Zurück aufs Dach der Welt – Na ja gut… Vordach

Die Tage in Bombay waren recht gemütlich. Einen großen Dank möchte ich so auch an meinen Freund Sachin, seiner Familie und seinen Freunden schenken, die dies für mich möglich gemacht haben. Am Freitag den 14.04.2017 nahm ich den Zug in Richtung Osten. Mehr als zwei Tage war ich dabei unterwegs. Wieder zog Indien in alten romantischen Bildern an mir vorbei. Kleine Hütten auf dem Land, Bauern die ihr Vieh hüten oder Frauen die Bündel vom Holz auf dem Kopf tragen. Wie schnell man sich da doch verliert. Als die Nacht anbrach, starrte ich oft in tiefe Dunkelheit. Nur ein paar einzelne Lichtpunkte drangen durch das Schwarz. Als der Mond im leuchtenden Gelb-Orange aufging und sein Licht sich in der dunstigen Luft streute, da tauchte die Umgebung in ihren Schatten auf.

In Sonada angekommen, also wieder im Himalaya kurz vor Darjeeling, hatte ich das Glück, dass Heidi, die Norwegerin und ihr Mann Urgyen sich zwischenzeitlich ein kleines Haus gekauft haben und ich dieses für mich allein hatte. Heidi steckt gerade in Nepal und Urgyen in Delhi. Sie waren so lieb und vertrauensvoll und haben mir den Schlüssel hinterlassen. Das Haus befindet sich in einer tibetischen Siedlung, gleich nahe dem Kloster. Man muss ein kleines Labyrinth von schmalen Gassen und Treppen zwischen den Häusern bewältigen um hier herzufinden.

Das Haus ist alt, einfach aber auch echt niedlich. Bejahrtes aber authentisches Mobiliar, die Wände mit dunklen Holzbrettern verkleidet, was das Ganze im Gegensatz zu nacktem Beton gemütlich warm wirken lässt. Eine Vitrine mit Figuren tibetisch-buddhistischer Götter und anderer religiöser Gegenstände schmückt die Wohnung. Dazu noch alte Schwarzweißbilder früherer Mönche und Lamas. Die Dusche befindet sich zusammen mit der Toilette in einem kleinen Nebengebäude im Garten hinter dem Haus. Geduscht wird mit kaltem Wasser. Nur ein kleiner Boiler in der Küche schafft etwas Luxus. Ich mag’s hier!

Mal schauen wie lange ich hier bleiben werde. Heute war ich noch auf Besuch in Darjeeling. Ein paar Sachen wollte ich erledigen und nochmal einen Blick auf den Kanchenjunga werfen. Dieser blieb mir allerdings verwehrt. Der Himmel ist voll Dunst und macht eine weite Sicht unmöglich.

 

Der Kanchenjunga

Heute hieß es 03:30 Uhr aufstehen und warm anziehen. Zusammen mit Tom, einen Polen den ich hier in Darjeeling kennengelernt habe, heuerten wir wie viele andere Touristen auch einen Geländewagen an, der und zum Tiger Hill brachte. Von dort hat man einen wunderbaren Ausblick auf Darjeeling, in Richtung Sikkim und natürlich auf den Kanchenjunga.
Viele Touristen waren an diesem Morgen auf dem Tiger Hill unterwegs. Zu viele für meinen Geschmack. Ich schätze 500 Personen. Findige Geschäftemacher boten heißen Kaffee an oder auch Decken, Mützen, Handschuhe u.s.w.. Es war wirklich kalt. Die Leute quetschten sich auf eine Tribüne welche nach Osten zum Sonnenaufgang gerichtet war. Ich und ein paar andere schlaue Menschen dagegen positionierten die Kameras etwas abseits nach Norden auf den großen Berg. Sonnenauf- und Untergänge habe ich eh schon zu genüge fotografiert. Das eigentliche Spektakel ist nämlich, wenn die ersten Sonnenstrahlen dem Berg wie eine goldene Krone aufsetzen. Einfach malerisch.

Der Kanchenjunga ist mit 8586 der höchste Berg Indiens, der zweithöchste im Himalaja (denn der K2 steht im Karakorum) und der dritthöchste der Welt. Auf Grund seiner Nebengipfel heißt sein Name übersetzt soviel wie „Die fünf großen Schatzkammern des Schnees“.

