Yellowstone und Grand Teton Nationalpark (1/2)

Auf diese Episode in den USA bin ich mit großen Erwartungen herangegangen. So viel Großartiges hatte ich über den Yellowstone Nationalpark lesen und in Dokumentation sehen können. Und irgendwie stand er immer auf meiner MUSS MAN GESEHEN HABEN! – Liste. So wie ihr gleich lesen könnt, hatte ich auf jeden Fall eine überragende Zeit mit überragenden Menschen und auch Tieren.

Es ist Ende Juli. In West-Yellowstone besorgte ich mir mein Ticket und eine Genehmigung für einen Backcountry-Campingplatz (dazu später mehr erklärt). Hier gab es ein kleinen wenig Ernüchterung als mir die Rangerin sagte, dass die Bisons zu dieser Jahreszeit wohl schon mehr ins Parkinnere gewandert seien und ich wohlmöglich keine mehr auf meiner Route sehen werde. Na ja. Dann halt keine Bisons.

Und auf ging es. Tag 1 in Yellowstone konnte starten. Ich folgte noch dem Madison River zum gleichnamigen Campingplatz. Die meisten Campingplätze hier haben gesonderte Bereiche für Radfahrer und Wanderer. Diese können nicht reserviert werden aber man stellt sicher, dass für uns immer ein Platz vorhanden ist und wir so nicht in logistische Schwierigkeiten kommen. Klar, einem Wanderer kann man nicht abends um 7 Uhr sagen „Sorry, wir sind voll belegt. Probiere es mal 20 Kilometer weiter.“

Tag 2 Stand an. Mein nächstes Wanderziel wäre bei Old Faithful gewesen. Eine Distanz, die mir vor lauter Wandern kaum die Möglichkeit gegeben hätte mir die Naturspektakel in Ruhe anzuschauen. Also verblieb ich einen weiteren Tag auf dem Madison Campingplatz, ging zur Straße und hielt den Daumen raus. Es dauerte nicht lange, bis mich ein alter Koreaner in sein Auto einlud. Er  kam aus Texas, sprach kaum ein Wort Englisch, lachte aber dafür sehr viel. Als ich mit ein paar Brocken Japanisch auf ihn einredete, erheiterte ihn das noch mehr. Wir fuhren zu ein paar heißen Quellen als wir uns verabschiedeten.

Ich wollte den Park weiter zu Fuß etwas abseits der Hauptstraße erkunden. Das war die richtige Entscheidung. Für knapp zwei Stunden war ich für mich allein auf den Wiesen und mit den dampfenden Quellen bis ich wieder auf den Hauptpfad und an einen Aussichtspunkt auf die Grand Prismatic Quelle kam. WOW! War für ein Farbenspiel. Dieses intensive Blau, welches in Türkis und einen gelben Streifen über in dieses tiefe Orange-Braun übergeht. Einfach spektakulär! Wieder an der Hauptstraße, sammelte mich ein junges Paar ein und wir schauten uns die Quelle aus der Nähe an.

Und auf dem Weg zurück zum Campingplatz… YAAA Bisons!!! Zwar nicht in großen Herden aber eine hübsche Familie die da immer näher an die Straße kam. Ein wundervoller Anblick. Man, der Bulle war echt riesig. Man sollte denen echt nicht zu nahe kommen oder denken, man könne einfach mal die Kälber streicheln. Dieses Jahr wurden schon drei Menschen attackiert und verletzt, einfach nur aus Dämlichkeit. Ich bin auf jeden Fall überglücklich diese riesigen Tiere einmal mit eigenen Augen gesehen haben zu dürfen.

