Die letzten zwei Tage in Bihar stimmten mich wieder etwas versöhnlicher. Irgendwie schienen mir hier die Menschen fröhlicher. Die Kinder waren wieder begeistert, wenn ich mit meinem Wagen vorbeizog und rannten nicht vor lauter Angst davon. Mit breitem Lächeln winkten sie mir entgegen. Der Kulturkreis änderte sich langsam. Ist Bihar doch sehr muslimisch geprägt, setzt sich hier in der Grenzregion zu West-Bengalen und Nepal immer mehr der Buddhismus durch. Dies sieht man nicht zuletzt an den immer mehr werdenden asiatischen Gesichtern. Eine neue Welt tat sich mir auf. Nie zuvor auf meiner Reise habe ich so viele lächelnde Menschen gesehen. Oft falteten sie ihre Hände und begrüßten mich mit „Namaste“ was ich so gern erwiderte. Ich war und bin so voller Freude seit dieser Tage.
Noch im Terai (Das Terai ist die Tiefebene bevor der Himalaja aufschießt) wichen die Reisfelder mehr und mehr den Teeplantagen. Dazwischen lange, dürre Palmen die keine Kokosnüsse mehr tragen. Das Klima änderte sich rasch – kühler, feuchter.
Die Berge lagen nun direkt vor mir und ich wusste, der Anstieg nach Kurseong wird hart. Ohh mannnnn! Die Karpaten in Rumänien oder der Kaukasus waren da schon fast ein Spaziergang. Steil schlängelte ich die Straße. Kleine Dörfer die an den Hängen lagen luden gelegentlich zum Verschnaufen ein. Das war bitter nötig. Als ich den Nachmittag auf Karte und Uhr schaute, da wusste ich, dass ich Kurseong nicht mehr bei Tage erreichen werde. Ich musste aber weiter, denn es gab weder die Möglichkeit zu campen noch war ein Gasthaus auf meiner Karte verzeichnet. Bis in die späte Dämmerung lief ich durch dichten Urwald und es wurde bitterkalt. An einem Schild vorbeikommend drehte ich mich um um es zu lesen und da stand „Homestay… bla“ drauf. Aus irgend einem Grund saß da eine Frau an der Straße die ich fragte wo dieses Homestay sei und sie zeigte auf die Abzweigung. Mich eine Buckelpiste hochquälend lag da ein kleines Dorf. Es war wirklich die Rettung für die Nacht. Für zehn Euro hatte ich eine heiße Dusche und je einen riesigen Berg Abendessen und Frühstück. Die gute Frau des Hauses muss sich echt gewundert haben, wo ich das alles hingedrückt habe.
Am nächsten Morgen, beim Verlassen des Hauses bot sich mir ein malerischer Ausblick in ein Tal und wo man auch hinschaute… Tee, Tee und noch mehr Tee. Bis nach Kurseong waren es noch 1,5 Kilometer aber ohne Scheiß, dafür habe ich echt über eine Stunde gebraucht. Ab da war es jedoch ein Kinderspiel. Die Straße schlängelte sich gemütlich zusammen mit den Schienen der Schmalspurbahn, dem sogenannten Toy Train, in Richtung Darjeeling.
Darjeeling war an diesem Tag auch nicht mehr zu erreichen. Das stand fest. Ich kam in ein kleines Städtchen namens Sonada, wo ich den restlichen Nachmittag und die Nacht verbringen wollte. Da stand eine Frau, die mit ihren blonden Haaren nicht so recht in das Stadtbild passte und auch sie wunderte sich über meine Gestalt. Heidi aus Norwegen. Wir setzten uns in ein kleines Restaurant und unterhielten uns. Ich fragte ob es ein Gasthaus im Ort gebe aber sie meinte nur, dass es im Ort nichts dergleichen sei. Bald darauf kam ihr Ehemann, ein Tibeter, hinzu und die Beiden luden mich für die Nacht zu sich nach Hause ein. Was für ein Seegen. Meinen Wagen konnte ich über Nacht im Kloster parken da nur ein schmaler Pfad zu ihrem Haus führte. Heidi ist für eine gemeinnützige Organisation tätig, die sich um die armen Kinder, unter anderem auch geflüchtet aus Tibet, kümmert. Sie vermietet ihre Wohnung in Norwegen und von dem Geld das übrig bleibt kauft sie den Kindern z.B. warme Kleidung oder Essen. Eine wirklich tolle Sache. Den Abend unterhielten wir drei und über unsere Lebensphilosophien und die harten Umstände, die das Leben für mich entlang der Straße und für sie in den Bergen so mit sich bringt.
Bevor ich am nächsten Vormittag aufbrach, erforschte ich noch etwas die Klosteranlage. Einige Leute kommen zu Sonnenaufgang und und drehen ihre Runden um die zahlreichen Stupas, knien oder verbeugen sich tief vor den Buddha-Statuen und brummeln ihre Mantras. Sehr Ehrfurcht erregend aber die Gänsehaut hatte ich wohl eher der eisigen Temperaturen wegen.
Nun bin ich seit gestern in Darjeeling und habe meinen alten Freund, den ich vor sieben Jahren hier fand, wiedergefunden. Der Kanchenjunga. Mit seinen 8586 Metern der dritthöchste Berg der Welt. Ein majestätischer Anblick der sich bietet.