Leider bringen Fotos nur selten die lebenswirkliche Perspektive und Größe nahe. Vom Tiger Hill aus gesehen befindet sich der Gipfel in rund 80 Kilometer Entfernung. Wenn man da so den Berg betrachtet, dann denkt man sich wirklich „Was für ein Brocken!“

 

Darjeeling

Die letzten zwei Tage in Bihar stimmten mich wieder etwas versöhnlicher. Irgendwie schienen mir hier die Menschen fröhlicher. Die Kinder waren wieder begeistert, wenn ich mit meinem Wagen vorbeizog und rannten nicht vor lauter Angst davon. Mit breitem Lächeln winkten sie mir entgegen. Der Kulturkreis änderte sich langsam. Ist Bihar doch sehr muslimisch geprägt, setzt sich hier in der Grenzregion zu West-Bengalen und Nepal immer mehr der Buddhismus durch. Dies sieht man nicht zuletzt an den immer mehr werdenden asiatischen Gesichtern. Eine neue Welt tat sich mir auf. Nie zuvor auf meiner Reise habe ich so viele lächelnde Menschen gesehen. Oft falteten sie ihre Hände und begrüßten mich mit „Namaste“ was ich so gern erwiderte. Ich war und bin so voller Freude seit dieser Tage.
Noch im Terai (Das Terai ist die Tiefebene bevor der Himalaja aufschießt) wichen die Reisfelder mehr und mehr den Teeplantagen. Dazwischen lange, dürre Palmen die keine Kokosnüsse mehr tragen. Das Klima änderte sich rasch – kühler, feuchter.

Die Berge lagen nun direkt vor mir und ich wusste, der Anstieg nach Kurseong wird hart. Ohh mannnnn! Die Karpaten in Rumänien oder der Kaukasus waren da schon fast ein Spaziergang. Steil schlängelte ich die Straße. Kleine Dörfer die an den Hängen lagen luden gelegentlich zum Verschnaufen ein. Das war bitter nötig. Als ich den Nachmittag auf Karte und Uhr schaute, da wusste ich, dass ich Kurseong nicht mehr bei Tage erreichen werde. Ich musste aber weiter, denn es gab weder die Möglichkeit zu campen noch war ein Gasthaus auf meiner Karte verzeichnet. Bis in die späte Dämmerung lief ich durch dichten Urwald und es wurde bitterkalt. An einem Schild vorbeikommend drehte ich mich um um es zu lesen und da stand „Homestay… bla“ drauf. Aus irgend einem Grund saß da eine Frau an der Straße die ich fragte wo dieses Homestay sei und sie zeigte auf die Abzweigung. Mich eine Buckelpiste hochquälend lag da ein kleines Dorf. Es war wirklich die Rettung für die Nacht. Für zehn Euro hatte ich eine heiße Dusche und je einen riesigen Berg Abendessen und Frühstück. Die gute Frau des Hauses muss sich echt gewundert haben, wo ich das alles hingedrückt habe.
Am nächsten Morgen, beim Verlassen des Hauses bot sich mir ein malerischer Ausblick in ein Tal und wo man auch hinschaute… Tee, Tee und noch mehr Tee. Bis nach Kurseong waren es noch 1,5 Kilometer aber ohne Scheiß, dafür habe ich echt über eine Stunde gebraucht. Ab da war es jedoch ein Kinderspiel. Die Straße schlängelte sich gemütlich zusammen mit den Schienen der Schmalspurbahn, dem sogenannten Toy Train, in Richtung Darjeeling.
Darjeeling war an diesem Tag auch nicht mehr zu erreichen. Das stand fest. Ich kam in ein kleines Städtchen namens Sonada, wo ich den restlichen Nachmittag und die Nacht verbringen wollte. Da stand eine Frau, die mit ihren blonden Haaren nicht so recht in das Stadtbild passte und auch sie wunderte sich über meine Gestalt. Heidi aus Norwegen. Wir setzten uns in ein kleines Restaurant und unterhielten uns. Ich fragte ob es ein Gasthaus im Ort gebe aber sie meinte nur, dass es im Ort nichts dergleichen sei. Bald darauf kam ihr Ehemann, ein Tibeter, hinzu und die Beiden luden mich für die Nacht zu sich nach Hause ein. Was für ein Seegen. Meinen Wagen konnte ich über Nacht im Kloster parken da nur ein schmaler Pfad zu ihrem Haus führte. Heidi ist für eine gemeinnützige Organisation tätig, die sich um die armen Kinder, unter anderem auch geflüchtet aus Tibet, kümmert. Sie vermietet ihre Wohnung in Norwegen und von dem Geld das übrig bleibt kauft sie den Kindern z.B. warme Kleidung oder Essen. Eine wirklich tolle Sache. Den Abend unterhielten wir drei und über unsere Lebensphilosophien und die harten Umstände, die das Leben für mich entlang der Straße und für sie in den Bergen so mit sich bringt.

