Eine Nacht im Tempel

Meine Reise verläuft prima. Meine Schuhe sind so weit runtergelaufen dass ich ein Stück Fahrradmantel darunter geflickt habe. Dann laufe ich rum wie ein Penner da eines meiner Hemden einen riesigen Riss über der Schulter hat. Dann löste sich beim Laufen mein Zelt aus den Zurrgurten und schliff über den Asphalt. Maaaan so viele Löcher zum Flicken. Und dann funzt auch noch mein Solarpaneel nicht mehr. Ihr merkt, ich habe einige Hürden zu meistern und verzichte auf mehr und mehr Komfort. 

Heute Nacht schlafe ich in einem kleinen Tempel. Der Sadu, der eine kleine Hütte hinter dem Tempel hat, hatte nix dagegen, dass ich mich einquartiere. Endlich mehr als nur ein Hauch von Spiritualität als er begann in eine Muscheln zu blasen und es laut dröhnte, die kleinen Glöckchen läutete und in Andacht zu Shiva zu singen begann. Abendessen hatte er mir auch noch gemacht. Eine scharfe Suppe und echt leckere Chapatis (kleine Fladenbrote).

 

Die Ajanta-Höhlen

Eines der besten Bespiele der frühen buddhistischen Architektur befindet sich in einer hufeisenförmigen Schlucht nahe Jalgaon. Sie wurden in zwei Phasen vom 2. Jh. v. Chr. bis 1. Jh. n. Chr. und 5. bis 6. Jh. n. Chr. in den Fels gehauen. Große Hallen und Schreine bilden eine Klosteranlage mit einer reichen Anzahl an Bildnissen Buddhas und der damaligen Lebenskultur, entweder in Stein gehauen oder in farbenprächtigen Malereien, die man aber meist nur noch erahnen kann.

 

Ich nehme wieder Fahrt auf

Raus aus dem Ballungsraum Mumbai mit dem Zug bis nach Vashind, wo ich in Ruhe meinen Wagen zusammenschrauben konnte um dann den Rest des Tages noch ein paar Kilometer zu laufen.
Mein Weg führte mich weiter nach Igatpuri. Im April 2009 bereiste ich schon einmal diesen Landstrich. Die Natur bot damals nur Brauntöne. Alles war irgendwie öde und karg. Jetzt ist es kaum wieder zu erkennen. Üppiges Grün und kleine Wasserfälle die von den Bergen hinab rauschen. Während meines damaligen Aufenthaltes in Igatpuri lernte ich ein altes Ehepaar kennen, Nelson und Angela. Sie luden mich ein paar Mal zum Essen bei sich nach Hause ein und wir hatte viele nette Gespräche. Ich beschloss ihr Haus aufzusuchen um einfach mal Hallo zu sagen. Das stellte sich sehr schwierig heraus, denn ich wusste nur noch wage wo ihr Haus war und die Einheimischen hatten auch keinen Ahnung v

on wem ich spreche. Leicht verzweifelt führte mich mein Weg letztendlich zur Kirche und dem Konvent wo ich auf Father John traf. Dieser musste mir dann mitteilen, dass die Beiden vor einigen Jahren nach Bombay zu ihren Sohn gezogen seien, da es nun halt immer mehr körperlich abwärts geht. Das empfand ich als wirklich schade, wäre es nach all den Jahren sicherlich eine tolle Überraschung gewesen. So führte mich mein Weg weiter bis nach Nasik. Hier vermittelte mich Sachin an seinen Freund Shyam weiter. Gestern begann ein zehntägiges Festival zu ehren Ganeschs, dem Elefantengott. Überall sind Verkaufsstände mit Plastiken Ganeschs zu finden aber auch Blumenschmuck findet reißenden Absatz. Auch eine kleine Ladung diesen Farbpulvers bekam ich entgegen geschmissen. Schön ins Auge und Ohr, klasse.
Bei Shyam daheim wurde mir gleich die Ehre zu Teil, ein kleines Feuerlämpchen um das Antlitz Ganeschs zu schwenken während die anderen sangen, klatschten und ein kleines Glöckchen geläutet wurde. Und da wir schon einmal dabei waren, ging es danach auch gleich noch in zwei Nachbarwohnungen um Ganesch alle Ehrung walten zu lassen. Die Leute sagen, in diesen zehn Tagen muss man nicht zu Ganesch gehen, nein Ganesch kommt ins Haus. Die Verehrung an ihn in dieser Region Indien ist besonders groß. Die kleinen Altäre sind bunt geschmückt und beleuchtet, fast schon mit Hang zum Kitsch. Früchte und Blumen werden geopfert in der Hoffnung, Glück und Erfolg im Leben zu haben.