Auf dem Campingplatz wartete dann noch eine weitere Überraschung. Dieser wird von Freiwilligen, meist Pensionären, geführt und in Schuss gehalten. Das ist wie eine große Familie und da der Park im Winter geschlossen ist und sie sich nicht sehen können, feiern sie Thanksgiving im Juli und Weihnachten im August. Da wurde eine riesige Tafel mit allerlei Köstlichkeiten aufgestellt und die haben uns Radfahrer und Wanderer eingeladen teilzunehmen und uns die Bäuche vollzuschlagen. Und das Essen war sooo gut. Die perfekte Stärkung für den nächsten Tag. Einer erzählte dann, wie verwirrend es für all die anderen Leute auf dem Platz sei, wenn einer im August den ganzen Abend Weihnachtslieder auf seiner Trompete spiele.

Am dritten Tag konnte ich dann alles neben mir liegen lassen, was ich mir den Tag zuvor schon angeschaut hatte. Old Faithful lag vor mir und hier schießen die Geysire in spektakulärer Weise das Wasser in die Höhe, dass die Kinnlade runterklappt. Unglaublich, wie laut die dröhnen können. Hier merkt man erst einmal richtig, dass man einen Supervulkan unterm Hintern hat. Einfach nur WOW!

Der Tag verging schnell und ich musste mein Tagesziel erreichen. Hier gibt es ein riesiges Hotel aber das ist nur für Leute, die es sich leisten können und wollen. Mein Ziel war der Mallard Lake. Dieser gehört zu den zahlreich über den Park verstreuten Backcountry Campingplätzen für die es, wie am Anfang erwähnt, einer Genehmigung bedarf.

Meinen Karren konnte und durfte ich sowieso nicht den schmalen Pfad hinter mir herzerren. So machte ich mein Abendessen bei den Old Faithful, schloss meinen Karren am Parkplatz an einem Baum und nahm nur das allernötigste mit mir mit. Und nun ging es eineinhalb Stunden bergauf. Endspurt für den Tag. Eichhörnchen und ein paar Rehe entdeckte ich entlang des Weges.

Am See angekommen war ich ganz für mich allein und als sich der Wind sich legte, war da diese tiefe Stille und der Blick auf den See und den umliegenden Wald. Nur noch ein paar Vögel zwitscherten. Ansonsten war da nichts. Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es immer noch diese stille. Die Wasseroberfläche war spiegelglatt. Nur ein dünner, weißer Nebel legte ich darüber. Was für ein friedlicher Ort.

Auf dem Weg nach Yellowstone

Man trifft sich ja immer zweimal im Leben. In Kanada am Kootenay See traf ich auf Kiki und Henny auf ihren beiden BMW-Motorrädern. An ihrem Kennzeichen war es unschwer zu erkennen, dass es Deutsche sind und als sie an mir vorbeifuhren, drehten sie noch einmal um auf einen kleinen Schwatz. Damals waren sie auf dem Weg nach Alaska.

Es war in der kleinen Stadt Ennis, als ich die Straße zum Supermarkt überqueren wollte als mich zwei Motoradfahrer grüßten. Und Kikis Zweirad hat eine auffällige Lackierung und ich dachte mir „Wahnsinn! Die beiden wieder.“ Kiki und Henny waren genauso überrascht mich noch einmal wieder zu sehen. Es ist einfach ein wahnsinniger Zufall, dass wir uns ein zweites Mal begegneten.

Bei den in Kanada entstandenen Bildern war leider nur Henny im Fokus, sonst hätte ich wohl schon eher über die beiden berichtet. Wenn ihr ihnen folgen wollte, dann könnt ihr das bei IG unter #endegelaende1.0 tun.

Ich wünsche euch allseits gute Fahrt! Ihr seid bestimmt schon nahe Mexiko.

Am gleichen Tag begegnete ich Marissa und Larry. Es war Zeit einen Schlafplatz zu finden als ich die beiden vor Ihrer Garage sitzen sah. Ich winkte sie zur Einfahrt und mit müdem aber freundlichem Lächeln fragte ich, ob ich mein Zelt auf ihrem Grundstück aufstellen könne. Zuerst wurde mir ein Stuhl und Bier angeboten. Ich denke wir waren uns sofort sympathisch. Als ihr erster Sohn aus dem Haus kam, witzelte Larry schon: „ Das ist Rico, ein guter Freund der Familie. Wir kennen ihn schon ewig. So etwas 30 Minuten.“ Der gleiche Spruch kam dann nochmal, als ihr zweiter Sohn zur Tür hinauskam. Der Witz wird auch nie alt werden.