Bevor ich am nächsten Vormittag aufbrach, erforschte ich noch etwas die Klosteranlage. Einige Leute kommen zu Sonnenaufgang und und drehen ihre Runden um die zahlreichen Stupas, knien oder verbeugen sich tief vor den Buddha-Statuen und brummeln ihre Mantras. Sehr Ehrfurcht erregend aber die Gänsehaut hatte ich wohl eher der eisigen Temperaturen wegen.
Nun bin ich seit gestern in Darjeeling und habe meinen alten Freund, den ich vor sieben Jahren hier fand, wiedergefunden. Der Kanchenjunga. Mit seinen 8586 Metern der dritthöchste Berg der Welt. Ein majestätischer Anblick der sich bietet.

 

Bihar

Die Tage nach Varanasi führte mich mein Weg noch etwas den Ganges entlang. Nahe Chapra überquerte eine weite Brücke den Ghaghara an deren Ende ich in Bihar angekommen war. Nahe eines kleinen Dorfes fand ich einen ruhigen Rastplatz am Ufer für die Nacht. Ungestört in Indien zu campen ist eine wahre Seltenheit. Es reicht wirklich, wenn man nur von einer Person gesehen wird. Diese erzählt dann im Dorf, dass da so ein komischer Typ ist der irgendwas hinter sich herzieht. Das verbreitet sich wie ein Lauffeuer und schon hat man das halbe Dorf um sich. Es nervt! Besonders wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit kommen. Dann ist da halt auch noch die sprachliche Barriere und am Ende wissen die nichts mit mir anzufangen. Oft höre ich dann auch noch das Wort Pakistani. Da schrillen bei den Leuten die Alarmglocken, da ich ein Terrorist sein könnte und sogleich hab ich auch noch die Polizei vor dem Zelt. Und was ich hier so mit der Polizei in Bihar durchgemacht habe schreibe ich lieber nicht. Da staut sich nur wieder Wut an. Wirklich schlimm.

Weiter ging es durch die weiten Ebenen entlang der nepalesischen Grenze. Wie so oft lagen links und rechts von mir Reisfelder, die langsam erntereif wurden. Der Dorfalltag wirkt recht beschaulich. Der Reis wird gedroschen und zum Trocknen auf Tüchern ausgebreitet. Für Vögel ein gefundenes Fressen. Man melkt die Ziegen und Kühe, flickt die Strohhütte oder flechtet einen neuen Zaun aus Bambusstreifen. Aufgabe der Frauen ist es, Kuhdung und Stroh zu Brennmaterial zu verarbeiten. Da gibt es in Indien ganz unterschiedliche Techniken. In Maharashtra und Madhya Pradesh wird der Dung-Stroh-Fladen wie ein Halbmond geformt, die gerade Seite etwas dicker. So kann man den Fladen senkrecht zum Trocknen aufstellen. In Uttar Pradesch und West-Bihar wird er rund geformt und einfach an die Hauswand, einen Baum oder ähnliches geklatscht. In Ost-Bihar dagegen wächst massig eine Pflanze, die sieht so etwas dem Schilf ähnlich. Man nutzt ein paar dieser langen Stängel und formt den Dung entlang dieser. Sieht dann aus wie ein riesiger Kebab-Spieß. Ich weiß… Das ist Wissen, welches euren Alltag ungemein bereichern wird.

