ARTE | Mit offenen Karten – Georgien
ARTE | Mit offenen Karten – Georgien nach dem…
Das östliche Ende des Schwarzen Meeres ist erreicht. Fünf Monate sind rum und es liegen nun über 4000 Kilometer hinter mir. Da bin ich fast schon selber von mir erstaunt so weit gelaufen zu sein.
Die letzten zwei Wochen hat es gefühlte 17 Tage geregnet. Dabei habe ich mir einen schönen Schnupfen eingefangen. Sonst bin ich aber bei guter Verfassung. Blasen an den Füßen gehören schon lange der Vergangenheit an. So richtig Schmerzen hatte ich das letzte Mal in der ungarischen Puszta. Ein fieses Stechen im rechten Fuß, was mir drei Tage lang das Auftreten schwer machte. Gut, nach so manchen Tag bewege ich mich schon wie ein alter Mann und Treppen liegen mir auch nicht so ganz.
Heute hatte ich meinen Weg nach Batumi fortgesetzt und werde hier die kommenden drei Nächte in einem Hostel verbringen. Die Preise sind echt günstig. Ab 3 Euro pro Nacht kann man in der Stadt als Low-Budget-Reisender schon unterkommen. Gleiches Preisniveau gilt auch für Tiflis. Das freut mich sehr, denn habe ich erfahren, dass mein Plan, in Tiflis in einer Studenten-WG unterzukommen, nicht sehr realistisch ist.
Die Lady an der Rezeption fragte ich, welche typisch georgische Mahlzeit ich denn probieren solle und wo das dazugehörige gute Restaurant ist. Empfohlen wurde Adscharuli Chatschapuri. Ein Brot, welches als Schüssel für den sich darin befindenden Käse dient. Ein Spiegelei oben drauf und das Ganze mit Butter bestrichen. Mundet ganz gut, sorgt aber auch nicht gerade für die Geschmacksexplosion. Vielmehr ist dieses Gericht die absolute Protein- und Fettbombe. Genau das, was ich brauche. Es macht mich jedoch eben ziemlich träge.
Eine kleine und hübsche Stadt zum Verlieben, das ist Batumi. Im Gegensatz zu türkischen Schwarzmeerstädten, wo einfach nur ein Betonklotz an den nächsten gesetzt wird, hat sich hier der Kolonialstil noch erhalten. Ok, auch hier findet man einige Bausünden jedoch wirkt alles noch sehr locker und teilweise verspielt. Die Boulevards und Gassen sind grün bepflanzt. Palmen säumen die Strandpromenade sowie Altstadt. Es scheint aus wie ein netter Mix aus Ostsee und vielleicht Barcelona und wirkt auf das europäische Auge vertraut.
Es ist Nebensaison. Kühle anstatt Schwüle und jede Menge Regen. Touristen, die hier im Sommer die Hotels, Cafés und Gassen füllen haben sich rar gemacht. Im Hostel treffe ich mal wieder allerhand interessante Reisende, unter anderem Christopher aus Kahla, der den Iran sechs Wochen lang bereiste und schon mal aus dem Nähkästchen plauderte. Aber auch viele Radfahrer sind unterwegs und ein belgisches Paar, welches mit einem alten Lada quer durch Zentralasien fährt. Genial aber ich glaube ich schieße mit meiner Story hier echt den Vogel ab.
Vorletzte Nacht kam doch das erste Mal tatsächlich der Frost. Als ich früh aufwachte, war doch eine Eisschicht auf meinem Wagen zu sehen. Auch hatte ich mich schon gewundert, warum es nicht so ganz kuschlig warm in meinem Schlafsack wurde. Ok, ich hatte auch nur T-Shirt und Schlüppi an, wie sonst auch aber nun ist es definitiv Zeit für lange Unterwäsche.
Auf meinem Weg nach Kutaissi lief ich durch das breite Flussdelta des Rioni Flusses in der Kolchischen Tiefebene. Im Norden wie auch im Süden erstrecken sich die Gipfel des Großen bzw. Kleinen Kaukasus‘.
Ein wenig bin ich doch von der Vegetation überrascht. Es herrscht subtropisches Klima und so wachsen hier sogar Bananenbäume, Bambus, viel Kaki und auch Kiwi. Sehr exotisch also. All das eben im Kontrast zu dem Schnee im Hintergrund.
Wenn ich so über die Dörfer laufe, dann sehe ich schon einige leere und verfallene Häuser. Junge Menschen sind selten. Die Alten beherrschen das Bild. Abseits der Hauptstraßen geht es über Schlaglochpisten und durch so manchen Matsch. Es wirkt grau und runtergekommen. Batumi sticht da wohl wirklich als Perle der Region hervor. Kutaissi hat da als zweitgrößte Stadt Georgiens nicht mehr zu bieten. Seit ein paar Jahren hat hier das georgische Parlament seinen Sitz und sehenswert sind einige Burgen und Kirchenruinen wie auch die sanierte Bagrati-Kathedrale, welche zum Weltkulturerbe gehört. Dennoch strömt ein gewisses Flair durch die Straßen. Alles ist sehr geschäftig und dennoch entspannt.
Also ich hab nichts als einen Windhauch abbekommen. Körperlich ist alles fit.
An den Alu-Profilen ist einiges Verbogen und ein paar Winkel die das Ganze zusammenhalten (zusammenhielten) sind jetzt für die Tonne. Gut also, dass ich genug Ersatzteile dabei habe. An der Dachbox hat es Hinten den Kunststoff rausgerissen, da wo sie an den Rahmen geschraubt wird. Laminierharz und Matte wäre eine super Option.
