Vorteil Moschee

Hier im Orient bietet mir als Reisender die Moschee viel Vorteil. Sie steht fast in jedem noch so kleinen Ort. Es gibt Toiletten und fließend Wasser. Man kann sich also erfrischen oder gar ganz waschen. In der Regel ist um die Moschee herum ein Garten mit Bäumen und gepflegtem Rasen, ein paar Bänken und manchmal auch Tischen. Perfekt also um auch mal das Zelt aufzuschlagen, wenn sich sonst kein geeigneter Platz finden lässt. Es hat mir so schon ein paar Abende gerettet wie auch heute, wenn die Dunkelheit herein bricht. Es stört sich auch niemand daran wenn ich hier campe.
Glück ist dann auch noch, wenn die Gemeinde einen guten Muezzin hat. Der, den ich heute höre, macht seinen Job ganz gut. Ist nicht immer so. Manchmal ist es ein schwer zu ertragendes Gekrächzte und wenn das dann noch Früh um 6 Uhr losgeht…
So eine Selbstverständlichkeit sein Zelt einfach aufschlagen zu können und vielleicht noch eine sanitäre Einrichtung, das würde ich mir gerne für unsere Kirchen wünschen.

Ein kleiner Nachtrag aus Ankara.

Besuch des Mausoleums von Mustafa Kemal Atatürk. Staatsgründer, Haudegen und Vater der Türkischen Nation.

Welch wunderschöner Effekt, wenn das Objektiv nicht richtig geputzt ist. Rico der Löwenbändiger. Im Glanze und voller Anmut kommet er daher geritten als wolle er sagen: „Zahlen bitte!“

 

Çorum

Gastfreundschaft habe ich bis jetzt in jedem der von mir durchkreuzten Länder erlebt. Da macht die Türkei keine Ausnahme. Wenn ich so entlang der Straßen durch die Ortschaften laufe, ziehe ich allerhand Blicke auf mich und oft dauert es nicht lange, da winkt man mich schon auf ein Glas Tee heran. Sei es eine kleine Gruppe von älteren Herren vor dem Teehaus, der Händler in seinem Geschäft oder der Tankstellenbetreiber, überall will man mehr über mich wissen. An manchen Tagen muss ich dann auch mal der Einladung abwinken, da ich sonst mehr sitze als laufe.

Ein paar Tage vor Ankara hielt ein Auto am Straßenrand. Zwei junge Kerle und Mädels stiegen aus und fragten mich das Übliche. Die Vier sind Mitglieder der kürzlich erwähnten Interrail Türkiye FB-Gruppe und waren auf dem Weg zu einem Camp. Wir waren allesamt gut gelaunt, plauderten und Ersin lud mich dann letztendlich in seine Studenten-WG in Ankara ein. Er und seine Mitbewohner sind allesamt musikalisch und das sorgte immer wieder für einen guten Sound in der Bude. Auch sein weiterer Freundeskreis war richtig klasse. Mit den anderen dreien aus dem Auto besuchten wir ein kleines Konzert in einem Klub, gingen hier und da was trinken und machten kleine Ausflüge in der Stadt. Oft fragten sie mich: „Was möchtest du sehen oder machen?“ Ich sagte immer wieder: „Zeig mir DEINE Welt.“
Der Campus der Technischen Universität OTDÜ zieht sich etwas in die Länge. Er ist so groß, da trampen die Studenten auch mal gern innerhalb des Geländes. So war es auch ein netter Zeitvertreib, einfach den Campus mit dem Auto hoch und runter zu fahren und die Leute zu befördern. Läuft eben alles etwas anders als in Deutschland.  Der Campus hat sogar seine eigene Security. Der Polizei ist es nur mit Genehmigung des Rektors der Uni erlaubt das Gelände zu betreten.

Viele wundervolle Menschen hatte ich in den Tagen kennengelernt. Das Attentat von Ankara brachte mir jedoch einen wirklich bitteren Beigeschmack. Beim Verlassen der Stadt wühlte sich jede Art von Emotion durch meinen Körper. Freude und Dankbarkeit, Trauer, Enttäuschung. Mir flossen Tränen vor Erleichterung, Groll, Mitgefühl, Unverständnis. All das Gute was ich erfuhr bekam plötzlich Risse und drohte zu zerbrechen. Es war kein Guter Tag zum Laufen und die Tage danach waren kaum besser. Das ganze Chaos musste erst mal wieder seine Ordnung finden