Je weiter ich nach Nordosten vordrang, desto mehr überlegte ich, wo ich denn nun meine Reise vorerst beenden werde. Die Stadt Siliguri schien perfekt. Dort gibt es jetzt nichts besonderes. Es ist eine Transitstadt da sie genau in dem schmalen Korridor zwischen Nepal und Bangladesch liegt. So bequem zu erreichen wenn ich wiederkommen und meinen Weg fortsetze.
Mit den Tagen sah ich im Norden in weiter Ferne jedoch Wolkenbänke. Das erste Anzeichen, dass der Himalaja nicht mehr fern ist, denn die feuchtwarme Luft vom Golf von Bengalen kommend steigt an den Bergen auf und kondensiert. Irgendwann schimmerte dann die Silhouette der ersten Berge hervor und von Tag zu Tag immer mehr und stärker bis sogar schon die ersten schneebedeckten Gipfel zu erkennen waren. Ich kam ins Schwärmen und Träumen und beschloss daraufhin in die Berge bis nach Darjeeling zu laufen und einen alten Freund wiederzusehen. Endspurt war angesagt.

 

Der indische Mob

Als ich vor Wochen in Nashik Halt machte und bei meinem Gastgeber nebenbei die Nachrichten im Fernsehen liefen, da sah ich immer mal wieder Bilder, wie Menschen sich zu einem Mob zusammenfinden und es aushakt. Wahnsinn zu sehen, wie der Mensch innerhalb von Sekunden Millionen von Jahren in der Evolution zurückschreiten kann. Ich würde sogar behaupten, Affen sind da beherrschter.
Heute hatte ich mein Zelt etwas abseits der Straße auf einer netten Wiese zwischen der Feldern aufgeschlagen. Alles war friedlich und wie immer gucken auch noch nach Einbruch der Dunkelheit Leute vorbei. Mein Bitten mich nicht weiter groß zu stören, weil ich über vierzig Kilometer hinter mir habe und einfach nur schlafen wolle fand wenig Gehör (also taub sind sie auch) bis irgendwann sich der Ortsvorsteher einfand und ich alles nochmal in Ruhe erklärte und er dann die Leute wegschickte. Damit schien die Sache fast gegessen bis kurz drauf wieder Motorräder vorfuhren. Und wieder standen die Leute da. Vom Kind bis zur Großmutter, vom Teenager bis zum Mann. Ich kroch wieder aus dem Zelt und die Stimmung auf beiden Seiten wurde gereizter und die Stimmen laut. Der sogenannte „Landlord“ meinte ich solle gehen. Sei Privatland. Ist das erste Mal auf meiner Reise, dass sich jemand gestört fühlt wenn ich auf dem Acker pennen will. Eine Polizistin hatte sich mittlerweile auch als Zuschauerin eingefunden. Der Ton wurde rauer und es wurde fast handgreiflich. Und dann… dann brach der Mob los. Plötzlich zerrten ein paar Typen an meinen Zeltleinen, rissen die Heringe raus und alles fiel zusammen. Nur noch „Okay, I’m going.“ brachte wieder Ruhe.
Ey das ist so traurig bei diesem Volk und noch schlimmer, dass ich das hier am eigenen Leibe erfahren muss. Wie kann es nur so aushaken? Diese Leute sind einfach nur dumm. Das hat nix mit Ungebildetsein zu tun, so wie man es mir immer erklären möchte, nein diese Leute sind wirklich dumm und ignorant.
Ich packte mein Zeug so schnell es ging und bin genervt, traurig und enttäuscht in die Nacht.
Aber es gibt ja einen Gott. Die Polizistin eskortierte mich mit ihrem Wagen und nach zwei Kilometern gab es ein so was wie ein einfaches Gästehaus. Nun liege ich hier, hab meine Ruhe und sauber ist es auch. Der Besitzer meinte, ich sei sein Gast und die Nacht kostenfrei. Bei der Geschichte eine wirklich liebenswerte und großzügige Geste. Nur freundlich gucken kann ich noch nicht. Vielleicht sieht das morgen schon wieder anders aus aber nee… Ich bin nur am Kopfschütteln.

Gute Nacht dann.