Jedenfalls hatten sie mir ihren alten, neu erworbenen Camper als Schlafgelegenheit angeboten und das bester war wie immer eine heiße Dusche und Wäschewaschen. Am nächsten Morgen fragte Marissa mich, ob ich nicht vielleicht einfach noch eine weitere Nacht bleiben möchte und boten mir einen Tagesausflug an. Warum auch nicht?! Wir fuhren zusammen nach Nevada City und Virginia City, rund 20 Kilometer westlich von Ennis. Was früher die Goldsucher anzog ist heute Besuchermagnet. Alte Gebäude in ihrem Wildwestcharme, heute mit Juwelierläden, Eisdielen und einem weitestgehend authentischen Restaurant.

Oh man… wir hatten einen guten Abend mit guter selbstgemachter Pizza und noch besseren Margaritas. Ich konnte aber noch am nächsten Morgen aus dem Camper klettern.

Auf dem Weg nach West-Yellowstone nahm ich noch einen kleinen Umweg am Henry’s Lake entlang, ein kleines Stück in Idaho. An einem Haus fragte ich, ob ich meine Wasserflaschen auffüllen könne? Ich war so durstig, dass ich zwei Liter fast auf einmal trank und um erneute Auffüllung bat. Im Gespräch kam ich darauf, wie überteuert die Campingplätze in dieser Region seien. Prompt bot mir die Dame des Hauses an, mein Zelt im Garten aufstellen zu können. An diesem Abend hatte ich das erste Mal die Kojoten heulen hören. Kolibris summten umher, Fledermäuse kreisten lautlos in der Dämmerung. Als ich mein Abendessen auf der Wiese aß, da trappte ein riesiger Fuchs vor mir vorbei. Gut, dass mir die Dame erst am nächsten Morgen so nebenbei mitteilte, dass zwei Wochen zuvor ein Reh von einem Bären vor der Einfahrt zerrissen wurde. Ich hätte sonst bestimmt nicht so gut geschlafen. Die Wildnis liegt hier vor der Haustür.

Missouri River

Beim Hineinlaufen nach Great Falls hatte ich erstmalig den Missouri überquert. Von hier an ändert Montana sein Gesicht. Die großen Ebenen liegen hinter mir und die Berge erheben sich. Und endlich mal wieder Bäume und Schatten.

In Great Falls boten mir Brian und Sandy einen Zeltplatz in ihrem Garten an. Beide traf ich den späten Nachmittag vor dem Walmart. Wir hatten einen guten Schwatz und wir sagten tschüss. Nach ein paar Minuten entschieden sie sich aber umzudrehen und mich zu ihnen nach Hause einzuladen. Ich schätze immer wieder die Gastfreundschaft, egal in welchem Land. Für mich ist es immer noch irgendwie abstrakt. Die Leute freuen sich so sehr mich kennenzulernen. Sie sind einfach nur überwältigt von meiner Leistung und sie freuen sich mir etwas Gutes tun zu können.

So sage ich immer: „Ja, es ist ein Weg, den ich allein nicht gehen könnte. Ohne die Unterstützung und Hilfsbereitschaft der Leute auf meinem Weg wüsste ich nicht, wie es mir bis heute ergangen wäre, ob ich Freude an dieser Reise hätte. Und ich bezweifle, ob ich jemals so weit gekommen wäre. Es braucht sehr viel Vertrauen – Vertrauen in Gott, Vertrauen in die Menschen und Vertrauen in mich selbst.“ Dieser Weg sorgt auch einfach für ganz viel Demut.

