Ein Tag neigte sich mal wieder dem Ende und wie so üblich war ich wieder auf der Suche nach einem Schlafplatz. Da tauchte dieses Schild BRUDERHOF vor mir auf. Da es mehr als deutsch klang und auch noch WELCOME drunter stand, wollte ich da doch hinschauen. Vorher googelte ich aber noch danach. Aha, eine christliche Gemeinde, in den 1920ern in Deutschland gegründet. Etwa wie die Amish in den USA? Etwas skeptisch nahm ich den Versuch an. Es sollte eine wundervolle Erfahrung werden.
Hinter dem Hügel kam ein kleines Dorf zum Vorschein. Die Bewohner kamen mir offen entgegen und ich fragte nach etwas Wasser und einem Platz für mein Zelt. Sofort hieß es, dass man für mich bestimmt auch ein Zimmer hätte. Ich sei herzlich willkommen. Als man mich fragte, wo ich herkommen und ich mir Jena antwortete, wussten gleich alle Bescheid wo das liegt, denn in Bad Klosterlausnitz – also gleich nebenan – gibt es ebenfalls eine Gemeinde.
Als erstes wurde ich zu Martin geschickt, einem Sohn deutscher Auswanderer. Mit ihm hatte ich bei einer Tasse Tee eine richtig gute Unterhaltung. Ich wollte alles über das Leben hier wissen und warum er sich zu einem Leben in einer solchen Gemeinschaft entschlossen hat. Kurz gesagt war er als Programmierer für eine Versicherungsgesellschaft tätig, war viel auf Reisen und hat dabei sehr gutes Geld verdient. Aber irgendwann sagte er sich, dass es das nicht mehr sei. Eine große Leere kam in ihm auf, die kein Geld und kein noch so teures Auto füllen konnte. Es war an der Zeit für einen Lebenswandel und auf der Suche nach Glück und Erfüllung ist er hier fündig geworden, auch wenn die Umstellung mehr als hart war. Grund ist, dass hier alles vollkommen anders funktioniert. Er meinte, es sei wie ein Kloster für Familien. Es gibt keinen persönlichen Besitz oder eben nur sehr eingeschränkt. Man verdient kein Geld für sich, teilt alles mit der Gemeinschaft. Man arbeitet für die Gemeinschaft und die Gemeinschaft arbeitet für einen. Ale unterstützten sich gegenseitig.
Die Gemeinde hier, östlich von Inverell wurde 1999 gegründet. Damals standen hier ein paar einfache Hütten. Heute ist es ein Dorf mit modernen Häusern und rund 200 Bewohnen. Größtenteils versorgt man sich aus der eigenen Landwirtschaft. Um aber zu wachsen braucht man Einnahmen. So fing man mit einfachen Schildern aus Holz geschnitzt an. Schaut man sich jetzt um, steht da eine riesige Metallwerkstatt und da werden Schilder und Aufsteller für Einkaufszentren, Parkhäuser etc. gefertigt, teilweise bis zu sechs Meter hoch.
Später begrüßte mich Benito. Bei ihm und seiner Familie sollte ich die Nacht verbringen und da irgendjemand die Idee einwarf, dass ich den kommenden Tag den Kids in der Schule über meine Reise erzählen könnte, entschied ich mich gleich noch den kommenden Tag zu bleiben. So stand ich den nächsten Morgen vor den Schülern und erklärte auf einer Weltkarte meine Reise und zeigte meinen Wagen. Darauf führte mich Benito durch das Dorf. Ich half etwas in der Werkstatt aus, raute die Oberflächen der Alubleche an, entgratete die Ränder, reinigte die Bleche und bereitete sie so für den Druck vor.
Ich bekam viele neue Gesichter zu Gesicht – fast schon zu viele – und ich war überrascht, wie viele Leute Deutsch sprachen. Aus allen Teilen der Welt kommen sie und nicht wenige haben eine Zeit lang in Deutschland gelebt. Große Gemeinden finden sich aber in den US-Bundesstaaten New York und Pennsylvania. Sollte ich durch die USA kommen, solle ich auf jeden Fall in den dortigen Gemeinden vorbeischauen.
Abends trifft sich die Gemeinde oft zum gemeinsamen Gesang und Musizieren. Im Kreis zusammensitzend, stimmt man dann alte volkstümliche Lieder auf English und Deutsch an. Das sind einfach Dinge, die ich so diese Tage nicht erwartet hatte, genauso wie den wirklich guten Glühwein der serviert worden war. Ich glaube das war mein erster in Shorts.
Es gibt noch so viele Dinge die ich hier schreiben könnte, so viele Aspekte, so viel Input, der mich in diesen zwei Tagen erreicht hat. Es würde jetzt hier den Rahmen sprengen aber ich habe viel zum Nachdenken bekommen. Das Leben in einer Gemeinde wie dieser zeigt einen vollkommen anderen Lebensentwurf auf. Was mich wirklich beeindruckte und zu tiefst berührte war diese überwältigende Herzlichkeit der Leute. Es war mehr als nur Gastfreundschaft. Es war das gelebte Wort Jesus Christus. „I was a stranger, and you welcomed me.
Ach und bevor ich es vergesse… Kein Apfelmus auf Pizza!