Varanasi

Irgendwie hatte ich diese Stadt völlig anders in Erinnerung. Etwas leiser, schlichter und spiritueller. Das hat sich für mich völlig gedreht. Was mir gleich aufgefallen ist, dass heute, anders als noch vor sieben Jahren, jeder mit seinem Smartphone Selfies schießt und besonders nach Sonnenuntergang fallen die gleißend hellen LED’s auf. Und von allen Seiten wird man angequatscht: „Kauf was bei mir!“. „Fahrradrikschatour… günstig!“, „Haschisch?… Some Naturals?“
Mit Abstand aber ist es bis jetzt die dreckigste Stadt in Indien die ich erlebe und mich wundert es nicht, dass ich gestern den schlimmsten Durchfall auf meiner Tour hatte. Da pissen die Leute an die Wände und der Urin rinnt am Straßenrand entlang. Wenig weiter wird Wäsche gewaschen und daneben steht auch schon der Chai-Händler. Ich habe ja viele Hemmungen und Empfindlichkeiten auf meiner Reise abgelegt aber hier würgt es mich um den Hals. Bähhh!
Nichts desto Trotz bleibt es die heiligste aller Städte in Indien. Die Glocken läuten zum Sonnenaufgang und Hunde bellen. Ungeachtet aller Verschmutzung nehmen die Gläubigen ihr morgendliches Bad im Ganges, tauchen kopfunter, spülen sich den Mund. Dabei kann ein Schluck dieses Wassers tödlich sein.
Die Stadt ist voller Heiliger aber eben noch mehr Scheinheiliger und Scharlatanen, von Bettlern ganz zu schweigen. Man muss ganz genau schauen. Der Heilige verlangt kein Geld, bettelt nicht. Er lebt einzig für das Göttliche. Auf meinem ersten Besuch in der Stadt, da saß ein Mann orange gekleidet an den Ghats und meinte zu mir „Gib mir Rupien! Ich bin heilig.“ Ich antwortete ihm „Du bist nicht heilig. Ich sehe die Gier in deinen Augen.“ Der Scheinheilige eben. Und die Scharlatane? Sie wollen dir die Zukunft voraussagen oder einfach nur ihre Souvenirs zu völlig überhöhten Preisen andrehen. Man muss aufpassen mit wem man sich einlässt.

 

Lautes Indien

In Indien scheint immer irgendwie Festival-Stimmung zu sein. In meinen ersten Wochen hier wurde ausgiebig Ganesh, dem Gott mit dem Elefantenkopf der zu Glück und Erfolg verhelfen soll, gehuldigt und bald darauf schon der Durga, welche unter anderem die weibliche Urkraft des Universums symbolisiert und auf einem Tiger oder Löwen reitet. So wurde in jedem noch so kleinen Ort eine kleine Bühne errichtet, wo die großen Figuren aufgebahrt werden. Dazu schallt es laute Musik. Zumindest scheinen die Inder es als Musik zu empfinden. Laute Beats, schriller Gesang und oft übersteuernde Lautsprecher ließen mich ganz schnell flüchten. Das Ganze geht vom Morgen an bis oft tief in die Nacht und wenn man nun mal in der Nähe eines Dorfes sein Lager aufschlägt, kann einen das echt um den Schlaf bringen.