Da waren auch noch Gus und seine Frau Marilyn. Gus sprach mich an einem kleinen Aussichtspunkt an und auch er lud mich zu seinem kleinen Landhaus etwas abseits des Highways ein. Wir hatten ein paar Bier und Whisky und Marilyn bereitete super Cheeseburger zu. An der Wand hing diese riesige Knarre im Holster (Smith & Wesson 500 Magnum Bear Gun) und er fragte mich, ob ich nicht einmal schießen wolle. Und so, wie man irgendwann Hund in Laos isst, so hat man in den USA irgendwann mal das Schießeisen in der Hand. Der Moment musste einfach kommen. Also ein paar Dosen in der Einfahrt aufgestellt, mir das Handling der Kanone erklären lassen und die Oropax durften auch nicht fehlen. Maaaan das Teil hat einen Rückstoß oder „Kick“, wie man hier sagt. Ich dachte fast, mir reißt es die Finger ab. Fünf Schuss und ich habe keine einzige Dose getroffen. Lag wohl am Bier und Whisky.

Auf einem kleinen Campingplatz traf ich dann vor ein paar Tagen auf Brenda. Mit Tüten voller Proviant in meinen Händen fragte ich sie, ob ich diese über Nacht, sicher vor Bären, in Ihrem Auto lagern könne. Sie meinte darauf, dass es in dieser Gegend keine Bären gebe. Sofort musste ich erwidern, dass ich 200 Meter die Hauptstraße runter Mama-Bär mit ihren zwei Jungen die Straße hab überqueren sehen. Ihr Blick sagte mir dann einiges. Als ich am nächsten Morgen dann meine Sachen wieder abholte, kam die Einladung nach Three Forks, da dies ja auf meinem Weg nach Yellowstone liege. Sofort war ich begeistert denn hier liegt sowieso ein wichtiger Meilenstein. Hier laufen die Flüsse Jefferson, Madison und Gallatin zusammen und bilden den Startpunkt des Missouris. So kam ich gestern in Three Forks an. Brendas Sohn öffnete mir die Tür zum Haus. Ich war so müde, dass ich nach einer heißen Dusche erst einmal einen ausgedehnten Mittagsschlaf brauchte. Mein letzter Ruhetag lag auch schon eine Weile zurück. Nachdem dann Brenda von der Arbeit kam, fuhren wir die paar Kilometer zu den Zusammenflüssen. Vergesst den Mississippi! Der Missouri hat für die geschichtliche und wirtschaftliche Entwicklung der USA die größere Bedeutung. Der Missouri ist das Tor zum Westen. Für mich hat dieser Ort auf jeden Fall etwas Magisches.

Präriehunde und Möwen

Ihr fragt euch bestimmt, ob es nicht doch etwas trostlos und öde in dieser Graslandschaft ist, durch die ich da ziehe? Auf den ersten Blick scheint es wirklich so zu sein, als gäbe es nicht viel zu entdecken. Wenn man aber genau hinsieht, dann gibt es doch so einiges an Leben.

Ein ständiger Begleiter sind die Präriehunde, kleine Nager, die vor allem durch ihr helles Pfeifen auf sich aufmerksam machen. Man sieht sie meist in den Morgen- und Abendstunden. Während der Mittagshitze verkriechen sie sich dann in ihre Tunnel. Die sind echt süß.

Oft passiert es, dass Vögel für eine kurze Weile um mich kreisen und teils auch Scheinattacken auf mich fliegen. Da es in der Prärie natürlicherweise keine Bäume gibt, nisten die Vögel auf dem Boden und so vermute ich, dass sie ihre Nester und Brut einfach nur verteidigen.

Ansonsten gibt es noch zahlreiche Rehe aber die Leute sagen mir auch immer wieder, dass auch Grizzlybären, Kojoten und Wölfe durch das Land streifen und ich mich in achtnehmen soll.

Eines will aber nicht ganz in meinen Kopf. Was zur Hölle machen Möwen hier? An der fischreichen Pazifikküste kann es nicht liegen. Der liegt knapp 900 Kilometer entfernt.

