Da ich noch einige Forint in der Tasche hatte, lief ich in Mezökovacshaza einen Campingplatz an. Er war sehr klein und außer mir war nur noch ein älteres Dortmunder Pärchen da. Inge und Karl Heinz (auch Carlos genannt), 63 Jahre verheiratet und immer noch glücklich. Der übliche Smalltalk fand statt und alles war nett und friedlich. Ich lang schon gegen 20:30 Uhr in meinem Zelt zum Schlafen. Gegen 23:30 Uhr kam Inge zu meinem Zelt >> Hallo! Hallo! Können Sie mal bitte kommen? Mit meinem Mann stimmt etwas nicht. << Da läuteten mir schon die Alarmglocken. Ich kroch aus meinem Zelt und ging in die kleine Ferienwohnung und da lag ihr Mann, das Gesicht bibbernd verzogen und die Linke Seite des Körpers war gelähmt. Mist, Schlaganfall! Gleich zur Pforte gerannt und der Nachtwache pantomimisch in zehn Sekunden klar gemacht was los ist und der rief den Arzt der zügig eintraf. Na ja es ist nur zu hoffen, dass er das ganze überlebt hat und nochmal vernünftig auf die Beine kommt. Immerhin war das nächstgelegene Krankenhaus 30km entfernt. Die ganze Sache hat schon etwas zugesetzt und mich nicht schlecht schlafen lassen aber das ist wohl im Gegensatz zu Carlos‘ Zustand das kleinere Übel.
Artgenossen
Hab auf meinem Weg ein paar Artgenossen getroffen. Erst einen Franzosen aus Strasbourg, der per Anhalter auf dem Weg nach Istanbul ist, sich aber für die Strecke Wien – Budapest fix ein Fahrrad gekauft hat. Bald darauf fuhren zwei Ukrainer an mir vorbei aber denen war wohl ein Stopp für einen kleinen Plausch zu viel. Ein paar Tage später stieß ich auf einen Polen der von Griechenland nach Budapest wollte. Auch hübsch. Geil war aber der Spanier den ich eines Morgens vor einer Bäckerei traf. Der war schon wieder auf dem Rückweg seiner Tour Spanien – Australien – Spanien. Krasser Typ. Zweieinhalb Jahre sei er dafür unterwegs und nützliche Tipps habe ich auch von ihm erhalten, besonders was das Reisen im Iran, Indonesien oder Myanmar angeht.
Ich bin einfach nur froh, dass ich nicht der einzige Verrückte auf dieser Welt bin!
Auf der Suche nach einem Nachtlager stieß ich auf ein Sommercamp einer katholischen Jugendgruppe. Warum nicht einfach dazugesellen? Na ja der alte Priester war etwas mürrisch und wies mir einen Platz auf der anderen Straßenseite vor der Kirche zu. Ein paar Meter vor alten Grabsteinen mein Zelt aufzuschlagen war auch für mich neu. Gut aber, dass der alte Priester nicht die Messe gehalten hat. Stattdessen war es ein junger, indischer Priester der die Meute gut unterhalten hat. Ich habe zwar kein Wort verstanden aber der war voll bei der Sache und hat mich mit seinem starken Leuchten in den Augen auch mich mitgerissen. Die Hauptbotschaft, so wurde mir mitgeteilt, war „Sei niemals ein leeres Ei“ aber um das jetzt weiter auszuführen… keine Zeit. Toll war aber, als er zum Schluss die Gitarre in die Hand nahm und den alten Ronan Keating-Hit „When You Say Nothing At All“ sang. GRANDIOS ;‘-)
Dann war noch Fußball angesagt. Keine Ahnung woher ich an diesem Tag noch die Kraft dafür nahm aber zwei Tore gingen auf mein Konto. 😉
Großes Dankeschön aber an Mihály, der mir den Dolmetscher gemacht hat, mich „betreute“ und so den Abend richtig gelingen ließ.
Die Puszta
Die Puszta ist eigentlich eine Steppenlandschaft, würde sie vom Menschen nicht kultiviert werden. Weite Ebenen erstrecken sich oft bis zum Horizont. Die Ungarn scherzen schon, es so so flach, dass man die Erdkrümmung erkennen könne. Hier ist alles etwas ursprünglicher, rauer, auch ärmer. Das merkt man auch den Menschen an aber der Gastfreundschaft mangelt es deshalb nicht.
Bevor ich nach Ungarn gekommen bin, hatte ich ein paar Couchsurfing-Anfragen für den Norden des Landes gestellt. Ohne Erfolg doch wie es der Zufall manchmal so will, lief ich heute aus der kleinen Stadt Tiszakecske hinaus zur Fähre und zehn Minuten später hielt ein kleiner Van und es schrie nur noch „You are the chouchsurfer!“ Verdutzt drehte ich mich um und sah zwei Typen in der Karre. Es war Benyeczkó, den ich unter anderem bei Couchsurfing angefragt hatte, der gerade auf Besuch hier bei ein paar Freunden war und sich an mich erinnerte. Es wurde geplaudert und als ich auf die Frage, ob ich schon einen Schlafplatz für die Nacht hätte, verneinen musste, wurde ich prompt von seinem Kumpel ins private Lager eingeladen.
Grillparty war angesagt (Mannnn ist der Speck hier gut) und dann kamen noch zwei Reiter vorbei die gleich mal angehalten wurden. Es war ein toller Abend am Lagerfeuer und heute Morgen wurde ich dann auch zur Fähre gebracht. Eigentlich ist es eine Autofähre aber da die Tisza, zu Deutsch Theiß, gerade Niedrigwasser führt, war es nur ein kleines Boot. Gerade groß genug für meinen Karren. Na ja, alles bestens sage ich euch.