Aber nicht nur die Musik, auch der Menschenschlag an sich lässt einen nicht immer ruhen. Ich erinnere mich an einen Abend, an dem ich an der Seite eines kleinen Feldweges kampierte. Ein paar hundert Meter weiter lag ein kleines Dorf und die Bewohner waren natürlich neugierig. Irgendwann wurde es dunkel und ich wollte in Ruhe in den Schlaf finden. Ging aber nicht, da sich immer noch Leute vor meinem Zelt befanden und redeten. Meine freundliche Bitte, dass nun alle nach Hause gehen könnten, einfach weil es stört, fand kein Gehör und so wurde ich echt laut. Dann begriffen sie es aber vielleicht wurde ich auch zu laut und aggressiv im Ton, so dass so gegen 9 Uhr die Polizei anrollte. NERV! Ich wurde nach Name und Herkunft gefragt und das war’s. Ich kroch in mein Zelt zurück und eine Stunde später stand wieder die Polizei da. Diesmal ein paar Leute mehr und ein Herr vom Forstamt der meinte, es sei gefährlich hier zu campen, da es Schlangen, Tiger und Leoparden gebe (ein paar Hinweisschilder zur Tierwelt hatte ich zuvor schon an den Straßen gesehen). Er versuchte mich zu überzeugen, ein paar hundert Meter weiter auf einer Art Plattform(?) zu campen. „Und? Umzäunt ist es nicht. Kann der Tiger trotzdem hochspringen.“ Ewige Diskussion bis sie es aufgegeben haben und zu guter Letzt noch meine Personalien kontrollierten und das war’s. – Dachte ich. 01:45 Uhr dröhnte mich wieder eine Polizeisirene aus dem Schlaf. Also krieche ich wieder aus dem Zelt und der Bulle fragt mich ob alles okay sei und ob er ein Selfi mit mir bekomme? Das war echt der Gipfel und ich war kurz vorm explodieren.
Einen Abend später in einem anderen kleinen Dorf etwas abseits der Straße einen schönen Flecken zum zelten und wie immer kamen ein paar Leute um zu gucken und um zu glotzen und um zu starren. Ein Junge sprach vernünftiges Englisch und ich erzählte ihm von der Vornacht und das ich wünsche, dass bitte niemand nach Einbruch der Dunkelheit an mein Zelt kommen solle, dass bitte niemand mit seiner Taschenlampe oder Smartphone in mein Zelt leuchten soll oder Fotos mache. Er übersetzte das den Umstehenden. Ich hoffte das Beste doch irgendwann wachte ich wieder von Schritten und Stimmen auf. Es kratzte kurz am Zelt und es hieß „Come out!“ … „No!“ … „Come out! I’m policeman!“ Gereizt öffnete ich mein Zelt, so dass nur mein Kopf durchpasste. Ich sah den Bullen. „OK. You are the policeman. But who are these other twenty people?“ … „These are people from the village. They want to see you.“ Das war dann wieder ein Grund laut zu werden. Ich schrie alle an, dass sie nach Hause gehen sollten und dass der Typ mich echt am Arsch lecken kann und ein Vollidiot ist. Er und die Leute verschwanden langsam wieder in Richtung Straße. Ich sah nur noch wie er telefonierte. Wenig später stand an der Straße einen Polizeiwagen mit aufblitzenden Lichtern. Waren wohl seine Kollegen die er gerufen hatte. Irgendwas wurde da kurz und laut diskutiert und plötzlich ging jeder seiner Wege. Wird wohl ein Arschtritt vom Chef gewesen sein.

Ich weiß nicht wie ich das beschreiben soll aber von einem nicht kleinen Teil der Inder, die mir bis jetzt begegnet sind, bin ich echt enttäuscht. Klar als weißer Mann bin ich auf dem Lande definitiv etwas Besonderes und ich bin in so manchen Kaff auch sicherlich der erste Weiße nach dem Ende der britischen Kolonialherrschaft 1947 aber was den Leuten fehlt ist so eine gewisse Sensibilität. Die denken halt nicht daran, dass der weiße Mann nachts einfach nur in Ruhe schlafen möchte. Sie verstehen vielleicht auch nicht, dass mein Zelt mein einziger Rückzugsort ist an dem ich das letzte Stückchen Privatleben habe und vielleicht verstehen sie auch nicht, dass sie nicht fünf Meter vor mir stehen sollen, wenn ich mich wasche. Liegt wohl daran, dass sie selber so etwas wie ein Privatleben nicht haben. Das funktioniert auch nicht, wenn eine zehnköpfige Familie in einer Hütte mit einen oder zwei Räumen lebt. Da wird die Morgentoilette am Straßenrand verrichtet. Da wird das Essen unter freiem Himmel gekocht und da wird sich am Dorfbrunnen gewaschen. Jeder Nachbar hat Einblick in das Leben des anderen und jeder kennt den nackten Arsch des anderen. Da gibt es keine Scham.
Und dieses Umfeld trifft nun auf mich. Keine Sensibilität für die Bedürfnisse des anderen. Nicht wissen einen respektvollen Abstand zu wahren. Vielleicht sollte man es „Indian Selfish“ nennen. Das fängt damit an, wenn ich eine meine Karte aufschlage oder ein Foto schieße. Plötzlich hängen sie dir von hinten auf dem Buckel um zu gucken was du da machst und du musst sie echt zurückschuppsen. Ich weiß noch, da war mal so was wie ein Getreidespeicher und zig Leute warteten mit ihren Trucks davor um Ware zu holen. Wenig weiter war ein Straßenrestaurant, welches bis auf die vier Mitarbeiter leer war. Ich wollt einfach nur eine kühle Limo genießen und glaubt mir. Ich bin zum Kühlschrank gegangen um mir eine Limo zu nehmen und so wie ich mich wieder zur Straße drehe, stehen da plötzlich vierzig Mann da und gaffen. Wie soll man da seine Limo genießen? Ein guter Kumpel von mir würde an dieser Stelle sagen: „Den Leuten fehlen echt 99 Pfennige an der Mark.“ und es ist wirklich so. Nicht alles Inder sind so anstrengend aber dennoch sind es zu viele.

