Bihar

Die Tage nach Varanasi führte mich mein Weg noch etwas den Ganges entlang. Nahe Chapra überquerte eine weite Brücke den Ghaghara an deren Ende ich in Bihar angekommen war. Nahe eines kleinen Dorfes fand ich einen ruhigen Rastplatz am Ufer für die Nacht. Ungestört in Indien zu campen ist eine wahre Seltenheit. Es reicht wirklich, wenn man nur von einer Person gesehen wird. Diese erzählt dann im Dorf, dass da so ein komischer Typ ist der irgendwas hinter sich herzieht. Das verbreitet sich wie ein Lauffeuer und schon hat man das halbe Dorf um sich. Es nervt! Besonders wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit kommen. Dann ist da halt auch noch die sprachliche Barriere und am Ende wissen die nichts mit mir anzufangen. Oft höre ich dann auch noch das Wort Pakistani. Da schrillen bei den Leuten die Alarmglocken, da ich ein Terrorist sein könnte und sogleich hab ich auch noch die Polizei vor dem Zelt. Und was ich hier so mit der Polizei in Bihar durchgemacht habe schreibe ich lieber nicht. Da staut sich nur wieder Wut an. Wirklich schlimm.

Weiter ging es durch die weiten Ebenen entlang der nepalesischen Grenze. Wie so oft lagen links und rechts von mir Reisfelder, die langsam erntereif wurden. Der Dorfalltag wirkt recht beschaulich. Der Reis wird gedroschen und zum Trocknen auf Tüchern ausgebreitet. Für Vögel ein gefundenes Fressen. Man melkt die Ziegen und Kühe, flickt die Strohhütte oder flechtet einen neuen Zaun aus Bambusstreifen. Aufgabe der Frauen ist es, Kuhdung und Stroh zu Brennmaterial zu verarbeiten. Da gibt es in Indien ganz unterschiedliche Techniken. In Maharashtra und Madhya Pradesh wird der Dung-Stroh-Fladen wie ein Halbmond geformt, die gerade Seite etwas dicker. So kann man den Fladen senkrecht zum Trocknen aufstellen. In Uttar Pradesch und West-Bihar wird er rund geformt und einfach an die Hauswand, einen Baum oder ähnliches geklatscht. In Ost-Bihar dagegen wächst massig eine Pflanze, die sieht so etwas dem Schilf ähnlich. Man nutzt ein paar dieser langen Stängel und formt den Dung entlang dieser. Sieht dann aus wie ein riesiger Kebab-Spieß. Ich weiß… Das ist Wissen, welches euren Alltag ungemein bereichern wird.

Je weiter ich nach Nordosten vordrang, desto mehr überlegte ich, wo ich denn nun meine Reise vorerst beenden werde. Die Stadt Siliguri schien perfekt. Dort gibt es jetzt nichts besonderes. Es ist eine Transitstadt da sie genau in dem schmalen Korridor zwischen Nepal und Bangladesch liegt. So bequem zu erreichen wenn ich wiederkommen und meinen Weg fortsetze.
Mit den Tagen sah ich im Norden in weiter Ferne jedoch Wolkenbänke. Das erste Anzeichen, dass der Himalaja nicht mehr fern ist, denn die feuchtwarme Luft vom Golf von Bengalen kommend steigt an den Bergen auf und kondensiert. Irgendwann schimmerte dann die Silhouette der ersten Berge hervor und von Tag zu Tag immer mehr und stärker bis sogar schon die ersten schneebedeckten Gipfel zu erkennen waren. Ich kam ins Schwärmen und Träumen und beschloss daraufhin in die Berge bis nach Darjeeling zu laufen und einen alten Freund wiederzusehen. Endspurt war angesagt.