Unabhängigkeitstag

Zum großen Feiertag habe ich mich in der kleinen Stadt Choteau eingefunden. Schon in den ersten Vorgärten saßen die Leute gemütlich beisammen und die Kids spielten Softball. Kleine wie große Landesfahnen schmückten Häuser und Gärten. Einige Bewohner waren in den Landesfarben gekleidet. Die Stimmung war recht gelassen. Nichts an diesem Tag aber schien überhöht und übertrieben. Von überschwänglichem Patriotismus war nicht viel zu sehen.

Ich suchte erst einmal den Campingplatz auf. Für drei Tage wollte ich meinen Füßen etwas Ruhe gönnen. Nachdem das Zelt stand ging es auch schon zum Hauptevent – dem Rodeo. Nicht nur Cowboys, auch Cowgilrs schwangen hier ordentlich das Lasso und fingen die Kälber ein. Ungemütlich und hart war dann aber doch das Bullenreiten. Das tat teils schon beim Hingucken weh und einige Teilnehmer verließen humpelnd die Arena.

Einen Tag zuvor wurde mir erzählt, es gebe einen Wettbewerb, bei dem drei Männer eine wilde Kuh melken müssen. Als zwei versuchen diese irgendwie zu packen und der dritte muss dann so viel Milch wie möglich melken. Oh man, die spinnen. Aber was Amerikaner halt so machen…

Montana

Es ist geschafft. Am 29. Juni habe ich die Grenze passiert. Ein bisschen Bammel hatte ich schon. Dachte, die Grenzbeamten seien ganz besonders streng. Aber alles verlief gut und im Nachhinein war es auch recht lustig. Erst einmal musste ich mich für ungefähr zehn Minuten in der Warteschlange zwischen den Autos einreihen. Und dann wurde es spannend. Die üblich zu erwartenden Fragen wurden gestellt. Warum ich mit einem Visum anstatt mit eines ESTA (Einreiseregistrierung) einreise? -> Wegen Iranaufenthalt. Ob ich frisches Obst und Gemüse sowie Fleischprodukte dabei hätte? -> Rind in meiner Dosensuppe. Aufdruck „Product of USA“ aber halt in Kanada gekauft. Da hat er ein Auge zugedrückt und es durchgehenlassen.

Dann musste ich nur noch in die Lobby für meinen Stempel. Hier wurde noch einmal ein Foto von mir gemacht und Fingerabdrücke von einem weiteren Grenzbeamten genommen. Wie meine Adresse für die Nacht sei? -> „Ich habe keine. Der Campingplatz heißt Leaning Tree und liegt bei Babb. Er brauche aber eine eindeutige Adresse! So wie ich mein Telefon aus der Hosentasche zog, meinte er, ich soll es gut sein lassen. Er trage jetzt irgendwas in den Computer ein. Das fand ich schon eine klasse Aktion. Stempel in den Pass gedrückt und gefragt, wie lange ich denn bleibe? Hab ihm mein Rückflugdatum Ende September genannt und er wieder „Ach, schon gut. Gültig bis 28. Dezember 2022.“ Notiert und FERTIG.

Unweit vom Checkpoint dann eine erste kleine Überraschung. Bisons! Zwar nicht in freier Wildbahn sondern als zukünftiges Steak aber hey… schön sie zu sehen. Hatte sie mir aber etwas größer und wuchtiger vorgestellt.

Ansonsten ja… Die Weite lässt mich nicht los und ich könnte euch weiter hunderte Bilder dieser Landschaft präsentieren. Hinter jedem Hügel wartet ein paar Kilometer weiter auch schon der nächste Hügel, und dahinter wieder der nächste. Das geht jeden Tag, den ganzen Tag so. Hier und da frisst sich ein Bach seinen Weg durch das Land. Ein paar Rinder und Pferde sind auf den riesigen Weiden ein immer prägendes Bild. Nur die Berge westlich von mir nehmen immer eine neue Gestalt an. Thronte noch der Häuptlingsberg (Chief Mountain) vor einer Woche neben mir, ist er jetzt weit hinter dem Horizont verschwunden. Manchmal scheinen die Straßen im nichts zu verschwinden.