 

Unterbrechung

Die Sache mit dem gewaschenen Reisepass in Dubai hat mich ganz schön in die Bredouille gebracht. Das dümmste was passieren konnte war aber, dass mein Indien-Visum nur für drei Monate ausgestellt wurde. Ich möchte es als organisatorischen Genickbruch bezeichnen. Fünf Monate wären mehr als ausreichend gewesen um bequem in Delhi die Visa für Myanmar und China zu beantragen aber diese Zeit habe ich nun nicht.
Lange habe ich nach einer Lösung gesucht. So besuchte ich das Deutsche Generalkonsulat in Bombay um mir einen neuen gewöhnlichen Reisepass ausstellen zu lassen und damit nach Nepal zu gehen. Dort hätte ich nochmal ein Indien-Visum und gleichzeitig die Visa für Myanmar und China beantragt. Mit dem neuen Pass aber wäre mein Notpass ungültig geworden und ich hätte mich noch zusätzlich mit der indischen Migrationsbehörde rumschlagen müssen. Am Ende würde ich auch mit drei Pässen reisen. Dem kaputten Pass, dem Notpass in dem das Visum für den kaputten Pass klebt und dem neuen Pass in dem ein Vermerk ist, dass ich einen ungültigen Notpass habe in dem ein Visum klebt, welches eigentlich in den kaputten Pass gehört hätte. Kommt ihr noch mit?

Da ich aber die Zeit in Indien lieber mit Laufen verbringen wollte und will, habe ich mir den ganzen bürokratischen Akt gespart und eine unglänzende und schwere Entscheidung getroffen. Ich werde Ende November meine Reise für drei bis vier Monate unterbrechen und nach Deutschland zurückkehren. Zeit also, um alles Nötige zu organisieren, mir vielleicht wieder einen schönen Speckmantel anzufuttern und mal schauen, was ich euch da noch so bieten kann.

Dumm gelaufen aber ich sehe auch das Positive an der Sache. Es ist eine gute Gelegenheit Familie und Freunde mal wieder in die Arme zu nehmen.

Eine Nacht im Tempel

Meine Reise verläuft prima. Meine Schuhe sind so weit runtergelaufen dass ich ein Stück Fahrradmantel darunter geflickt habe. Dann laufe ich rum wie ein Penner da eines meiner Hemden einen riesigen Riss über der Schulter hat. Dann löste sich beim Laufen mein Zelt aus den Zurrgurten und schliff über den Asphalt. Maaaan so viele Löcher zum Flicken. Und dann funzt auch noch mein Solarpaneel nicht mehr. Ihr merkt, ich habe einige Hürden zu meistern und verzichte auf mehr und mehr Komfort. 

Heute Nacht schlafe ich in einem kleinen Tempel. Der Sadu, der eine kleine Hütte hinter dem Tempel hat, hatte nix dagegen, dass ich mich einquartiere. Endlich mehr als nur ein Hauch von Spiritualität als er begann in eine Muscheln zu blasen und es laut dröhnte, die kleinen Glöckchen läutete und in Andacht zu Shiva zu singen begann. Abendessen hatte er mir auch noch gemacht. Eine scharfe Suppe und echt leckere Chapatis (kleine Fladenbrote).