 

 

Heute saß ich aber schon wieder im Zug. Diesmal von Nasik nach Aurangabab. Ich hatte die Einladung von Sachin’s Schwiegereltern und Schwager Anup erhalten mir die Stadt anzuschauen und ein paar Höhlen zu besichtigen. Zuerst zeigte mir Anup jedoch das „Bibi Ka Maqbara” auch bekannt als Mini Taj Mahal. Der Bauherr Azam Shah (Enkel der Mumtaz Mahal, derer wiederum das Taj Mahal gebaut wurde) lies es 1678 in Erinnerung an seine Mutter erbauen. Muss ne enge Bindung gewesen sein?! Ein hübscher Garten umgibt den Bau und lädt zum Verweilen ein. Liebespaare finden hier immer einen Platz versteckt hinter den Bäumen um etwas herumturteln zu können. Darauf ging es noch zu einer buddhistischen Tempelanlage. Besser gesagt wurden zwölf Schreine im 6. Jh. in den Basalt gehauen. Beeindruckend und faszinierend.

 

Mumbai (Bombay)

Die ersten Tage in Mumbai (Bombay) sind überstanden. Und das ohne Durchfalltablette. Das nennt man Glück. Bei meiner Ankunft wurde ich mit viel Regen empfangen. Es ist noch Monsunzeit aber in den kommenden zwei Wochen soll es wieder trockener werden. Der Regen schafft ein angenehmes Klima. Das Thermometer klettert nicht über die 30°C-Marke. Das ist nach den heißen Tagen in Dubai eine wahre Wohltat.
Ich habe ein Zimmer in den Gästeunterkünften der staatlichen Elektrizitätswerke MSEB bezogen. Mein Freund Sachin, den ich auf meiner letzten Reise durch Indien vor sieben Jahren kennenlernte und der für die MSEB tätig ist, hat mir das ganze organisiert. Kostet mich nix, hat Klimaanlage und bis auf ein paar kleine Krabbeltierchen mit langen Fühlern ist wirklich alles sauber.
Die Tage habe ich mit den einen oder anderen kleinen Stadtbummel verbracht. Mit der Stadtbahn, an der sich teils die Leute draußen anheften, geht es von Bandra in Richtung Churchgate oder dem Victoria Terminus (CST). Von dort aus kann man den Süden der Stadt gut zu Fuß erkunden. Und ist einem der Weg doch mal zu Weit, nimmt man sich ein Taxi. Die Preise sind sehr günstig.
Indien ist Indien und Mumbai ist Mumbai. Da bekam ich beim ersten Schlendern durch dieses Dickicht einen richtigen Flash Back. Vor allem die Gerüche lassen Erinnerungen in mir hochsteigen und dabei schwanke ich immer wieder zwischen Himmel und Hölle. Der stetige Wechsel aus den Düften der Garküchen der Straßen, die faul modernden Abfälle am Wegesrand, die Früchte der Händler, dazwischen brennende Räucherstäbchen. Die alten Busse nehmen Schlagloch für Schlagloch mit. Beim Schlangestehen am Fahrkartenschalter wird man immer wieder von kleinen Kindern angetippt, die nach Geld betteln. Prächtige Kolonialbauten wechseln sich mit mit Häusern der jüngeren Geschichte ab und überall nagt an ihnen das tropisch feuchte Klima. Zwischen dem geschäftigen Treiben und dem dichten Verkehr liegen die Streuner seelenruhig auf der Straße, Ziegen suchen nach Fressbarem in den Müllbeuteln und auch das Krähen eines Hahns ist zu hören. Kleine Parkanlagen laden zum Verschnaufen von allem Lärm der Straße ein und auch an den Uferpromenaden ist das Leben wesentlich gelassener, Diese Stadt ist unbeschreiblich. Chaotisch, oft nah am Kollaps.
Letzten Abend wurde ich dann noch bei Sachin und seiner Frau Rucha und Tochter Avani (der Name heißt so viel wie „Erde“) nach Hause zum Abendessen eingeladen. So typisch hartgekochtes Ei in einer Curry-Soße, Kartoffeln, rohe Zwiebelringe und Chapatti-Fladen. Klingt für den europäischen Gaumen etwas ungewohnt, ist aber ganz gut.
Morgen werde ich dann einen Zug wenige Kilometer aus der Stadt raus nehmen. Zu Fuß mit meinem Karren wäre das bei dem Verkehr reinster Irrsinn.