So langsam stellt sich aber wieder das Leben in mir ein. Besonders nach dem gestrigen Abend hier in Corum geht es wieder voran. Mein Gastgeber Fatih und sein Kumpel Abdulkadir hatten mich letzte Nacht durch die Stadt geführt und ein paar Freunden vorgestellt. Alle waren hellauf begeistert von meinen Vorhaben und von dem, was ich schon hinter mir habe. Ich wurde bekocht, mir wurden Süßwaren gekauft, die ich unbedingt probieren müsse und, und, und. Jeder der Freunde wollte ein Foto mit mir und alles war herzlich amüsiert.
Der Beginn des Abends – das muss ich noch erwähnen – hatte einen faden Beigeschmack. Fatih’s Vater ist Parlamentarier der AKP (oder auch AK Partie, wie ich es doch bitte nennen solle.) Ich wurde also zur Parteizentrale geführt. Da musste ich schon mal tief durchatmen. Wir warteten bei Tee auf einen Freund und fanden dann eintritt in dessen Büro. Ein junger Mann, gut gekleidet empfing uns und der übliche Smalltalk begann. Es war ganz relaxt doch irgendwann kam dann doch die Frage, was ich denn so vom Präsidenten Erdogan halte? Meine erste Antwort mit ernstem Gesicht: „Ich mag ihn nicht!“ Ich guckte in zwei etwas enttäuschte Gesichter. Eine große politische Debatte wollte ich nun unbedingt vermeiden und versuchte meine Meinung diplomatisch zu verkaufen. Ich machte schon mit Bestimmtheit klar, dass ich glaube, dass Erdogan sein eigener Stuhl wichtiger sein als die Belange des türkischen Volkes. Ich verglich ihn wie mit jedem anderen Politiker, so auch mit Merkel, der zu lang an der Macht ist. Irgendwann werden sie Träge, Müde und verlieren den Blick für die Realität. Sprich, sie werden unfähig zu regieren. Auf diesen Grundsatz habe ich es dann mal belassen.
Der junge Herr gab mir mit einer Überzeugung zu verstehen, dass die Wahlen am 1. November zu Gunsten der AKP ausgehen werden und die Welt werde dies für gut heißen. Da konnte ich nur noch mit den Augen rollen.
Dann wollten sie noch auf den obersten Parteitypen der Stadt warten um ein Foto mit mir und ihm zu machen aber dies lehnte ich sofort ab. Ich mache keine Werbung für irgendwelche Politiker und Parteien. Erst recht nicht für die AKP. Für ein Erinnerungsfoto mit uns Dreien hat es noch gereicht.
Soweit.

Heute ist etwas Chillen angesagt. An meinem Zelt ist mal wieder eine kleine Schwachstelle zu reparieren, meine Wäsche ist gewaschen und hängt zum Trocknen auf dem Ständer, ich hab mal wieder etwas Zeit euch ausführlicher zu schreiben und gleich werde ich mir mal neue Unterwäsche kaufen gehen. Ist nötige, denn ein Paar Socken hält höchstens zwei Wochen und meine Schlüpper verliere ich manchmal, wenn ich sie zum Trocknen an den Rucksack hänge.

 

Explosion

Falls ihr jetzt Nachrichten lest oder guckt -> Explosion in Ankara! Bei mir ist alles gut. Nur grade ein scheiß Gefühl in der Stadt zu sein.

Vor Ankara

Es hat sich einiges geändert auf meinem Weg. Sicherlich habt ihr schon bemerkt, dass nicht mehr die tollen Fotos mit Familien, bei denen ich mein Zelt im Garten aufschlagen kann, von mir gepostet werden. Hübsche Gärten sind sehr, sehr selten geworden und die Familien dazu auch. Keiner mehr, der mir ein Abendessen macht oder meine Kleidung wäscht. Ich campe nun fast täglich irgendwo neben der Straße. Meine Dusche besteht aus zwei Wasserflaschen und einem Deckel, er mit drei kleinen Löchern präpariert wurde. Reicht völlig aus um ordentlich sauber zu werden. Mein Hemd? Na ja es steht schon fast manchmal vor Dreck. Wenn es sich anbietet, dann wasche ich meine Kleidung in einem klaren Bach oder See. Was sich auch anbietet sind kleine, künstliche Wasserquellen die am Straßenrand aufgestellt werden. Was ich wirklich gut finde, dass es auch an jeder Moschee Wasser und sogar eine Toilette gibt. So ist die Mosche auch immer eine gute Alternative zum Übernachten und hat mir schon ein paar Mal den Abend gerettet. Einfach mal die Leute im Ort fragen, ob es in Ordnung ist dort zu campen. Noch hat keiner Nein gesagt. Alle sind sehr hilfsbereit.

Das Wetter ist seit Bulgarien wesentlich kühler und so angenehmer zum Laufen geworden. Gerade hier für die Türkei ist es perfekt. Nur so ein Regentag kann mich schon mal ausbremsen und am nächsten Morgen wieder in die nasse Kleidung zu springen… mhhh.
Die Tage sind auch kürzer geworden. Bin ich zu Anfang meiner Tour im Sommer oftmals schon 05:30 Uhr aufgestanden um in der Kühle des Morgens laufen zu können, brauche ich heute nicht vor 07:30 Uhr aus dem Zelt zu gucken. Und abends 19:30 Uhr ist es auch schon wieder dunkel und ich liege eingemummelt in meinem Schlafsack.

Nichtsdestotrotz treffe ich immer wieder auf tolle Leute die mich zum Beispiel zum Tee einladen oder mit von ihrem Gemüsestand an der Straße einfach mal was zum Essen mitgeben. Das türkische Volk ist wirklich sehr gastfreundlich und ich fühle mich wohl und sicher.