Bis vor einer halben Stunde hab ich hier noch mit der Polizei gesessen. Die haben ihren Job ernst genommen, haben einen Zeugen eine Aussage schreiben lassen, alles genau dokumentiert und hatten sogar eine Frau aus der nächsten Stadt aufgetrieben, die Deutsch sprach und übersetzen konnte. Mit deren Arbeit bin ich also sehr zufrieden. Leider konnte ich kein Kennzeichen nennen. Es war, wenn ich mich recht erinnere, ein großer, schwarzer Mercedes.
Gute Nacht!
Seit heute Mittag rollt mein Wagen wieder. Hatte dabei einen tatkräftigen Handlanger aus dem kleinen Straßenrestaurant, vor dem die ganze Sache passiert ist. Nachdem ich den Wagen demontiert hatte, konnte ich erstmal komplett sehen, was kaputt ist. Also zwei Alu-Profile waren richtig krumm, der Rest blieb unberührt. Hatte gut Kraft gekostet die 30mm-Profile wieder in akzeptable Linie zu bringen. Es ist nicht perfekt aber immerhin… . An der Dachbox sind an den jeweiligen Befestigungsstellen vorn rechts und hinten links Risse, hinten rechts ist sogar der Kunststoff ganz rausgerissen. Das habe ich soweit erstmal mit Tape fixiert. Ist eine Notlösung die bis Tiflis halten wird. Damit die Risse aber auch nicht weiter belastet werden, habe ich dank Kumpel Henry’s Supi-Dupi-Taschenmesser mit Bohrahle ratze-patze neue Löcher versetzt bohren können. Das Ding ist Gold wert!
In Summe hat die Aktion dreieinhalb Stunden gedauert.
Ich bin nicht allein! Vor ein paar Tagen, nach einer eisigen Nacht traf ich morgens auf Joel aus Kalifornien / USA. Ich war völlig überrascht und erfreut, hatte ich bis jetzt immer nur Rad fahrende Weltenbummler angetroffen.
Joel geht langsam auf die 50 zu und meinte, dass er beruflich immer viel mit dem Flugzeug zwischen Amerika, Europa und Asien unterwegs war. Wenn man immer nur aus 10.000 Metern nach unten guckt, stellt man sich eben irgendwann die Frage, wie es wohl da unten ausschaut und wie die Menschen so ticken. Also Job hingeschmissen, sich ein rollendes Zuggefährt zugelegt und los geht‘s solang es die Knochen noch mitmachen. Start war auf Sri Lanka und es ging quer durch Indien und Pakistan. Da öffnete ich schon die Augen weit auf und fragte nach der Sicherheitslage in Pakistan. Er meinte, ich solle das Land meiden (steht auch nicht auf meiner Liste). Er wurde gekidnappt und das sei eine Erfahrung, die man nicht machen wolle. Er hatte „Glück“. Es war der pakistanische Geheimdienst und nach einem halben Tag Verhör mit teils vorgehaltener Waffe sei er wieder auf freien Fuß gewesen aber er hätte auch an die ganz üblen Typen geraten können. Seine Routenplanung sah auch Afghanistan vor aber nach der Story beschloss er die paar hundert Kilometer nach Tadschikistan zu überfliegen.
Weniger psychisch als mehr körperlich belastend muss Usbekistan gewesen sein. Für die 1300 Kilometer bis zur kasachischen Grenze hatte er lediglich vier Wochen Zeit, was einen Schnitt von 46 km/Tag bedeutet hat und das nur durch Wüste. Respekt!
Taffer Typ, auf jeden Fall. Was bei ihm keinesfalls fehlen darf ist die Zigarre.
Folg ihm und lest seine Stories über seinen „The Long Walk Home“ unter der Adresse:
Joel… Best wishes!
Wohlbehalten bin ich gestern in Tiflis angekommen. Mein Zimmer im Hostel teile ich mir mit einem „Dagestani“. Oh man der ist so verschnupft, dass ich manchmal glaube er droht zu ersticken. Viele Schwarzafrikaner, hauptsächlich aus Nigeria und Ghana sind hier im Land anzutreffen. Einige studieren hier, andere Spielen für Fußballvereine professionell oder sind auf der Suche nach einem Verein. Bis auf ein kleines Streitgespräch des Dagestanis mit einem Ghanaer (beide Moslems) über die richtige Ausrichtung zum Gebet ist die Atmosphäre doch entspannt.
Um die Stadt und ihre Infrastruktur so schnell wie möglich zu verstehen habe ich mich heute wahllos in verschiedene Buslinien und in die U-Bahn gesetzt und bin dabei gleichfalls immer wahllos irgendwo ausgestiegen. Gebracht hat es nix. Tiflis ist nun echt nicht so riesig und ähnlich wie Jena durch seine Tallage in der Ausdehnung begrenzt aber es gibt unzählige Linien die kreuz und quer verlaufen. Dazu kommt noch, dass der Netzplan um 90 Grad gedreht ist. Norden ist also im Westen. Da habe ich noch keinen Überblick.
Die Stadt an sich bietet architekturtechnisch gesehen einen netten Mix aus traditionellen und historischen Gebäuden, modern geschwungenen Bauwerken (ich sage nur die Damenbinde/Slipeinlage) und natürlich haben auch die Sowjetzeiten ihre Male hinterlassen. Viele Fassaden sind aufpoliert aber die Hinterhöfe drohen scheinbar zu zerfallen.
Jetzt, wo ich hier in der Stadt angekommen bin und mir im Vorfeld eigentlich überlegt habe hier zu überwintern, macht sich gerade etwas Unbehagen in mir breit. Der Gedanke, hier vier ganze Monate zu rasten bekommt mir im Augenblick nicht. Innerlich treibt es mich schon wieder weiter. Phuuu…