Ich bin einfach nur überwältigt.

Oki – Hand aufs Herz

An meinem vorletzten Abend in Kanada kam ich an den Rand des Reservats der Blutindianer (Blood Indian), einem Schwesterstamm der Schwarzfußindianer (Blackfeed Indian). Hier einfach mal sein Zelt aufzustellen ist so eine Sache. Es mag einige Indianer geben, die es vielleicht gelassen sehen, für die anderen jedoch ist es das letzte Stückchen Land, welches ihnen geblieben ist. Die Geschichte der Invasion durch die Europäer ist vielschichtig und doch recht düster. Da gibt es nichts zu beschönigen. Verständlich, dass man da vielleicht doch unerwünscht ist.

Von einer Brücke aus sah ich Kinder im Back planschen. Die Eltern saßen am Strand und ich winkte hinüber. Sogleich kam der Vater die Böschung hinauf. Augenscheinlich ein Indianer. [Anmerkung: Glaubt nicht, dass die hier mit Federn im Haar und mit Pfeil und Bogen herumlaufen. Heutzutage kleiden sie sich westlich.] Immer gleich die Hand zu reichen ist je nach Kulturraum oftmals unüblich. Doch wie begrüßt man eigentlich einen Indianer respektvoll? Ich hatte keine Ahnung. Aus meiner Erfahrung kann ich aber sagen, dass eine Geste immer funktioniert. Ich legte meine Hand auf die Brust und sprach ein kleines „Hello!“. Sofort erwiderte mit gleicher Geste und oben angekommen legte ich nochmals die Hand auf die Brust und er tat dem gleich. Irgendwie schien so gleich das Eis gebrochen und er stellte sich als Junior vor zusammen mit seiner Frau Christel.

Natürlich gab es mal wieder viele Fragen zu meiner Reise aber auch wollte ich doch etwas über das Leben der Ureinwohner heutzutage wissen. Kleine Geschichten über die Jagd, wo die Kinder zu Schule gehen, Verwaltungsstrukturen aber auch zunehmende Drogenprobleme in den Gemeinden füllten den Nachmittag bei einem kleinen Feuer am Bach.

Da es keine besonderen Campingmöglichkeiten weiter innerhalb des Reservats gebe, erlaubten er und seine Frau mir, die Nacht am Bach verbringen zu können, womit ich mich ein kleinen wenig geehrt fühlte. Und was mir noch mit auf den Weg gegeben wurde war das Wort „Oki“, was in der Sprache der Blut- und Schwarzfußindianer der allgemeine Gruß sei. Man würde es schätzen, wenn ich sie so grüße.

Offene Weite

Vor drei Tagen habe ich nun den letzten großen Pass in Kanada genommen. Bei bestem Wetter ging es mit reichlich Rückenwind und Schiebesonne geschmeidig ohne nennenswerte Steigung zum Crowsnest Pass hinauf. Es bedeutet so langsam den Abschied von den Rocky Mountains – vorerst.
Vor mir liegen die offenen Great Plains Albertas. Weites Grasland bis zum Horizont… Prärie… auf rund 1200 Metern Höhe. Wie sehr habe ich mich nach diesem Anblick gesehnt. 🥺 Die Rocky Mountains sind fantastisch anzusehen aber mein Herz schlägt für diese offene Weite. Hier kann ich mich verlieren. In den folgenden Bildern könnte ihr den Übergang bestimmt gut nachvollziehen.

So langsam ist es der Zeit Richtung Süden einzuschlagen. Rechter Hand ragt die letzte Bergkette wie ein riesiger Wall hervor. Eine Grenze zwischen zwei Welten. Meine letzten Tage in Kanada sind dann auch gezählt. Der Checkpoint zu Montana ist nicht mehr weit.

Nach langer Zeit ist heute Nacht mal wieder ein Trampolin mein Bett. Bequemer geht es wirklich nicht. Die Nacht verspricht trocken und klar zu werden. In den Sternenhimmel zu starren… Was kann es schöneres geben?