Eine harte Woche

Meine Straßenkarte offenbarte mir schon, dass es zwischen Mackay und Rockhampton etwas dürre werden könnte und auch einige Leute, die ich bisher so entlang des Highways getroffen hatte meinten zu mir, dass da nicht viel sei. Von Mackay nach Sarina, der letzten größeren Ortschaft in Richtung Süden, war es noch ein recht bequemer Tagesmarsch. Dort konnte ich mich in Sarina nochmal mit Essen eindecken. Danach? Danach kam erst einmal 300 Kilometer nichts. Na ja, fast nichts. Clairview, Saint Lawrence, das etwa sieben Kilometer abseits des Highways liegt, Marlborough und zum Schluss noch Yaamba waren kleine Siedlungen, die mir das Überleben garantieren sollten. Da Clairview von Sarina drei und Marlborough nochmal weitere drei Tagesmärsche entfernt lag, bot es sich an, an die jeweiligen Poststellen Pakete mit Verpflegung zu schicken. Unmöglich wäre es gewesen für die vollen neun Tage Proviant mitzuführen. Sicherlich haben die genannten Orte auch kleine Läden aber die Auswahl ist oft bescheiden und die Preise recht hoch. In dem Sinne hatte ich wohl alles richtig gemacht.

 

 

Schwieriger wurde es aber schon beim Thema Wasser. Sechs Flaschen á 1,5 Liter Wasser und einen Wassersack mit zehn Litern Fassung als Reserve und für die Hygiene hatte ich dabei. Die Flaschen wurden bei jeder Gelegenheit aufgefüllt aber von den Gelegenheiten gab es nicht viele. Und Glück war auch noch wichtig. Da saß ich zum Beispiel am Zugang zu einer Farm um Rast zu machen, als plötzlich Penny von der Straße einbog. Erstmal bot sie mir einen Platzt im Schatten vor ihrem Haus an. Gott sei Dank stand das Haus nicht kilometerweit von der Straße entfernt, wie es manchmal vorkommen kann. Mit eiskaltem Wasser konnte ich den ersten Durst stillen und am Ende noch meine Flaschen auffüllen.

Eines anderen Abends schaffte ich es noch zu einem Campground genannt „Brandy Bottle“. Rund sechs Euro für die Nacht waren mir eine heiße Dusche wert. Und wie überall hier in den ländlichen Gegenden wird Regenwasser in großen Tanks gesammelt und zum Trinken verwendet. Man kann es ungefiltert trinken. Zumindest hatte ich nie Probleme nach dem Genuss. Im Zweifelsfall habe ich Pillen zur Wasserentkeimung dabei aber die nehme ich nur, wenn das Wasser einen eigenartigen Nachgeschmack hat. Es war wirklich nicht so einfach. Um sicher zu gehen immer genügend Wasser dabei zu haben, winkte ich sogar ein paar Mal mit einer leeren Flasche den Autos entgegen. Länger als zehn Minuten dauerte es nie bis einer anhielt mir seinen vielleicht letzten Rest Trinken gab. Viele Gesten die ich schätzte und für die ich so dankbar bin.

In Marlborough machte ich Frühstück und war froh, mir einfach mal einen Apfel und einen Orange kaufen zu können (umgerechnet 2 Euro pro Frucht). Ständig das Dosenfutter zu mampfen macht auf Dauer nicht glücklich. Als ich die Verkäuferin fragte, ob ich meine Flaschen auffüllen dürfe, guckte sie für einen Moment wie „Das geht gar nicht! Du kannst auch Wasser kaufen.“ Aber dann atmete sie kurz durch und lies mich an den Wasserhahn.

Hier lernte ich auch Craig Landy kennen, ebenfalls ein Abenteurer aber mittlerweile mehr im Abenteuerruhestand. Zu Pferd machte er sich mit seiner damaligen Partnerin auf den Weg entlang des Bicentennial National Trail auf, teils mit Zigeunerwagen. Die Etappen des 5330 Kilometer langen Trail legten sie auf mehrere Jahre verteilt zurück. Er zeigte mir Bilder und diese zeigte mir, wie es vor 200 Jahren zugegangen sein muss, als die Siedler das Land eroberten. Großartig.

 

 

Es gab aber noch weitere Glücksmomente. Jacky, die Besitzerin von „Brandy Bottle“ meinte, wenn ich es am nächsten Tag bis nach Saint Lawrence schaffe, solle ich einfach im Pub schöne Grüße von ihr ausrichten und nach einen Schlafplatz hinterm Haus fragen. Mich etwas dahinschleppend hatte ich Saint Lawrence und das Pub erreicht. An diesem Abend war ich recht selig. Die Bar hatte noch wie so oft und überall auf dem Land diesen altbackenen Charme. Ich liebe es. Ich setzte mich neben einen der Männer an den Tresen und wir begannen zu reden. Er meinte, nicht viele Touristen verlieren sich an diesen Ort. Umso schöner, dass ich meinen Weg hier hergefunden habe. Alle waren froh mal wieder ein neues Gesicht zu sehen. Man unterhielt sich über meine Reise und andere Belanglosigkeiten. Man redet leise, höflich und lächelt einfach nur. Keineswegs ein Laden, in dem die ganzen Trucker nach Feierabend absteigen und man sich ständig das f-Wort anhören muss. Es schien so, als seien alle Probleme dieser Welt ganz weit weg. Hier macht jeder sein Ding und genießt einfach das Menschsein. Es war schön die paar Leute im Pub zu beobachten. Alles war so friedlich und entspannt. Mein Nachbar zahlte mir meine drei Bier. Ich drückte ihn, wünschte eine gute Nacht und verschwand in mein Zelt.

Eines Nachts fror es mich und ich kroch aus meinem Zelt um meinen Schlafsack zu holen. Der Mond war bereits untergegangen und auch keine Wolke stand am Himmel. Es war eine kalte aber dafür fantastisch klare Nacht. So viele schöne Sterne.

Auf meiner Reise brauche ich manchmal einen Anhaltspunkt um mir zu vergegenwärtigen, wo ich eigentlich bin. Ein Symbol oder irgendetwas Typisches für die Gegend. Wie etwa die Blaue Moschee in Istanbul oder den Fuji in Japan. Diese Nacht schweifte mein Blick über das helle Band der Milchstraße und dann war es keine große Mühe das Kreuz des Südens zu entdecken. Glücklich machte ich mir klar „Hey! Ich bin auf der Südhalbkugel.“