutschland erworben habe und es lediglich zu Verteidigungszwecken auf meiner langen Reise einsetzen würde. Ich übersetzte ihnen die Hinweise auf der Dose. „Abwehrspray gegen angreifende Tiere… Es ist verboten das Spray gegen Menschen einzusetzen… bla bla bla…“ Man verschwand wieder und nach einer Weile wurde es mir wieder ausgehändigt. Ein Bericht wurde angefertigt mit Inhalt zu meiner Person, meines Vorhabens und dass es nichts zu beanstanden gibt. Mir wurde echt leichter aber etwas ungläubig wurde ich auch.
Das war wohl einfach nur gaaanz großes Glück was ich da hatte und ich würde jedem empfehlen das Zeug nicht einzuführen. Es gibt keinerlei Garantie, dass ein anderer genauso glimpflich davon kommt. Das war nicht mal ein blaues Auge.

Als freier Mann konnte ich nun einen Tag später nach Shiraz einkehren. Gutes Gefühl!